„Am Karfreitag regnet es doch normalerweise“, hat ein Freund mir gerade am Telefon gesagt.. Tut es das? Ich erinnere mich an sonnig sommerwarme Karfreitags-Nachmittage in meiner Kindheit. Da saß ich auf dem Balkon und malte mit meinem Vater ausgeblasene Eier für den Osterstrauß an. Er abstrakt, ich kindlich gegenständlich. Leider sind die kleinen Kunstwerke meines Vaters und zum Glück meine Kreationen nicht mehr erhalten.
Mit 18 verbrachte ich denkwürde Karfreitagsstunden mit meinem Freund beim „Metonkel“ mitten in einem schon maigrünen Wald. Wir saßen auf klapprigen Campingstühlen vor seinem alten Bauwagen und tranken aus schmutzigen gesprungenen Gläsern trüben Met zum Zwitschern unsichtbarer Vögel. Weder den Wagen noch den Metonkel und schpn gar nicht diese Vögel gibt es heute noch.
Ein Hauch von Vergänglichkeit liegt über diesem Tag. Eigentlich sollte es regnen.
Der Tod ist wie ein Punkt am Ende des Satzes. Unweigerlich nötig, weil auch die schönsten Wortgebilde sich nicht in die Unendlichkeit fortsetzen können. Und ihrer Einzigartigkeit beraubt, wären sie auch nicht mehr schön, Vor allem gäbe es dann nur noch begrenzten Raum für Neues. Stellt Euch vor, wenn jeder Satz, gedacht oder gesprochen, ewig wäre! Wir würden ersticken und verstummen vor der Gewalt all dieser nie gestillten Worte.
Aber zum Glück wurde irgendwann die Interpunktion erfunden.
Sie gilt für unsere Sätze und auch für unser Leben. Irgendwann ist Schluss. Das wird uns Christen heute durch das Leiden Jesu und aller anderen Gekreuzigten vor Augen geführt. Durch den zerrissenen Vorhang im Tempel. Und die Angst der Zurückgebliebenen.
Aber natürlich stirbt Jesus nicht zufällig gerade in dieser Jahreszeit. Pessach. Zuckerfest. Frühlingserwachen. Im Tod liegt schon der Keim zum Werden. Dieses Motiv ist älter als jede Religion. Sie ist der Pulschlag, seit es Leben gibt.
Trauer und Freude dürfen nebeneinander liegen, aufeinander, durcheinander. Du hast jemanden verloren, der dir fehlt? Weine. Und lache. Denn kein Verlust ist ewig. Mindestens in deinem Herzen und in deinen Erinnerungen kannst du Verlorene finden. Glaube mir! Versuche es.
Ich leide heute mit Jesus Christus und mit allen, die gequält und getötet wurden und werden. Ich bin dankbar für ihren Mut.
Als Christin bin ich außerdem unendlich froh darüber, dass mir ohne Ansehen meiner Schwächen, meiner Fehler, meiner Feigheiten eine Tür geöffnet wurde, die vom tiefsten Karfreitagsschwarz direkt ins Grün führt. Ins Blau. Ins Licht.