MiniKrimi Adventskalender am 25. Dezember


Der letzte MiniKrimi -Beitrag in diesem Kalender ist von meiner Mörderischen Schwester Ingrid Zellner. Ich hoffe, ihr hattet Spaß – und vielleicht ein paar Inspirationen – beim Öffnen der Türchen.

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Rattenweihnacht (Auszug)

von Ingrid Zellner

Sonntag, 24. Dezember

„Fürchtet euch nicht! Ich habe eine Freudenbotschaft für euch: Der Heiland ist für euch geboren! Er heißt Jesus und liegt dort im Stall in einer Krippe!”

Sämtliche Köpfe in der Kirche hatten sich umgewandt und schauten hinauf zur Orgelempore, wo die kleine Emma stand (sehr offensichtlich auf einem Podest) und mit ausgebreiteten Armen zu den Hirten sprach, die im Mittelgang lagerten und ihren Worten aufmerksam lauschten. Zum ersten Mal, seit Pfarrer Stocker die Gemeinde zur Kindermette und dem Krippenspiel begrüßt hatte, vergaß Falko Geiger für einen Moment die Unruhe, die in ihm schwelte, und sah voller Vaterstolz zu, wie seine Tochter in ihrem weißen Kleid mit goldenen Engelsflügeln, die schulterlangen weizenblonden Haare mit einem Goldreif gebändigt, ohne jede Nervosität und mit klarer Stimme die frohe Botschaft verkündete.

Doch als die Hirten sich daraufhin auf den Weg zu der Heiligen Familie machten, die vor dem Altar zwischen mehreren aufeinandergetürmten Strohballen auf sie wartete, war von draußen in einiger Entfernung ein Martinshorn zu hören, und prompt flackerte die Unruhe in Falko wieder auf. Er hatte vorhin, als Kicki sich flüsternd bei ihm nach dem Verbleib von Maria erkundigt hatte, lediglich geantwortet, dass sie sich wohl aus irgendeinem Grund verspätet hatte und sicher noch nachkommen würde. Von den angeblichen Schüssen im Haus der Biber-Brüder, wo sie ja lebte, hatte er ihr in dem Moment wohlweislich noch nichts erzählt. Solange sie nichts Genaueres wussten, genügte es, wenn bloß er sich Sorgen machte.

Die Hirten beendeten ihren Besuch bei dem Jesuskind. Nun stimmte der Organist das Lied „Wir kommen daher aus dem Morgenland” an, das Kirchentor wurde geöffnet, und wieder drehten sich alle um, um den Einzug der Heiligen Drei Könige nicht zu verpassen. Ein wenig Unruhe kam auf, als ferne Klänge von Martinshörnern die feierliche Orgelmusik störten, doch dann wurde das Tor hinter den Königen wieder geschlossen und sperrte alle Töne, die nicht zum Krippenspiel gehörten, aus.

Falko war hin und her gerissen. Eigentlich wollte er unbedingt bleiben – schließlich würde es jetzt nicht mehr lange dauern, bis sich sämtliche Mitwirkenden, einschließlich seiner kleinen Prinzessin, vor dem Altar versammelten und gemeinsam mit den Zuschauern das traditionelle „Stille Nacht, heilige Nacht” anstimmten. Aber andererseits wurde er das Gefühl nicht los, dass das alles irgendwie zusammenhing: Schüsse im Biber-Haus – Maria, die entgegen ihrer Vereinbarung nicht zur Kirche gekommen war – und nun auch noch die Martinshörner, denn es waren eindeutig mehrere gewesen … und das ließ auf einen Großeinsatz schließen. Großer Gott. Was war passiert?

Er hielt es nicht mehr aus, raunte seiner Frau eine hastige Entschuldigung zu und verließ unter den verwunderten Blicken der anderen Besucher so leise und so schnell wie möglich die Kirche. Draußen blieb er stehen und lauschte angespannt. Die Martinshörner waren noch immer in einiger Entfernung zu hören, es kam ganz eindeutig aus der Richtung des Dorfrands, wo das Anwesen der Familie Biber lag. Und dann entdeckte Falko die Rauchsäule, die dort in den klarblauen Winterhimmel stieg.

Ohne zu überlegen rannte er los. Schon von weitem nahm er jenseits des Ortsausgangs ein Meer von rotierenden Signalleuchten in Blau und Orange wahr, dazu eine hohe Wasserfontäne. Dann stieß er auf eine Absperrung, und ein Beamter in Uniform hinderte ihn sehr bestimmt daran, weiterzulaufen. Er blieb stehen und rang keuchend nach Atem. Jetzt erst spürte er die sengende Hitze, die ihm entgegenschlug, und wie gelähmt starrte er auf die roten Flammen, die vor seinen Augen emporloderten.

Die Biber-Villa brannte lichterloh.

Montag, 25. Dezember

Polizeihauptmeister Peter Wötzel stand vor den ausgebrannten Überresten einer vormals wohl vergleichsweise stattlichen Villa am Rande des Dorfes Buchelfingen und fragte sich mit wachsendem Missmut, womit er das verdient hatte.

Normalerweise hätte er jetzt nämlich frei, würde mittags in seinem Lieblingsrestaurant Rehbraten essen gehen und später zuhause heimlich im Fernsehen Sissi anschauen. Aber er hatte zugunsten von Otto Berger verzichtet, der ausnahmsweise mal an Weihnachten einen auf Familie machen wollte – und nun stand er hier in der eisigen Winterkälte, sehnte sich nach einem heißen Kaffee und musste sich mit einem Tatort befassen, der inzwischen nicht mehr nur aufgrund eines Hausbrands nach Ermittlern verlangte. Denn als die Kollegen sich auf die Suche nach der Brandursache gemacht hatten, waren sie in der Ruine auf zwei Leichen gestoßen.

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Ingrid Zellner

Website: https://www.ingrid-zellner.de/

Rattenweihnacht

Oertel+Spörer Verlag, 2023 (248 Seiten)

Kurz vor Weihnachten taucht in dem Dorf Buchelfingen eine Frau auf, die ihr Gedächtnis verloren hat und nicht mehr weiß, wer sie ist. Man gibt ihr den Namen Maria, und die etwas verschrobenen Brüder Gunnar und Leander Biber nehmen sie bei sich auf. Dabei haben sie derzeit eigentlich ganz andere Probleme: Ihre Mutter ist seit einer Woche spurlos verschwunden, und sie erhalten Drohbriefe, die ihnen ein Verbrechen unterstellen und Vergeltung dafür ankündigen. Bald werden im Dorf erste Vermutungen laut, dass diese rätselhafte Maria etwas damit zu tun haben könnte. Eine Frau ist sich sogar sicher, sie aus ihrer Jugendzeit zu kennen. Doch was tatsächlich hinter Marias Aufenthalt in Buchelfingen steckt, ahnt niemand…

Paperback (ISBN 978-3-965-55150-3): € 13,00

https://www.oertel-spoerer.de/produkt/rattenweihnacht/
https://www.amazon.de/Rattenweihnacht-Krimi-Ingrid-Zellner/dp/3965551507/ref=sr_1_1

https://shop.autorenwelt.de/products/rattenweihnacht-von-ingrid-zellner

eBook (ISBN 978-3-96555-159-6): € 9,99
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