Europa Unita. Hommage an meine visionäre Demenzphilosophin.

Eine Hand lässt eine Friedenstaube fliegen

„La cosa più importante è che l’Europa rimanga unita. Per la pace, per il benessere, non solo nei paesi europei, ma bensí in tutto il mondo.”

Zu Deutsch: Der wichtigste Garant für Frieden und Wohlstand ist ein geeintes Europa. Nicht nur für die einzelnen europäischen Länder, sondern für die ganze Welt.

Standardsätze meiner Mutter, im Lauf der Jahre unzählige Male wiederholt, bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten. Den Wahlen zum Europaparlament. Den Berichten über EU-Gipfel, deutsch-französische Gespräche, die Einführung des Euro, natürlich, und die EU-Erweiterung. Dabei beugte sie sich in ihrem Sessel vor, sah dich direkt an, ihre Stimme war frisch, voller Überzeugung und Überzeugungskraft. Sogar als sie schon so dement war, dass sie zuweilen ihren Namen vergaß, rezitierte sie mehrfach am Tag dieses Credo. „L’Europa deve rimanere unita.“

Ich konnte es schließlich nicht mehr hören. 

Ja, diese Frau hatte einen Weltkrieg durchlebt, der Europa unter Trümmern begraben hatte. Seine Menschen, seine Ideale. Der Phoenix, der sich aus der Asche eines Kontinents herausgeschält hatte, mochte sie begeistern.

Und ja, zurecht. Einheit in Vielfalt, geballtes Wirtschaftswunder – von Amerikas Gnaden zwar und auf Kosten einer halben Heimat hinter dem eisernen Vorhang. Aber immerhin. Wie im Zeitraffer spulten sich vor den Augen ihrer Generation historische Veränderungen ab. Politisch, gesellschaftlich, sozial. (Eigentlich waren es keine Veränderungen, sondern Wiederholungen, aber die erlebte Geschichte ist für jede Generation natürlich einmalig). Flüchtlinge aus den Ostgebieten, Gastarbeiter, Binnenmigranten. Reisen, Konsum, sozialer Aufstieg, mehr Konsum. „Geh’n Se mit der Konjunktur, geh’n Se mit auf diese Tour“, schallte die Nachkriegshymne aus Autoradios und Frankfurter Küchen über die rasant dahinschmelzenden Schuttberge. 

Und das alles war nur möglich, weil Europa zusammenwuchs. Davon war meine Mutter überzeugt. Denn sie hatte es erlebt. 

„La cosa più importante è che l’Europa rimanga unita. Per la pace, per il benessere, non solo nei paesi europei, ma bensí in tutto il mondo.”

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs kam nicht der Frieden – „wir haben keinen Friedensvertrag“, auch so ein Standardsatz meiner Mutter -, sondern der Kalter Krieg. Statt zu verhandeln, wurde erst einmal aufgerüstet. Frei nach dem Motto: ein potentiell möglicher Angriff ist die beste Verteidigung, O-Ton meine Mutter, bewaffneten sich West und Ost mit Waffen, die einen unendlichen Overkill ermöglichten.

Derweil wurde der Waffenstillstand an den Grenzen durch Kriege im Innern gesichert., Prager Frühling, RAF, Brigate Rosse. Und dann die Friedensbewegung. Atomkraft – nein danke, Gorleben, Wackersdorf und Startbahn West. 

Während der Osten Proteste niederpanzerte, wuchs im Westen eine neue Kriegsform, der Terrorismus. Von 1970 bis 2016 haben in Europa etwa 4.280 Anschläge stattgefunden. Mit etwa 9.200 Todesopfern In den dreißig Jahren vor der Jahrtausendwende. Nordirland, Spanien, Italien –   lange vor den islamistischen Terrorkommandos hatten ethno-nationalistische Gruppen diese Kriegsform für sich adoptiert. 

Wie konnte meine Mutter da von „Frieden“ sprechen? Weil Europa zum ersten Mal so sehr geeint war. Wirtschaftlich und politisch. Trotz ihrer Demenz erkannte meine Mutter im neuen Jahrtausend die Risse. Und warnte. 

Hat Putin den Zeitpunkt für seine Aggression gegenüber der Ukraine gewählt, als die Einheit Europas zu bröckeln begann? Ist die EU zu schnell gewachsen? Oder ist sie gewachsen, ohne dass die Länder genug einende, verbindende Strukturen, Konzepte, Visionen hatten? War die Hoffnung auf wirtschaftlichen Fortschritt und Sicherheit im Schatten der Nato nicht genug? War noch zu viel Warschauer Pakt in der DNA der neuen Staaten? Fakt ist, innerhalb Europas wuchsen die Unstimmigkeiten. Arbeits- und Armutsmigration, „Flüchtlingsansturm“, neu aufkeimender Rassismus, Grenzschließungen, Erstarken des Ethno-Nationalismus. Letzteres keineswegs nur in der Ost-EU, sondern ebenso in Frankreich, Italien, Deutschland etc. Brexit und Covid-19 schließlich versetzten Europa einen Stoß, der die Einheit in gefährliche Schieflage brachte. 

Das ist der ideale Moment, um damit zu beginnen, mit den Demokratiebestrebungen im Umfeld Russlands dauerhaft aufzuräumen. Denn Putin will vielleicht einen breiteren Zugang zum Schwarzen Meer, aber er will vor allem nicht von aufkeimenden Demokratien umgeben sein. Deshalb wird er seinen Feldzug nicht stoppen wollen. Er hat mit wachsendem Widerstand in seinem Land zu kämpfen. Er hat den Kontakt zur Jugend weitgehend verloren. Und zu vielen Bevölkerungsschichten ebenfalls. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist immens. Die Armen glauben der Regierung nicht. Sie lassen sich nicht impfen (Impfquote bei ca. 25%), weil sie vermuten, der Impfstoff sei vergiftet. Sie misstrauen sogar russischem Wodka, aus demselben Grund. Ein Heer von Arbeitsmigranten aus den ehemaligen Sowjetrepubliken haust unter unmenschlichen Bedingungen im Land, ausgebeutet und verachtet, Parias der Gesellschaft. Die Zahl der Straßenkinder wächst. Sie fliehen vor Missbrauch, Schlägen, unzumutbaren Wohnverhältnissen – oft 3 Generationen in einem Zimmer, alkoholisierte Eltern – auf die Straßen, nehmen Drogen, prostituieren sich, verkaufen ihre Organe. Nein, das ist keine Übertreibung. Leider. 

Wir fragen uns: was hat Putin davon, der Mächtigste in einem Land der Machtlosen, der Hoffnungslosen zu sein? Ich habe keine Antwort darauf. Außer, dass er ein Mensch mit einer großen psychischen Verletzung ist, der sich „vom Westen“ missachtet fühlt und um sich schlägt, einfach, weil er es kann. Nur, dass seine Schläge tödlich sind. Für die Menschen in der Ukraine, für seine Soldaten, und, sollte er seine Waffen ändern, für weite Teile der Welt. 

Wir fragen uns: wie kann man diesen Wahnsinnigen stoppen? 

Ich habe keine Antwort darauf. Aber ich höre meine Mutter: „La cosa più importante è che l’Europa rimanga unita. Per la pace, per il benessere, non solo nei paesi europei, ma bensí in tutto il mondo.” Vielleicht ist das der Ansatz einer Antwort. Wenn nicht nur Europa, sondern weite Teile der Welt zusammenstehen, schrumpfen Kleptokraten wie Putin auf ein Maß, das bekämpft oder einfach unschädlich gemacht werden kann.

Dass China sich im UN-Sicherheitsrat bei der Resolution enthalten hat, ist meines Erachtens ein Zeichen dafür, dass die so genannte Volksrepublik nicht um jeden Preis hinter Putin steht. Einmal, weil sie in ihrer Nähe keinen – weiteren – Diktator braucht. Zum anderen aber, weil sie auf einen finanzstarken Westen angewiesen ist, denn Chinas Waffe ist der Handel. 

Ja – es stimmt. Im Grunde genommen hat die Aufregung, in die die Menschen in Europa sich seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine versetzt haben, durchaus eine zynische, sogar makabere Note. Denn die Welt brennt in vielen Teilen. Und fast täglich werden UN-Konventionen verletzt. Sterben Menschen. Fliehen, werden verfolgt. Oft haben „wir“ an den Ursachen einen Anteil. Der Balkankrieg wurde lange vom Westen nicht wahrgenommen. Was im Nahen Osten passiert, wird kommentiert, was sich in Afrika tut, erreicht oft nur die Randnotizen der Nachrichten. 

Nun hat der Krieg unsere Haustür erreicht. Gut, das wir aufwachen. Besser wäre es, wenn daraus Konsequenzen gezogen würden, und zwar das gesamte politische und wirtschaftliche Handeln. Krieg ist immer schrecklich, egal, wo er stattfindet. 

Das war es, was mich an der Äußerung meiner Mutter so störte. Dieses Betonen der EU. Aber – sie hatte Recht. Denn ein gerechtes, geeintes Europa sollte ein Zeichen sein und Zeichen setzen für eine gerechte Welt. 

Ein anderer Lieblingssatz meiner Mutter war: Change it, leave it or love it. Also, Mum: I had a dream. I have a dream. Let’s dream it all. Let it get real.

Bei Anruf Schock


Heute ist wieder so ein Tag. Gestern auf FB und Twitter Hiobsbotschaften verschiedener Bekannter gelesen. Ich frage mich, womit ich verdient habe, wenn es mir gut geht? Und wie lange noch? Prompt bekomme ich Kopfschmerzen. Tumor? Metastasen? Oder doch der Heuschnupfen?

Ich nehme ein Medikament gegen die Allergie und warte darauf, dass die Wirkung einsetzt. Da klingelt das Telefon (komisch, wir sind in unserer Sprache so digitalisiert, haben wir für alle technischen Funktionen moderne Namen. Aber das Telefon klingelt nach wie vor. Auch, wenn es eigentlich singt, bellt oder ein ganzes Orchester auffährt. Das Smartphone übriges auch).

Das Telefon klingelt, und ich registriere mit Unbehagen die Meldung „Unbekannt“ auf dem Display. Ich mag keine Heimlichtuereien. In diesem Fall bestätigt sich mein Gefühl. Ein Mann meldet sich mit einem Wortschwall im Staccato-Ton, aus dem ich nur die Worte „Polizei“ und den Namen meines Mitbewohners herausfiltern kann. Ich frage nach, als Antwort nur die Gegenfrage, ob ich Herr XX sei. „Ich habe doch eine Frauenstimme“; will ich sagen. Erkläre dann aber – warum nur? – dass Herr XX nicht da sei. Darauf wieder das Staccatobellen mit den verständlichen Satzbrocken alte Dame, Überfall, nahe unserer Straße. Herr XX solle als Zeuge befragt werden. Und dann, aggressiv; „Wer sind Sie?“

Meine Liebe zur Polizei ist hinreichend bekannt. Ich werde langsam wütend. Gleichzeitig weiß ich: der Anrufer ist mitnichten ein Polizist. Als ich ihm sage, dass ich ihn kaum verstehe, brüllt er: „Sie sie schwerhörig?“ Ich bitte einmal, zweimal, dreimal, er solle mir die Nummer seiner Dienststelle geben, ich würde zurückrufen.

Als Antwort wieder nur ein Schwall unverständlicher Worte, zugleich mit einem Rauschen. Wo immer er stehen mag, er hat schlechten Empfang.

Mitten in seinem Reden lege ich auf. Frag mich: was sollte das? Bin ich jetzt in Gefahr?

Ich rufe unsere Polizeidienststelle an. Muss lange in der Leitung warten. „Sie sind ungefähr die Tausendste, die heute deshalb anruft. Die ziehen grade wieder einen üblen Rentner-Trick durch. Aber ich schicke Ihnen eine Streife vorbei, damit wir eine Strafanzeige ausfüllen können.“ Der Beamte scheint froh zu sein, in mir eine valide Zeugin zu haben. Eine, die noch gut hören und klar denken kann.

Ich bin eigentlich gar nicht zuhause. Ich muss arbeiten, und mittags dann zum Sport. Ich bin nämlich keine Rentnerin. Auch, wenn ich un halb elf noch ans Telefon gehe. Weil ich Freelaancerin bin.

Seitdem spiele ich unterschiedlichste Antwort-Szenarien mit dem unbekannten Anrufer durch. Immer mit mir als Heldin, die den Anrufer blamiert, verunsichert, erschreckt, zum Weinen bringt. Mindestens. Was mich am meisten schockt: Der hat mich offensichtlich für eine RENTNERIN gehalten.

Ost-West-Konflikt oder Kompromiss?


Das Fleisch im Döner-Imbiss an der Ecke ist ausschließlich „halal“. Hinter dem Tresen, vor dem Tresen und an den kleinen Tischchen längs der verspiegelten Wand stehen und sitzen ausschließlich Männer mit dunklen Haaren und Bärten, schlürfen Tee und unterhalten sich ausschließlich auf Türkisch, auch wenn sie, was sie meistens zu tun scheinen, in ihre Smartphones sprechen.

Ich habe mehr als einmal versucht, dort ein Falafel zu kaufen – und bin jedes Mal gescheitert. Entweder, weil niemand hinter der Theke erschien, um mich zu bedienen („Ist grade unterwegs“, „kommt schon“ – so die Kommentare der oben beschriebenen Gäste), oder, weil der Verkäufer bei meinem Anblick schnell die Schürze ablegte, mir über die Schulter ein „bin ssoforrt ssurück“ hinstreute und so lange verschwunden blieb, bis ich mein Warten aufgab. Unglückliche Zufälle eben.

Das war im Winter. Inzwischen stehen einfache Tische auf dem Bürgersteig vor dem Imbiss. Ein verlockender Duft entströmt der offenen Tür. Ich weiß es besser und versuche mein Glück nicht noch einmal. Allerdings hat sich das Bild maßgeblich geändert. Während drinnen immer noch ausschließlich Männer mit dunklen Haaren und Bärten auf Türkisch in ihre Smartphones sprechen und sich am Spieß das „halal“-Fleisch dreht, sitzen an den Tischen draußen vor dem Imbiss ausschließlich deutsche Gäste, Männer, aber auch einige wenige Frauen. Sie essen nichts, sie sprechen miteinander, nicht in Smartphones, und sie schlürfen keinen Tee aus zierlichen Gläsern, sondern trinken Bier direkt aus den Flaschen. Das tun sie ausgiebig, denn egal, ob ich auf meinem Weg zum Sport an ihnen vorbeigehe oder nach dem Sport zurückkomme – es sitzen immer die selben Menschen an den selben Tischen.

Ich mag diese Art des Ost-West-Kompromisses.

Und fahre zum Falafel-Essen in mein arabisches Lieblingsrestaurant in der Innenstadt.

FallTäglichkeiten


Ich stehe in der Pizzeria, die Münchens beste Holzofenpizza macht. Nein, nicht die, die Sie meinen. Und nein, auch nicht Ihre. Nicht die im Lehel, nicht die auf der Leo und nein, ich bin sicher, auch die andere nicht.

Die Pizzeria, die dem Urteil meiner italienischen Geschmacksknospen nach die beste Pizza der Stadt zubereitet, liegt im Münchner Westen. Sie gehört zu einem aktiven Sportverein, weshalb Gastraum und Garten immer sehr gut frequentiert sind. „Der Laden brummt“, mit einfachen Worten. Also stehe ich zweimal in der Schlange, einmal, um die sagenhafte Pizza zu bestellen, die mein Abendbrot zum Highlight des Tages werden lassen wird. Und dann, um sie abzuholen. „Quasi pronte“, sagt der Kellner, was wörtlich übersetzt bedeutet: „fast fertig“, tatsächlich aber meint: „Der Pizzabäcker wird die Pizze in den nächsten 10 Minuten belegen, nach weiteren 10 Minuten holt er sie aus dem Ofen, und dann brauchen wir noch maximal 5 Minuten, um sie einzupacken. Sie können ja schon mal zahlen“. Sie glauben mir nicht? Der Beweis: der Barista stellt mir lächelnd ein Glas Prosecco auf den Tresen, um mir das Warten zu versüßen.

Über den Glasrand schaue ich auf die Gäste. Eine bunte, nicht unbedingt absolut sportfanatische Mischung. Das bauchige Ehepaar mit den Lasagne kam ganz sicher nicht direkt von der Aschenbahn. Der rotbackige Junge im Trainingsanzug schon eher. Da geht die Terrassentür auf – und herein kommt das Protopaar des bourgeoisen Stadtteils. Zwei Jungyuppies wie aus dem Münchner Bilderbuch. Weidenrutenschlanke Stengelbeine, eingehüllt in Designerjeans, darüber Markenstrick und ein dünn gezeichnetes Lächeln. Der Gang zwischen den Tischen ist schmal, aber es ist offensichtlich, dass die beiden nicht  – nur – deshalb aneinander kleben, als ihn wie einen Laufsteg Richtung Tresen entlangschweben. Ein strahlendes Blickpaar in die Runde, gefolgt von einem Kuss mit geschürzten Lippen. Unwillkürlich suche ich nach der versteckten Kamera. Das kann nicht authentisch sein. Da kommt der Kellner aus der Küche, gekonnt balanciert er meine drei Pizzakartons auf den Fingerspitzen der rechten Hand. Er streckt sie mir entgegen, und ich greife danach,  hungrigfröhlich lächelnd.

„Halr“ ruft da eine erstaunlich feste Stimme. Passt gar nicht zu dem zarten Mädchen mit dem casual hochgesteckten Blondhaar. „Das sind unsere Pizzen! Oder, Schatz?“ Unsere! Pizzen! PizzEN! Offenbar gehören die beiden nicht zur Lago di Monaco-Fraktion. Ich bin so platt, ich sage nur: „Ich hab die vor ner halben Stunde bestellt.“ „Wir auch! Das sind ganz sicher unsere“, keift  das Mädchen gesittet und schnappt dem verwirrten Kellner die Kartons einfach aus der Hand. „Wir können ja reinschauen“, schlage ich vor, und könnte mich gleichzeitig in den Hintern treten. Mein Gutmenschentum sollte wenigstens vor einer heißen Pizza kapitulieren – zumal ich sie kalt einfach nicht essen kann. Der Freund zieht die dunklen Augenbrauen in die Höhe und die ganz offenbar permanent behandelten Lippen nach unten. Seine Freundin zögert kurz, um dann huldvoll zu nicken. Der Kellner lüftet den obersten Deckel. Pizza Parma. „Meine“, sage das junge Mädchen und ich gleichzeitig. Also die nächste. „Monte Bianco“. „Sowas hatten wir aber nicht bestellt, Schatz“, flötet es neben mir. Aber ich höre schon nicht mehr hin, packe die Pizze und marschiere zur Tür. Dort drehe ich mich noch ein letztes Mal um. „Wenn die jetzt kalt sind, wegen Euch, dann geht die nächste auf Eure Rechnung“, zische ich. Und gehe, ohne die Reaktion auf meinen zugegeben schwachen Abgang auch noch abzuwarten.

DAS ist München. Während ich daheim mit vielen ausschmückenden Adjektiven erzähle, warum sich die Pizza-Auslieferung verzögert hat, wird meine Monte Bianco noch kälter, der Käse gummiweich und der Rand zäh und labbrig.

Nächstes Mal esse ich die Pizza wieder vor Ort. Oder ich wechsle die Pizzeria. Wie war noch mal die Adresse von Ihrer Lieblingspizzeria?

 

Hat Sankt Florian versagt?


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„Heiliger Sankt Florian, verschon‘ mein Haus, zünd‘ and’re an“. Das „and’re“ steht heute Abend in München. Ich habe immer wieder gesagt, dass wir hier keinen Bonus haben, weder einen touristischen noch einen humanitären. Und jetzt hat es in München eine Schießerei gegeben. Zufällig sogar ganz in meiner Nähe. Ganz zufällig bin ich heute Abend nicht ins „OEZ“ gefahren, nicht, weil ich eine Vorahnung gehabt hätte, sondern weil ich zu müde war. Alhamdulillah!

Ich finde, es ist nicht die Zeit für Mutmaßungen, für Spekulationen, Hypothesen oder Beschwichtigungen. Ich will kein Öl auf’s Feuer gießen und kein Wasser. Es ist das erste Mal, das ich mich in vermutet sicherer Nähe – vermutet, da die Täter flüchtig sind und sich theoretisch überall aufhalten können – eines Terroranschlags befinde. Denn ein Terroranschlag ist es ganz sicher. Wenn jemand mit einer Langwaffe wahllos um sich schießt, ist das Terror. Mit völlig unbekanntem Hintergrund, derzeit. Es könnten Islamisten sein oder Rechtsradikale, Psychopathen oder Mafiosi. Lediglich die extreme Linke schließe ich mal a priori aus – die Besucher des OEZ sind weder geldig noch einflussreich, sie sind zu 70% und mehr Ausländer, also nicht die klassische Zielgruppe der Linksterroristen….

Ich habe die Rollläden heruntergelassen, im Erdgeschoss. Ich habe Garten- und Haustüren abgeschlossen und den Dachstrahler angemacht, um die Terrassen taghell zu beleuchten. Ich bringe die Hunde nicht zu ihrer Abendrunde und sitze in einer selbstgebauten Falle. Und dennoch fühle ich mich sicher nicht im Ansatz so wie viele meiner Freunde und Bekannte. Ich habe niemanden verloren, heute Abend. Ich bin nicht direkt bedroht worden. Mein Haus wurde nicht beschossen. Ich habe maximal Angst vor drei flüchtigen Mördern und muss weder ein mörderisches Regime noch hochgerüstete Terrormilizen fürchten.

Ich bin entsetzt. Über die Tat. Über mich und meine Reaktion. Ich bin überrascht. Über die Nachfragen aus aller Welt, binnen Stundenfrist. Erleichterung, dass es mir gut geht. Entsetzen über das, was geschah. Ausgerechnet in München. Ausgerechnet? Ich bin unendlich traurig und sehr besorgt. München hat mit beispielloser Herzlichkeit Platz geschaffen für Tausende von Flüchtlingen, im vergangenen Jahr. Räumlich, aber auch in den Köpfen und Herzen der Menschen. München hat Pegida die Stirn geboten und rassistischem Gedankengut eine bunte Mauer entgegengestellt. Eine Mauer aus Bürgern, Politikern, Vertretern von Kirchen und allen relevanten Institutionen der Stadt.

Und jetzt? Noch ist nicht klar, wer den Anschlag auf das belebte und beliebte Einkaufszentrum geplant und ausgeführt hat. Aber ich habe Angst, dass, ganz unabhängig vom Fortgang der Ermittlungen, das Klima der Offenheit, der Hilfsbereitschaft, der Barmherzigkeit gegenüber Menschen auf der Flucht dieser Terrortat zum Opfer fallen wird. Menschen, die vor Tod und Verfolgung zu uns kommen und nicht verdient haben, auch hier unter Generalverdacht gestellt und verfolgt zu werden. Damit wirft der Horror einen Schatten, dessen Länge noch nicht einzuschätzen ist.

München ist eine Stadt mit vielen dunklen Vergangenheitsflecken, angefangen bei ihrer Rolle als Hauptstadt der  Bewegung, über die Attentate während der Olympischen Spiele 1972 und des Oktoberfests 1980 bis hin zum laufenden NSU-Prozess. Ich hoffe, dass die Menschen in dieser Stadt aufgrund ihrer kulturellen, religiösen und emotionalen Vielfalt resilient ist und dem Anschlag auf das OEZ mit großer Menschlichkeit begegnet, mit tiefer Trauer und echtem Mitgefühl. Aber nicht mit Hass. Heute jährt sich der beispiellose Amoklauf des Anders Breivik. Norwegen hat mit seiner Reaktion darauf einen Meilenstein gesetzt im Umgang mit solchen Taten. Es ist schrecklich, wieviel Leid einzelne Individuen binnen Sekunden zufügen können. Physisches Leid. Seelisches Leid.

Wir wollen diesem Leid nicht auch noch die Genugtuung der Täter hinzufügen, Grundwerte unserer Gesellschaft getroffen und außer Kraft gesetzt zu haben.

Wir sind nicht München. Wir sind Münchner. Wir sind Menschen. Das wollen wir bleiben. Mit allem, was uns ausmacht. Mit.Menschlichkeit. Vorverurteilung und Fremdenhass gehören nicht dazu.

Opfer, g’schleckerte!


MONun wissen wir es. Nicht, dass wir darauf gewartet hätten. Ich zumindest hatte bis heute um 7.08 Uhr sogar vergessen, dass es so etwas Weltbewegendes wie eine Jury aus Sprachforschern gibt, die aus 2241 (die Zahl wurde nachträglich nochmal nach oben korrigiert, aha) Einsendungen in einer Sitzung, über deren Länge und Ausgestaltung nichts weiter in den Medien steht, ein „Unwort“ kürt. Wobei das Wort „küren“ eigentlich durch einen negativ konnotierten Gegensatz ersetzt werden müsste. Aber das sind sprachwissenschaftliche Peanuts, bzw. Kleinzudruckendes, um im Sprachbild zu bleiben. „Der Begriff Unwort ist ein Schlagwort aus dem Bereich der Sprachkritik und bezeichnet ein „unschönes“, aber auch ein „unerwünschtes“ Wort“, lese ich. Einmal. Und noch einmal. Ich zumindest habe Opfer-Abo noch nie gehört. es ist mir so fremd, dass ich ihm nicht einmal Attribute wie „unschön“ oder „unerwünscht“ zuordnen kann. Offensichtlich konnten das auch die Einsender  nicht, bzw. war das Wort einer breiteren und engagierten Öffentlichkeit völlig unbekannt, denn unter den 1019 unterschiedlichen Vorschlägen rangiert es an hinterster Stelle. Im Vorfeld wurden die „Schlecker-Frauen“ als Nummer Eins gehandelt, gefolgt von der „modernen Tierhaltung.“ Prompt sieht sich die Vorsitzende der „Unwort“-Jury im Erklärungszwang und sagt, es sei schon mehrfach ein einzelner Vorschlag ausgewählt worden. Mag ja sein. Aber ganz ehrlich: „Opfer-Abo“! Das Wort bleibt völlig geschmacksneutral, auch, wenn ich es wieder und wieder auf der Zunge zergehen lasse, als Linguistin, die ich – ja! – bin.

Nein, es ist nicht selbsterklärend. Zum Glück kommen mir die Medien zu Hilfe, beziehungsweise die Jurymitglieder selbst. Sie bezögen sich auf eine Äußerung des „gestürzten Wettergottes“ (Anm. d. Red.). Jörg Kachelmann, der in einer Talkshow gesagt habe, Frauen würde in Vergewaltigungsverfahren „stets die Opferrolle zugesprochen werden“. Ah ja. Jetzt bekommt das Wort einen Geschmack. Oder vielmehr ein „Geschmäckle“! Und ich frage mich ernsthaft  dreierlei.

Erstens: woher in aller Welt diese „unabhängige, sprachkritische Jury mit ihrer Sprecherin in Darmstadt“ ihre Legitimation erhält. Gut, da hat die Gesellschaft für deutsche Sprache die Wahl zum Unwort des Jahres 1994 abgegeben. An eine „institutionell unabhängige“ Jury. Ok. Über die Hintergründe hierzu darf spekuliert – und vor allem recherchiert werden.

Zweitens: was macht „Opfer-Abo“ zum Schlagwort? (Definition: Begriff, der den Inhalt eines Dokuments auf der Grundlage eines normierten Begriffsverzeichnisses beschreibt). Normiert? Ah so. Ja. Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Ich schaue mir dir „Norm“ der Jury an.

Und ich frage, drittens: waren die vier männlichen Mitglieder in Zugzwang gegenüber der weiblichen Sprecherin? War das also eine veritable „Opfer-Abo“-Situation? Wenn ja, dann wäre es für das öffentliche Verständnis sicher hilfreich, den MO der Wort-Wahl offen zu legen. Nur dieses eine Mal. Bittesehr. Ich möchte der Dame kein geplatztes Rendezvous mit Kachelmann nebst daraus folgenden Racheszenarien unterstellen. Fakt ist, dass schon Stunden nach Bekanntgabe das Wort selbst nicht mehr an erster Stelle der Berichterstattung steht, sondern nur einem C-Promi wieder an die Spitze des medialen Rankings verholfen hat. Chauvinismus hin oder her. War das die Absicht? Jetzt wird der Sinn des Wortes deutlich. Wenn einer ein Opfer-Abo hat, dann Kachelmann! Alice Schwarzer war übrigens kein Jury-Mitglied. Leider!

Die Schlecker-Frauen hingegen, meistgenannt als Vorschlag und mit der nicht erfolgten Anschlussverwertung doppelt gestraft, haben –  wieder mal – lediglich die Opfer-Rolle. Toll!

Zum Glück gibt es ja noch das Wort des Jahres 2012. Das wurde zeitnah im Dezember gekürt, zum Glück immer noch von der Gesellschaft für deutsche Sprache.  Es lautet „Rettungsroutine“ und steht „für die immer wiederkehrenden Maßnahmen zur Rettung des Finanzsystems.“ Das hilft den Schlecker-Frauen zwar nicht unmittelbar. Aber vielleicht können im Zuge dieser Rettungsroutine auch ihre Arbeitskräfte wieder aus dem Opferkeller hervorgeholt werden.

Ich habe übrigens schon einen Vorschlag für das Unwort des Jahres 2013: Frauenmafia! Honi soit qui mal y pense…..

Silvesterlied


Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar…

Katharina schiebt ihren Rollator durch die Korridore. Die Pfleger sind alle weg, nur Johanna sitzt im Schwesternzimmer und schaut mürrisch drein. Draußen stöbert es weiß durch die Nacht. Da – ein Schuss! Und noch einer! „Alarm, alle in den Bunker“ schreit Herr Böhm. „Sind das die Russen oder die Amerikaner?“ fragt Frau Huber ängstlich. „Ab ins Bett, Herr Böhm! Es ist kein Krieg, Frau Huber. Das sind nur Knaller. Heute ist doch Silvester!“ Johanna hat alle Hände voll zu tun, um die Bewohner zu beruhigen. “Silvester?“ Katharina versucht, dem Wort einen Sinn zu geben. In der Kapelle  liegt ein aufgeschlagenes Gesangbuch. „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.“ Katharina lächelt wage.

 Noch will das Alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last

„Jonas, so viele Raketen! Du schießt ein Vermögen in die Luft! Das können wir uns gar nicht leisten!“ „Mensch Isabell, du musst immer alles kaputt machen! Soll ich mich um Mitternacht hinstellen und den Kindern sagen: Lisa, Max, das letzte Jahr war echt bescheiden, Opa liegt im Krankenhaus, Papas Job steht auf der Kippe und Mama will sich scheiden lassen. Ja – hättest du das gerne?“ „Ach, Jonas. Nein! Aber  – die letzte Zeit war nicht einfach. Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Ich wünschte, wir hätten den Mut, zusammen weiter zu machen, im Neuen Jahr!“

Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern, des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand…

Endstation mit und ohne Sehsucht. Uli steht im Gang. Hinter jeder Tür ein Sterbender, eine Kranke. Letzte Stunden und Minuten. Und dann? Menschen weinen, Kinder, Eltern, Partner. Uli möchte ihnen mehr schenken als Diagnosen und ärztlichen Rat. Hoffnung.

Lass warm und still die Kerze heute flammen, die Du in unsre Dunkelheit gebracht…

Eva sitzt in der Kirchenbank, in Worten versunken. Ich bin nicht allein. Das Licht leuchtet auch für mich, ich nehme es auf und es leuchtet in mir. Macht den Weg ins Morgen hell und schiebt Zweifel und Sorgen ins Dunkel.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all Deiner Kinder hohen Lobgesang.

Tagliata


Von wegen „domani“. Aber manch gutes Ding will nun mal Weile haben. Und bevor ich ein Rezept „unausgegoren“ zum Besten gebe, lasse ich lieber Wartezeit verstreichen, denn die tagliata musst du nicht nur mit Hingabe genießen, sondern auch aufmerksam beschreiben.

Die Zutaten sind vorbereitet? Das Fleisch gut abgehangen?

Dann nimmt eine Handvoll Kräuter, Rosmarin, Salbei, Thymian, Origano, je nach Geschmack auch eine zerdrückte Knoblauchzehe. Die Kräuter putzt du und zerkleinerst sie – rupfen nicht schneiden, natürlich. In einen Topf gibst du zunächst das Olivenöl, drei, vier Esslöffel dürfen es sein, und dann die Kräuter. Vielleicht musst du Öl nachgießen. Dann aromatisierst du das Öl, indem du es auf sehr kleiner Flamme 10 bis 15 Minuten leicht erwärmst. Hat das Öl den Geschmack der Kräuter angenommen, seihst du es ab und stellst es beiseite.

Die Rucola, evtl. gemischt mit anderen Salatkräutern wie Löwenzahn oder Pimpernell, wäschst du, trocknest sie ab und legst sie als Bett auf eine entsprechend große Servierplatte. Dann verteilst du die geviertelten Datteltomaten darauf. Schließlich hobelst du den Parmesan zu Blättern und legst ihn beiseite.

Nun erhitzt du eine Grillpfanne sehr stark. Du kannst grobes Salz auf die Pfanne streuen, dadurch wird das Fleisch außen knuspriger. Wenn die Pfanne raucht, legst du die Entrecôte-Stücke hinein. NICHT mehr berühren. Je nach Geschmack drei bis fünf Minuten grillen – du kannst du Hitze etwas verringern, die Pfanne ist ja heiß genug. Dann das Fleisch umdrehen, danach wieder nicht berühren, drei bis fünf Minuten auf der zweiten Seite grillen. Willst du das Fleisch „durchgebraten“, dauert der Vorgang natürlich länger. Ist aber an sich schade……..

Die fertigen Entrecôte-Stücke schneidest du quer in ca 1 cm breite Streifen und auf dem Salatbett wieder „zusammenlegen“ (das sieht schöner als, aus wenn du sie nur verteilst). Nun übergießt du das Ganze mit dem noch warmen aromatisierten Öl und lässt es etwas einziehen. Vor dem Servieren bestreust du die tagliata mit den gehobelten Parmesanblättern.

Dazu passt Focaccia. Alternativ aber auch Ciabatta oder, denke ich, als internationaler Touch, Fladenbrot. Und ein nicht zu kräftiger, gerne moussierender Rotwein.

Buon Appetito….

Ach, ein Foto folgt, nachdem ich das nächste Mal tagliata zubereitet habe, also wahrscheinlich schon morgen…..

Stille Tage zwischen Wolken und Wellen


Über mir schwimmen Wolken im blassen Grau. Unter mir schwappen Wellen im kräftigen Blau. Um mich herum schmiegen sich barocke Bäume zu undurchdringlichen Wäldern. Unkrautgirlanden umranken mannshohe Gräser und von Olivenbäumen baumeln Styroportäfelchen, schnabelzerpickt.

Lunigiana. Niemandsland zwischen Wasser und Himmel, Grenzgebiet auf vielfältige Weise. Kulinarisch. Geographisch. Sentimental. Der Horizont schwankt vom Träumen ins Grübeln, der Blick fokussiert mal die Echse im Stein mal den Tanker auf See.

Das Fenster zum Hof wendelt sich hölzern und steil vom DVD-Kino unter die Dachbalkensuite, und schon beim Kofferauspacken habe ich mehr als ein Brett vor dem Kopf. Spinnen nisten hinter Grace Kellys Spiegel, und das Bad hat einen muffigen Atem. Wie ein alternder Film. Über den holprigen Steinen blinken blaue Lichter, wir essen bei Kerzenschein und viel zu lauter Schlagermusik, und über dem gewürzträchtigen Duft der Tagliata schwebt wie ein Spätersommerfaden die Ahnung von Moder. Wir sind die einzigen Gäste. Das rote T-Shirt mit der hebräischen Schrift ist das einzige Kleidungsstück, das der Wirt zu besitzen scheint.

Die Grillen zirpen und die Sterne schauen uns einfach nur zu. Der Borgo aus dem 17. Jahrhundert im Schulterschluss mit der gelben Kapelle, die nahtlos angeklebten Häuser, zwanzig Stufen zwei Hunde eine Küche direkt neben unserer Miniatursuite – unser Avalon im See urwüchsiger ungebändigter unbändiger Vegetation.

Corrado kocht uns die Sterne vom Himmel, und Cinzia breitet die Welt vor uns aus in farbigen Anekdoten. Die Mailänder Skala das Pferd in den Marche der Markt von La Spezia, diesem unerreichbar nahen Hafen. Ghiblir der Schäferhund kräuselt die Krallen und riecht wie eine Wagenladung voll Parmaschinkenknochen.

Drei Tage zwischen Wolken und Wellen, Fisch und Fleisch, Bergen und Tälern, Stille und Lachen, Genuss und Geschmack. Ein Korb voller Filme. Ein Buch voller Bilder. Eine Seite voller Rezepte. Bruschetta, Focaccia, Gnocchi mit Steinpilzsoße, Pasta mit Muscheln und die Tagliata. Damit fangen wir an. Gleich morgen.

Hier vorab schon der Einkaufszettel:

pro Person 1 Entrecôte, gut abgehangen und ca. 2 cm dick;100 Gramm Rucola, eine Handvoll Datteltomaten, eine Handvoll Parmesanblätter, grobes und feines Salz, Pfeffer, verschiedene pflückfrische Kräuter, z.B. Salbei, Anis, Thymian, Origano, Rosmarin, gutes Olivenöl.

A domani, dunque.

Über das Alter durch den Tod


Als ich zwanzig war, stand ich mit einer Flasche Champagner an der Schlossmauer, stieß mein Glas in die Silversterglockenluft und sagte voller Stolz, ich sei wie eine Fackel. Schnell würde ich leben und intensiv lodernd und dann leuchtend verglühen. Mit vierzig, da war ich mir sicher, wäre ich sicher schon tot.

Heute begnüge ich mich damit, Parallelen zu einem Teelicht zu ziehen, dessen flüssiges Wachs lange in seinem unprätentösen Behälter schwimmt, derweil der Docht flackernd glimmt. Mitten im Wald sehe ich schon die Lichtung, den Horizont, und ich bin froh, das es noch eine Strecke dorthin sein mag, auf meinem Weg.

Aber ich ahne bereits, dass ich in zwanzig, dreißig Jahren vielleicht mit Gleichmut zurückschauen werde, nicht hadernd ob der genommenen Abzweigungen, hoffentlich, aber auch nicht mehr neugierig auf die vielen anderen, übrig gebliebenen. Vielmehr kann es sein, dass ich einem ganz anderen Licht entgegen sehe. Einer Erfahrung, die ich noch nicht kenne, und die mich nach den Erkenntnissen, Leiden und Freuden im Diesseits mit Unbekanntem zu locken vermag.

Ich ahne. Aber bis dahin kann es und darf es, von mir und meinem Heute aus, ruhig noch eine lange Wanderung sein.

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