Adventskalender MiniKrimi am 5 .Dezember


Catch me if you can

(Die Texte stammen größtenteils aus einer tatsächlichen Unterhaltung, die ich mit einem Romance Scammer geführt habe. Ich recherchiere seit geraumer Zeit zu diesem Thema)

An einem Sommerabend vor 6 Monaten:

Mark Reinhart hat dir eine Freundschaftsanfrage geschickt.

WTF ist Mark Reinhart? Aha, aus Frankfurt. Alter Bekannter? Neuer Fan? Hm. Nettes Profilbild. Ah. Geschieden. Dann nehme ich die Freundschaft mal an. 

Keine 10 Sekunden später eine neue Nachricht:

Hallo, guten Abend. Schön, dich kennenzulernen. Wie geht es dir im Moment? 

Hallo auch. Im Moment geht’s mir ganz gut. Und selbst?

Danke der Nachfrage. Nun, ich unterhalte mich gerade mit dir und bin dabei, dich kennenzulernen. Das ist sehr schön.

Ok. Aber wie bist du auf mich gekommen?

Ich habe Ihr Profil gesehen, und Sie haben mir gefallen, weil Sie eine schöne Frau sind.

Ah. Daher weht der Wind. Was für ein Glück!

Danke für die Blumen. Ich habe mir auch dein Profil angesehen – und ich denke, du bist ein Romance Scammer. Habe ich recht?

Okay, meine Liebe. ich sage Ihnen mit so viel Selbstachtung und Höflichkeit, dass Sie viel Respektlosigkeit zeigen, wenn Sie so von mir denken. Meine ganze Absicht war nur, einen großartigen Geist wie dich zu kennen. Aber ich frage mich wirklich, woher diese Frage kommt, weil ich es als Missachtung meiner Persönlichkeit sehe. Ich bin Chirurg und leite eine Abteilung für freie Medizin in einem Krankenhaus in Aleppo. Ich arbeite dort für die UN.

Wow. So ein langer Text. Das ist vielversprechend!

Ich will dir sagen, woher meine Frage kommt. Letztes Jahr hat sich eine Freundin von mur umgebracht, nachdem ein Romance Scammer sie erst um 10 Tausend Euro betrogen und ihr dann das Herz gebrochen hat. Sie hat Selbstmord begangen. Seitdem recherchiere ich, um die Leute zu finden, die ihr das angetan haben. Ich vermute, dass eine Organisation dahintersteckt. Ich schlage dir einen Deal vor: Info gegen Cash. 

Meine Liebe, Sie sind entweder völlig unverschämt oder sehr dumm. Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich wollte dich kennenlernen, weil du eine interessante Person bist. Was ist dein Beruf und wo wohnst du? Ich lebe zurzeit in Aleppo, aber ich komme aus Frankfurt. Dort lebt meine kleine Tochter. Hast du auch Kinder?

Das geht Sie nichts an. Ich biete Ihnen Geld, wenn Sie mir etwas darüber sagen, warum Sie Romance Scammer geworden sind. Arbeiten Sie alleine? Müssen Sie das Geld, dass Sie ergaunern, abgeben? Wo leben Sie? Ich merke doch, dass Sie nicht wirklich Deutsch können. Lassen Sie uns einfach mit offenen Karten spielen. Wer sind Ihre Hintermänner? 

Okay. Ich bin ein Mann, der mit Beweisen und Fakten arbeitet. Die Art, wie Sie schreiben, scheint ein Teil der Terroristen zu sein, die wir zu vermeiden versuchen. Ich arbeite für die UN, und wir haben Methoden, Terroristen wie dich zu vernichten.

Ah ja. Jetzt kommen wir der Sache endlich näher.

Wunderbar! Und ich versuche, Kriminellen wie Ihnen das Handwerk zu legen. Letzte Chance: helfen Sie mir. Oder ich zeige Sie an. You can help me – or I will sue you.

You are a very big fool. Don’t do something that will get yourself in problem. 

Ok – what do you wanna do to me?

I will fuck you up in so many ways. Ich habe Ihre Daten gespeichert. Das ist kein Spiel. Passen Sie auf.

Ich habe keine Angst vor Ihnen.

Das sollten Sie. Hören Sie auf, nach uns zu recherchieren. Oder Sie sind tot.

An dieser Stelle bricht die Unterhaltung ab. 

Als ich am nächsten Morgen meinen Computer starte, erkennt er mein Passwort nicht. Stattdessen erscheint auf dem Bildschirm in schwarzer Schrift der Satz: Lass uns in Ruhe.

Seitdem bin ich auf der Flucht. Meine Kreditkarte wurde geknackt. Mein Email-Account auch. Meine Freund*innen haben Hate-Mails erhalten und wollen nicht mehr mit mir sprechen. Ich habe Angst. Aber ich gebe nicht auf. Ich habe ein Ziel.  Ihr lest wieder von mir. 

Adventskalender MiniKrimi am 2. Dezember


Herr Qualkowitzer

An trüben Winternachmittagen besetzen die Schatten schon früh ihr kleines Zimmer. Sie nehmen von allem Besitz, was nicht aus sich heraus leuchten kann. Der Sekretär, die Kommode, das Klavier. Die einzelne Kerze auf dem kleinen Tisch kann nichts ausrichten gegen sie. Mara kauert mit hochgezogenen Knien im Ohrensessel. 

An Tagen wie diesem vermisst sie ihr Leben ganz besonders. Damals. Als ihr Vater ihr die Welt zu Füßen legte. Täglich von neuem. Als ihre Wünsche wahr wurden, kaum, dass sie sie ausgesprochen hatte. Damals gab es keine Schatten in ihrem Reich. Der Sekretär, die Kommode, das Klavier – sie leuchteten, und in ihrem Holz spiegelten sich die tanzenden Kerzen. 

Herr Qualkowitzer kam einmal im Monat. Aus seinem verbeulten, verkratzen geheimnisvollen Koffer holte er allerlei „Medizin“ für Maras Möbel heraus. Schellack in einer braunen Flasche, Bienenwachs in einer rostigen Dose, Rosenöl in einer kleinen Phiole. Er tränkte einen Lappen mit Schellack und rieb den Sekretär wie Aladins Wunderlampe. Kreisrunde Bewegungen, wieder und wieder. Bis das Holz glänzte und strahlte. Einmal klemmte die mittlere Schublade. Herr Qualkowitzer nahm ein dünnes Messer mit einer spitzen, scharfen Klinge und befreite eine braune Locke, die aus dem Geheimfach herauslugte und die Schublade verklemmt hatte. Mara schaute ihm aufmerksam zu und ahmte hinter seinem Rücken die kreisförmigen Bewegungen nach. Wieder und wieder. Als er auch die Kommode und das Klavier poliert hatte, packte Herr Qualkowitzer Lappen, Flaschen und Dosen wieder ein. Und ging.

Das Messer hatte Mara in ihrer Rocktasche verborgen. Falls sie mal etwas im Geheimfach verstecken wollte.

Der Vater starb und Mara heiratete Alexander. Doch schon bald nannte er sie nicht mehr „meine Prinzessin“, und er trug sie weder auf Händen noch legte er ihr eine Welt zu Füßen. Stattdessen setzte er sie ein paar Jahre nach der Hochzeit mit einem Koffer vor die Tür. Angeblich hatte er ihr gesamtes Vermögen verspekuliert. Sie kam in einem Mansardenzimmer unter, mitsamt dem Sekretär, der Kommode und dem Klavier. Mehr holte ihr Anwalt nicht aus Alexander heraus. 

Als Mara aus der psychiatrischen Klinik entlassen wurde, riet ihr Arzt ihr zu einer kleinen, leichten Beschäftigung, um wieder Fuß zu fassen. Das war das letzte, was Mara wollte. Aber sie fing an, im Villenviertel der Stadt Möbel zu polieren, mit kreisrunden Bewegungen. In den meisten Häusern wohnen inzwischen Fremde. Nur in der Villa ihres Vaters lebt jetzt Alexander. Die junge blonde Frau an der Tür ist begeistert. Dass es das heute noch gibt, wundert sie sich, während Maras Hände auf den modernen Holzmöbeln kreisen, wieder und wieder, wie die Krähen im bleiernen Himmel über den Bäumen im Park vor dem Haus. Alexanders neue Frau steht am Fenster und schaut hinaus. 

Herrn Qualkowitzers Messer ist scharf. Mara ist schnell. Die Frau sagt kein Wort. 

Bevor sie geht, schneidet Mara ihr eine blonde Locke ab. Sie weiß ein gutes Versteck dafür.

Geld oder Cappuccino?


Menschen, Straße, Frau, Osteuropa, Roma

Es waren die kältesten Tage des Winters. Nach längerer Zeit war ich wieder auf dem Weg zum Büro einer meiner Kundinnen. Leider war am Straßenrand kein Parkplatz frei – wie immer am Montagmorgen, eigentlich. Und trotzdem fahre ich jedes Mal alle Gassen ab, stoppe vor jeder Einfahrt und überlege, ob ich mit meinem Wagen in die Lücke passe, die  die glücklichen Parkplatzfinder übrig gelassen haben. Mein räumliches Sehen ist schlecht, und rechnen kann ich auch nicht. Trotzdem erkenne ich meistens noch vor dem Versuch, mich dort hineinzuquetschen, dessen Sinnlosigkeit. Und fahre stattdessen in die warme, kostenfrei Tiefgarage. Der einzige Nachteil dieses Komfortparkplatzes ist tatsächlich der, dass ich sieben Wegminuten bis zum Büro zu laufen habe. Im Sommer kein Thema. Im Winter kalt und zugig, denn der Wind orgelt aus allen Registern durch die Schluchten der altehrwürdigen Gründerzeithäuser.

Als ich, mit eisigen Ohren und trotz Handschuhen klammen Fingern, die Kreuzung erreicht hatte, sah ich am Eingang der U-Bahn-Haltestelle eine junge Bettlerin sitzen. Vermummt und frierend hockte sie auf dem Stück Pappe und hielt den Vorbeieilenden wortlos eine Plastiktasse hin, den Blick starr vor sich auf den grauen Saum ihres Rockes gerichtet. Ohne nachzudenken sprang ich die Treppe hinunter in das Untergeschoss, kaufte im Stehcafé einen Cappuccino und fuhr mit der Rolltreppe wieder nach oben. Der entgegen gestreckten Tasse hielt ich den Becher hin, aus dem es einladend dampfte. „Geld gebe ich keines. Aber das ist schön warm“, sagte ich zu ihr. Die junge Frau hob ganz kurz den Blick, bohrte ihn in meine Augen, dann nahm sie den Becher und murmelte etwas, das ich nicht verstand. Schnell eilte ich weiter, hinein zum nächsten Bäcker, um einen Schneeball zu kaufen, diese fränkischen fettgebackenen, mit Puderzucker dick bestäubten Hefeteigkugeln. Ideal zum Kaffee an einem so kalten Morgen. Aber als ich die wenigen Schritte zurück zum U-Bahn- Eingang lief, war der Pappkarton verwaist. Hoffentlich hat sie einen windgeschützten Eingang gefunden, um ihren Cappuccino zu genießen, dachte ich. Und ist nicht von einem Aufpasser der Bettlertruppe wegen meiner Gabe bestraft worden.

Drei Tage später ging ich auf dem Weg zum Büro gleich hinunter in das U-Bahn-Geschoss. Kaufte einen Cappuccino und ein Croissant und fuhr die Rolltreppe hinauf. Oben auf dem Karton saß – nicht wie erwartet die junge Frau, sondern ein Mann.

Was mache ich bloß? fragte ich mich. Dann streckte ich ihm den Becher entgegen. Er sah mir offen ins Gesicht und sagte „Danke“. Das Croissant behielt ich in der Hand. Denn vielleicht saß die junge Frau ja vorne am Krankenhauseingang. Tatsächlich war auch dort der Pappkarton besetzt. Aber wieder mit einem jungen Mann. Was soll’s, dachte ich, und gab ihm mein noch warmes Croissant. „Danke“, grinste er – und schob es hinter sich in die Büsche zu einer recht beträchtlichen Sammlung von Bechern und Tüten.

„Habe ich alles falsch gemacht?“ fragte ich später die beiden Damen im Büro. Deutlich jünger als ich, und deutlich rationaler auch, wie mich ihre Antworten lehrten. „Da sitzen immer welche, wenn Du einem was gibst, musst Du allen was geben. Was nützt schon ein Kaffee? Außerdem soll man das Bettlertum nicht auch noch unterstützen. Nur, wenn niemand was gibt, werden die Banden die Stadt verlassen.“ Undsoweiterundsofort.

Ich kenne die Argumente. Habe sie selbst auch gerne gebraucht. Um mich reinzuwaschen. Wenn ich der Bettlerin vor mir nichts gebe, wird sie nicht deshalb verschwinden. Wenn ich ihr etwas gebe, wird sie einen Augenblick lang so sein wir ich, wie Du, wie jeder, der eine Tasse Kaffee in der Hand hält und den würzigen Duft einatmet, den herben Geschmack auf der Zunge spürt.

Morgen werde ich wieder in dieses Büro gehen, vorbei an der U-Bahn-Station. Ich werde erstmal schauen, wer auf dem Pappkarton sitzt. Und dann entscheiden, ob es nur ein Caapuccino wird oder auch ein warmes Croissant.

Was sagt Ihr? Was macht Ihr? Gebt Ihr Geld? Warum? Warum nicht? Schenkt Ihr ein Getränk, etwas zu essen? Warum? Warum nicht? Bitte, gebt mir Eure Tipps, Eure Meinung und Eure Kritik!

Bildnachweis: Das Foto ist von Michael Galda und zeigt eine Bettlerin aus Osteuropa. Sie ähnelt „meiner“ Bettlerin.

Sturz ins Bodenlose


Sturz ins Bodenlose

Sommerkrimi. Ab sofort zum kostenlosen Download  im Sony-Reader-Club.

Sturz ins Bodenlose

Es sollte ein Neuanfang werden. In einer neuen Stadt, mit einem neuen Job und einer neuen Liebe. In München wollte Iva Brenner alles hinter sich lassen, den despotischen Vater, den Krebstod der Mutter, die gescheiterte Ehe. Aber dann holt sie die Vergangenheit ein. Und in der trügerischen Idylle des Landsberger Sommers durchlebt Iva ihren ganz persönlichen Psycho-Thriller.

Lust zu Lesen? Hier ist der Link: https://reader-club.sony.de/web/guest/leseproben

Und noch etwas: Keine Angst vorm dicken Schmöker: es ist ein KURZ-Krimi 🙂 !

SMS Adventskrimi. 13. Dezember: Dicke rote Kerzen


„Dicke rote Kerzen, Tannenzapfenduft….“ Sehr schön. Lass sie nur singen. In dicken bunten Stoffklumpen stehen sie um die Krippe herum, als gäbe es was umsonst. Auf die Ohren, ja. Aus der Konserve rieselt Weihnachtsmusik auf die Kunden herunter, unaufhörlich, wie überzuckerter Schnee. Seit Wochen schon. Wann hat er zuletzt in das Licht einer Kerze geschaut? Mit neun, kurz bevor seine Mutter den Job im Altenheim verloren hat. Rücken kaputt, Kopf kaputt, arbeitslos, Hartz IV. Seitdem flackern die Kerzen nur noch über den Bildschirm, daheim. Geschenke? Kein Geld. Gute Laune kommt nur noch vom Bier. Gute Worte gibts von den Leuten auf den Ämtern. Arbeitsamt. Sozialamt. Schulamt. Und Gutscheine. Geändert haben sich nichts. Aber er. Jetzt. Auch dieses Jahr wirds keine Kerzen geben. Keine Geschenke. Keinen Baum. Keinen Braten. Nicht für ihn. Aber auch nicht für die Leute da vorne, rund um die Dekokrippe. Er packt die beiden Mollys aus – seine Weihnachtsbastelei!

„Oh – du hast aber eine große Kerze! Aber meine brennt schon. Hier, schenk ich dir!“ Eine kleine Hand, eine winzige rotrunde Kerze. Ein Schneeflockenlächeln. Er packt die Mollys in den Rucksack und nimmt das flackernde Teelicht aus der Kinderhand. „Pass auf, dass sie nicht ausgeht, bis du daheim bist.“

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