Adventskalender MiniKrimi vom 12. Dezember 2018


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Was ist nur aus Deutschland geworden?

„Soweit sind wir jetzt schon. Weihnachten haben die uns komplett kaputt gemacht.“ Kopfschüttelnd betrachtet Elfriede das Video, das ihre Freundin Alma ihr auf WhatsApp geschickt hat. Zu den Klängen von Stille Nacht spulen sich Bilder von 60er Jahre Weihnachtsmärkten ab, Kinder in schwarzweiß strahlen Zuckerwatte an, der Kölner Dom leuchtet. Dann Szenenwechsel, Flammen und Heavy Metal, während ein LKW in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz rast. „Raus mit dem Pack!“, murmelt Elfriede vor sich hin, während sie ihre ganze Wut auf den Vorwerk VT 300 überträgt und dabei die Schiekraftregulierung des Saugwischers durcheinanderbringt. 

„Hallo, Elfriede, bin wieder da! Möchten Sie einen Kaffee?“ „Hallo Karim, nee. Nen Latte.“ Elfriede reinigt zweimal die Woche die Maisonette-Wohnung des Herzchirurgen Dr. Karim Abdelkader im Dachgeschoss der Minervastraße 89. Für 20 Euro die Stunde, schwarz. Das kollidiert mit ihrem Hass auf „die Ausländer“ ebensowenig wie der italienische Latte Macchiato, den Karim ihr auf einem Silbertablett serviert, mit zwei Stück Würfelzucker und vier Giottokugeln. Während der Kaffeepause erzählt Elfriede, was sie sich von ihrem Mann zu Weihnachten wünscht: einen Urlaub auf Ibiza nächstes Jahr, und was sie ihrem pubertierenden Sohn schenken wird: das neue Egoshooter Computerspiel (eigentlich ab 18)  und einen Paintball-Nachmittag mit Freunden. 

Karim hört zu und lächelt. Er ist höflich, und Elfriede putzt gut und will nichts Privates von ihm wissen. Jedenfalls nicht im Gespräch.

Auf dem Weg nach Hause macht Elfriede einen großen Bogen um den Weihnachtsmarkt am Rotkreuzplatz. Obwohl ihr schon auf der U-Bahn-Treppe ein verführerischer Duft nach gebrannten Mandeln entgegenweht und ihr Bus erst in zehn Minuten kommt. An der Haltestelle rempelt sie eine junge Frau mit Kopftuch und Kinderwagen an, aus Versehen, aber sie entschuldigt sich nicht. Murmelt stattdessen wieder: „Raus mit dem Pack.“ 

Daheim schreibt sie in die Timeline ihres Sozialen Netzwerks, dass sie heute nicht auf den Weihnachtsmarkt gegangen ist, weil „eine verdächtige arabische Frau mit Kopftuch und Kinderwagen“ ihr Angst gemacht hat. „In dem Wagen hätte ne Bombe sein können, man weiß ja nie, heutzutage. Was ist nur aus Deutschland geworden. Kein Verlass mehr auf die Polizei. Früher hätten die solche Leute sofort verhaftet und postwendend über die Grenze geschickt.“

Einer der vielen zustimmenden Kommentare auf ihren Post lautet: „Früher, da herrschte noch Recht und Ordnung bei der Polizei. Da ham die mit Ausreisepflichtigen kurzen Prozess gemacht.“ „Ja genau, Scheiß Polizei. Alles Merkels Schuld“, pflichtet ein anderer bei. Elfriede fühlt sich bestätigt. Es wird Zeit, dass Deutschland wieder ein Rechtsstaat wird. Die Ausländer müssen raus. Oder ins Gefängnis. Solange, bis sie ausgewiesen werden.

Am nächsten Morgen klingelt es Sturm. Draußen ist es noch dunkel. Elfriedes Mann brummt unwirsch: „Geh nachschauen, das hört sonst nie auf.“ Im Morgenmantel öffnet sie die Tür. Und steht dem funktionierenden Rechtstaat gegenüber, der sie vorschriftsmäßig in Handschellen abführt. Im Vernehmungsraum des Polizeipräsidiums wird ihr Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Sie soll einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Rotkreuzplatz geplant haben. Und den Mord an der internationalen Herz-Koryphäe Dr. Abdelkader. 

Elfriede verneint. Elfriede schreit. Elfriede weint. Schließlich beschimpft sie die Polizei. Den Rechtsstaat. Ihr Pflichtverteidiger sieht die Polizeiakten ein – alles bestätigt, mit Zeugenaussagen und allem drum und dran, sogar mit konspirativen Fotos. „Am besten, sie geben alles zu. Das macht dann vor Gericht einen guten Eindruck.“

Inzwischen hat in den sozialen Netzwerken der Shitstorm gegen Elfriede schon begonnen. Nestbeschmutzerin ist noch das netteste, womit ihre Freunde vom rechten Rand sie beschimpfen. 

Erst nach Monaten in U-Haft klärt sich die Sache. Ihr Sohn hatte die Nase voll von EgoShootern und wollte sich mal als Hacker ausprobieren. Seine Mutter nervte ihn, und ein paar Monate ohne sie stellte er sich richtig cool vor. Als er keine Wäsche mehr hat, Kühlschrank und Tiefkühltruhe lange leer sind und der Vater zur Nachbarin gezogen ist, geht Kevin missmutig zur Polizei und gesteht die selbst gebastelten „Fake News.“   

Elfriedes Glaube in den Rechtsstaat und seine Exekutive ist wiederhergestellt. Irgendwie. Oder so. 

c0109 oder warum ich nicht nach Chemnitz fahre. Heute.


Bei uns daheim herrscht dicke Luft. In der Familie wurde gestern Abend heiß darüber diskutiert, wie und mit wem wir heute nach Chemnitz fahren sollten. Ob – das stand zunächst nicht zur Debatte. Bis ich das Gespräch darauf brachte. Seitdem bin ich Persona non grata im Hause.

Damit kann ich leben. Schlecht. Daher, und auch für mich selbst, damit ich meine Gedanken mal klar auf Linie bringe, hier der Versuch einer Argumentation. Ich hoffe, dass die Kette nicht reißt, zwischen den Zeilen. Und ich bin gespannt, ob es anderen da draußen ähnlich geht, ob ich einen Shitstorm auslöse, bedauerndes Kopfschütteln oder, und das wäre mir am liebsten, klare Kante Gegenargumente. Oder Pro. Oder so.

Ehrlich gesagt, hatte ich vorher nur ein leises Unbehagen, wenn es darum ging, sich zu Demos an entfernten Orten aufzumachen. Noch ehrlicher gesagt, habe ich dieses Unbehagen erst, seitdem ich die Teens+ hinter mir gelassen habe. Vorher, diese Erinnerungen will ich nicht der selektiven Amnesie anheim fallen lassen, vorher also waren Fahrten nach Wackersdorf, La Hague, Dannenberg Ehrensache. Nein, Fukushima nicht. Mehr.

Gestern dann las ich einen Thread auf Instagram, Kommentare zum Post von FeineSahneFischFilet über das Konzert am Montag in Chemnitz. Da äußerten junge AntiFaschisten aus Sachsen ihren Unmut über das Konzert. Da kämen Tausende aus ganz Deutschland wegen der Musik und/oder weil sie Flagge zeigen wollten, gegen die Rechten. „Und am Dienstag sind sie wieder weg, und wir haben hier bei uns niemanden dazu gewonnen, aber die Stimmung ist noch aufgeheizter“, so klagten sie.

Und da begann der Unmut in mir Worte zu finden. Klar, es ist wichtig, zu zeigen: #wirsindmehr! Ebenso klar ist es, dass wir tatsächlich mehr sind. Mehr Demokraten, mehr Leute, die nie wieder Faschismus haben wollen, in Deutschland. Mehr, die nichts gegen Flüchtlinge haben (statistisch gesehen sogar rund 70%, das besagen alle Umfragen).

ABER die Frage, die sich mir stellt, lautet: wie bekommen wir die Lage in Ostdeutschland in den Griff? Als Krimitautorin habe ich schon einen Plot im Kopf, der im Deutschland nach dem Wiederaufbau der Mauer spielt. Aber das ist Autorenfiktion. Wie kriegen wir die Ostdeutschen (also diejenigen von ihnen, die bei Mahnwachen blank ziehen, den Hitlergruß zeigen und „absaufen“ skandieren, wenn es um Flüchtlinge im Mittelmeer gehr) dazu, daran zu glauben, dass Demokratie etwas gutes ist, dass sie weiter ihre Klöße und Rostbratwürste essen können, auch, wenn nebenan eine Dönerbude steht. Ehm – aber das tut sie doch schon, und da gehen sie sogar hin, und gerne….. letztendlich reduziert sich die Frage dann so: wie kriegen wir die rechten Demonstranten dauerhaft von der Straße, in Chemnitz, Dresden und anderswo? Und dann, in der Erweiterung: wie verhindern wir rechte Parolen, Angriffe auf Ausländer und, ja, auch die AfD? Aber diese Frage ist dann schon nicht mehr auf den Osten Deutschlands begrenzt! Tja, so ist das!

Warum also fahre ich nicht nach Chemnitz? Weil ich glaube, dass ich den Chemnitzern, die keine rechten Parolen schreien oder denken, die nichts gegen Geflüchtete haben, die sich noch gut an den zweiten Teil des Rufes „Wir sind das Volk“ erinnern („keine Gewalt“), die sich für die Bilder der nazigrüßenden deutschen Randalierer schämen, die derzeit durch die internationalen Medien kreisen – dass ich diesen Chemnitzern mit meiner Anwesenheit nicht helfe. Nicht wirklich und auch nicht ideell.

Weil ich davon überzeugt sind, dass sie wissen: wirsindmehr! Weil ich nicht davon überzeugt bin, dass, weil ich auf ihre Straßen gehe, sie das auch tun werden. Weil meine von Bundespolizisten geschützte Anwesenheit sie nicht davor bewahren wird, morgen, wenn ich weg bin, von sächsischen Polizisten, die „im Umgang mit demokratischen Mitteln wie Demonstrationen“ geschult sind, angegriffen zu werden. Oder vom Nachbarn angepöbelt, ausgebuht, im Job gemobbt oder schlimmeres zu werden.

Weil ich denke, dass zu beweisen, dass wir mehr sind, bedeutet, Eulen nach Athen zu tragen, wenn „wir“ aus allen Ecken Deutschlands anreisen. Weil das „wir“ aus den Menschen im Osten heraus kommen muss, um einen Zusammenhalt zu schmieden, um einen Sinneswandel anzustoßen.

Auf meine Frage, warum so viele Menschen im Osten so fremdenfeindlich seien, so demokratieverdrossen nach so kurzer Zeit, so unheimlich hasserfüllt, antwortete mir eine junge Studentin, die als Kind in Dresden gelebt und später nach München zurück gekommen ist. Ihre Antwort gibt mir zu denken:

Die Menschen im Osten haben Angst. Es leben kaum Ausländer dort, aber sie haben Angst, dass in der Zukunft viele Geflüchtete dorthin kommen könnten. Weil so viele Häuser leer stehen, weil im Osten mehr Platz ist als im Westen. Sie haben Angst, dass die ihnen dann was wegnehmen von dem wenigen, was sie haben. Weil sie das Gefühl haben, von der Wende übervorteilt worden zu sein. Weil sie unzufrieden sind und jemanden suchen, dem sie dafür die Schuld geben können. Weil sie mit der großen Freiheit, der Meinungen, der Wahl, der Freiheit zu gewinnen – aber auch zu verileren, nichts anfangen können. Weil es ihnen Angst macht, dass keiner mehr für sie entscheidet. Weil sie selbst nicht entscheiden können, sondern nur fordern und dann erwarten, dass sie alles kriegen.

Boah, starker Tobak. Ist das so? Ich habe selbst Verwandte „drüben“. Und ich kann eines beisteuern, hier. Ich habe erlebt, dass die Abgrenzung zum Westen in den Köpfen der Menschen dort erfolgt. Dass sie, nachdem sie „eins“ geworden sind mit den Geschwistern im Westen, einen Identitätsverlust erlebt haben, den sie mit DDR- Reminiszenzen kompensieren. Von der Spreewaldgurken über die Datsche bis hin zu Redewendungen. Wir haben das DDR-Sandmännchen schon immer schöner gefunden und freuen uns, es jetzt deutschlandweit zu haben. Sie sagen, wir haben es geklaut. Wie die Ampelmännchen.

Und singen das Deutschlandlied und brüllen den Hitlerruf – und vergessen, dass er es war, der „unsere Heimat“ in Schutt und Asche gelegt hat und letztendlich daran Schuld ist, dass sie 40 Jahre in der DDR gefangen waren. In die sie jetzt zurück möchten, oder? Mensch, was wollen die eigentlich???

Vielleicht ist das die Kernfrage, die wir uns alle stellen müssen. Vielleicht wäre die Antwort darauf die Lösung des Problems. Denn dass es ein Problem ist, ist unbestritten. Die auf der Straße haben ein Problem, und die hinter den Vorhängen auch, und wir ebenfalls.

„Unsere Frauen haben Angst, auf die Straße zu gehen. Wegen der Ausländer.“ Das mag sein, aber das Problem existiert nur in den Köpfen. Statistisch gesehen verüben viel weniger Ausländer Straftaten als Deutsche. In Westdeutschland, und allemal in Ostdeutschland, denn dort gibt es praktisch keine Ausländer. Aber wie geht man mit einer Fake Reality um, die sich ausbreitet wie Masern in den Köpfen der Leute?

Ich fahre nicht nach Chemnitz. Aber ich möchte dazu beitragen, dass rechte Gedankengut aus den Köpfen der Menschen zu vertreiben. In Dresden, in Karl-Marx-Stadt und überall. Ich glaube, das geht nur durch Erziehung. Durch kulturelle Begegnungen. Von Kindern. Und Eltern. Nur so geht das!

Wenn ich doch nach Chemnitz gehen würde, dann im Rahmen eines Projektes, dass gezielt Familien verbindet. Deutsche und ausländische. Wenn ich denn solche fände, dort. Und ich glaube, auch in Dresden sollten alle, die rechtes Denken bekämpfen wollen, sich solche Projekte suchen, sie aufbauen, sich vernetzen mit Kirchen, ja, mit Kirchen. Mit sozialen Organisationen. Mit linken Strukturen. Mit Studenten. Ich glaube, Veränderung braucht Zeit und muss in die Herzen der Kinder gepflanzt werden.

Wenn oben auf dem Podium bei einer Demo Kinder stünden, blonde Kinder mit großen blauen Augen, schwarze Kinder mit großen braunen Augen, wenn Kinder durch die Reihen der Demonstranten gehen würden, mit offenen Armen. Würde ein Rechter ein solches Kind schlagen?

Eine Freundin von mir, die ich seitdem nicht mehr treffe, erklärte auf einem Fest, es sei jetzt endlich genug mit den Asylanten. Bei uns gäbe es genug Arme. Darauf gehe ich jetzt nicht ein, dazu schreibe ich ein andermal. Auf diesem Fest waren auch Menschen aus Indien, aus afrikanischen Ländern. Zwei kleine Mädchen tanzten zusammen. Ein blondes und ein schwarzgelocktes. „Guck mal, wie süß!“, sagte meine Freundin. „Das Mädchen ist aber eine Asylantin“, sagte ich. „Trotzdem. Die muss natürlich bleiben“, erklärte meine Freundin hingerissen. Vielleicht sollten wir viel mehr auf dieser Logikebene spielen……

Hat Sankt Florian versagt?


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„Heiliger Sankt Florian, verschon‘ mein Haus, zünd‘ and’re an“. Das „and’re“ steht heute Abend in München. Ich habe immer wieder gesagt, dass wir hier keinen Bonus haben, weder einen touristischen noch einen humanitären. Und jetzt hat es in München eine Schießerei gegeben. Zufällig sogar ganz in meiner Nähe. Ganz zufällig bin ich heute Abend nicht ins „OEZ“ gefahren, nicht, weil ich eine Vorahnung gehabt hätte, sondern weil ich zu müde war. Alhamdulillah!

Ich finde, es ist nicht die Zeit für Mutmaßungen, für Spekulationen, Hypothesen oder Beschwichtigungen. Ich will kein Öl auf’s Feuer gießen und kein Wasser. Es ist das erste Mal, das ich mich in vermutet sicherer Nähe – vermutet, da die Täter flüchtig sind und sich theoretisch überall aufhalten können – eines Terroranschlags befinde. Denn ein Terroranschlag ist es ganz sicher. Wenn jemand mit einer Langwaffe wahllos um sich schießt, ist das Terror. Mit völlig unbekanntem Hintergrund, derzeit. Es könnten Islamisten sein oder Rechtsradikale, Psychopathen oder Mafiosi. Lediglich die extreme Linke schließe ich mal a priori aus – die Besucher des OEZ sind weder geldig noch einflussreich, sie sind zu 70% und mehr Ausländer, also nicht die klassische Zielgruppe der Linksterroristen….

Ich habe die Rollläden heruntergelassen, im Erdgeschoss. Ich habe Garten- und Haustüren abgeschlossen und den Dachstrahler angemacht, um die Terrassen taghell zu beleuchten. Ich bringe die Hunde nicht zu ihrer Abendrunde und sitze in einer selbstgebauten Falle. Und dennoch fühle ich mich sicher nicht im Ansatz so wie viele meiner Freunde und Bekannte. Ich habe niemanden verloren, heute Abend. Ich bin nicht direkt bedroht worden. Mein Haus wurde nicht beschossen. Ich habe maximal Angst vor drei flüchtigen Mördern und muss weder ein mörderisches Regime noch hochgerüstete Terrormilizen fürchten.

Ich bin entsetzt. Über die Tat. Über mich und meine Reaktion. Ich bin überrascht. Über die Nachfragen aus aller Welt, binnen Stundenfrist. Erleichterung, dass es mir gut geht. Entsetzen über das, was geschah. Ausgerechnet in München. Ausgerechnet? Ich bin unendlich traurig und sehr besorgt. München hat mit beispielloser Herzlichkeit Platz geschaffen für Tausende von Flüchtlingen, im vergangenen Jahr. Räumlich, aber auch in den Köpfen und Herzen der Menschen. München hat Pegida die Stirn geboten und rassistischem Gedankengut eine bunte Mauer entgegengestellt. Eine Mauer aus Bürgern, Politikern, Vertretern von Kirchen und allen relevanten Institutionen der Stadt.

Und jetzt? Noch ist nicht klar, wer den Anschlag auf das belebte und beliebte Einkaufszentrum geplant und ausgeführt hat. Aber ich habe Angst, dass, ganz unabhängig vom Fortgang der Ermittlungen, das Klima der Offenheit, der Hilfsbereitschaft, der Barmherzigkeit gegenüber Menschen auf der Flucht dieser Terrortat zum Opfer fallen wird. Menschen, die vor Tod und Verfolgung zu uns kommen und nicht verdient haben, auch hier unter Generalverdacht gestellt und verfolgt zu werden. Damit wirft der Horror einen Schatten, dessen Länge noch nicht einzuschätzen ist.

München ist eine Stadt mit vielen dunklen Vergangenheitsflecken, angefangen bei ihrer Rolle als Hauptstadt der  Bewegung, über die Attentate während der Olympischen Spiele 1972 und des Oktoberfests 1980 bis hin zum laufenden NSU-Prozess. Ich hoffe, dass die Menschen in dieser Stadt aufgrund ihrer kulturellen, religiösen und emotionalen Vielfalt resilient ist und dem Anschlag auf das OEZ mit großer Menschlichkeit begegnet, mit tiefer Trauer und echtem Mitgefühl. Aber nicht mit Hass. Heute jährt sich der beispiellose Amoklauf des Anders Breivik. Norwegen hat mit seiner Reaktion darauf einen Meilenstein gesetzt im Umgang mit solchen Taten. Es ist schrecklich, wieviel Leid einzelne Individuen binnen Sekunden zufügen können. Physisches Leid. Seelisches Leid.

Wir wollen diesem Leid nicht auch noch die Genugtuung der Täter hinzufügen, Grundwerte unserer Gesellschaft getroffen und außer Kraft gesetzt zu haben.

Wir sind nicht München. Wir sind Münchner. Wir sind Menschen. Das wollen wir bleiben. Mit allem, was uns ausmacht. Mit.Menschlichkeit. Vorverurteilung und Fremdenhass gehören nicht dazu.

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