Fast schon eine Tradition: Am Heiligen Abend gibt es hier keinen MiniKrimi, sondern meine Predigt zur Christmette. Die war heuer ganz besonders schön: mit wunderbarer Musik von der Schwabinger Stubenmusi und einem tollen Familienquartett, das uns mit Weihnachtsliedern bezaubert hat.
Hier meine Predigt zu Vers 17 im 3. Kapitel des 1. Timotheusbriefes (Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit):
Was schreibt Paulus da an Timotheus? Erklärt er das Geheimnis des Glaubens? Oder gibt er Tipps für ein Leben mit Gott?
Marie sitzt auf einer Bank am Fluss. Auf ihrer Bank. Wir oft hat sie dort gesessen und dem Wasser zugeschaut? Es ist nie derselbe Fluss. Und sie ist auch nicht mehr dieselbe. So viele Träume. Wünsche. Hoffnungen. So wenig Perspektiven. Ja, es stimmt vielleicht, was die Leute sagen: jede ist ihres Glückes Schmied. Hat sie das falsche Eisen ins Feuer gehalten? War der Amboss nicht groß genug? Jedenfalls hat das, was sie aus ihrem Leben geformt hat, nicht annähernd etwas mit dem zu tun, was sie auf dem Plan hatte.
Abi? Keine Chance. Mittlere Reife? Keine Lust zu lernen. Ausbildungsplatz? Keiner, der sie interessiert hätte. Und das, was sie gerne gemacht hätte, liegt weitab von ihrer Reichweite. Tierärztin. Model. Sängerin.
An der Discounter-Kasse hat sie es nur knapp drei Wochen ausgehalten. Dann wurde sie gefeuert. Zu oft hat die Kasse am Abend nicht gestimmt. Zu oft hat sie frechen Kund’innen ihre Meinung gesagt.
Also wieder arbeitslos.
Und privat? Der Mike war ihr wie die Erfüllung ihrer Träume erschienen. Bis sie gemerkt hatte, dass das Strahlen in seinen Augen vom Dope kam. Dass er selbst keine Perspektive hatte – und sie nicht in seiner Zukunft vorkam. Schon gar nicht schwanger.
„Siebzehn, ohne Schulabschluss, ohne festen Wohnsitz und im vierten Monat schwanger. Das bin ich. Und dann reden alle davon, dass es zu Weihnachten hell wird. Dass Gott ein Mensch wird und uns Menschen Hoffnung gibt. Ok. Ich sehe aber keinen Hoffnungsstrahl. Für mich.“
Marie sitzt auf der Bank. Und schaut auf den Fluss. Da schlurft eine alte Frau heran. Setzt sich wortlos neben Marie. Zieht eine Flasche aus der geräumigen Tasche ihres abgewetzen Lodenmantels. „Magst an Schluck?“
Automatisch streckt Marie die Hand aus. Besinnt sich. „Nee, lieber nicht. Ich bin schwanger.“
„Schwanger? Mei, wie schön! Da wächst was Großes in dir. Zukunft. Weißt was? Das Kind macht dich stark. Jetzt hast einen Sinn im Leben. Freu dich, Mädel!“ Aus der anderen Tasche holt sie zwei Zettel. „Gutscheine für ein Abendessen heute in der Pizzeria da hinten am Platz. Allein mag ich nicht hin. Komm mit!“
Marie ist kein Engel. Nie gewesen. Und die Alte, die jetzt neben ihr sitzt am festlich gedeckten Tisch in der Pizzeria hat sicher auch mehr Ähnlichkeit mit dem Teufel. Wirres Haar, und sie stinkt nach Alkohol und altem Schweiß. Und die Leute hier, der Inhaber und die Bedienungen? Sehen die aus wie Engel? Zumindest interessieren sie sich für Leute wie Marie und die Alte. Das ganze Lokal ist voll von ihnen. Obdachlose, Mutlose, Einsame. Keine Ahnung, denkt Marie. Sie hätte nie gedacht, wie vielen es so geht wir ihr. Und jetzt isst sie von weißem Porzellan, trinkt Wasser aus Kristallgläsern, die Tischdecken sind makellos weiß und das Essen richtig lecker.
„Warum macht ihr das?“, fragt sie die Bedienung, die ihr noch ein Stück Kalbfleisch auf den Teller legt. „Warum feiert ihr heute Abend nicht? Seid ihr auch alleine?“
„Für uns ist erst morgen Weihnachten. Heute, am Heiligen Abend, sind wir für euch da. Egal, was ihr seid oder denkt oder glaubt, egal, was andere sagen. Wir wollen euch heute Abend eine Freude machen. Uns geht es im Moment vielleicht besser als euch. Deshalb sind wir glücklich, wenn ihr hier in unserem Lokal erscheint und wir euch bedienen dürfen. Esst euch satt. An Leib und Seele.“ Die junge Frau mit den schwarzen Locken und dem leichten Akzent lächelt und legt kurz ihren Arm um Marie.
„Und wenn du nicht weißt, wohin, nachher. Wir haben noch ein Gästezimmer frei. Es soll schneien, heute Nacht. Und du und dein Baby“ sie schaut auf Maries Bauch, der sich schon leicht wölbt „habt es dann schön warm.
Marie weiß nicht, wie ihr geschieht. Eben saß sie noch frierend auf der Bank am Fluss. Jetzt liegt sie, satt und warm, in einem richtigen Bett. Sauber – sie hat noch geduscht und sich mit einer duftenden Lotion eingecremt – und ohne Angst. Zum ersten Mal seit – ja, seit wann?
Buon Natale. Frohe Weihnachten, hat Luca, der Besitzer der Pizzeria und der Vater der jungen Bedienung, Marie und den anderen Gästen gewünscht. „Buon Natale. Jesus Christus ist geboren. Wir sind nicht wie Jesus. Aber wir möchten so sein, machmal. Und auch mal was Gutes tun. Und wir hoffen, dass ihr euch freut.“
Wir können die Welt nicht besser machen, in einer einzigen Nacht, liebe Schwestern und Brüder. Wir können auch nicht erwarten, dass Gott das tut. Jesus hin oder her. Aber, und das will Paulus mit diesen Worten sagen:
- Weil Gott uns seinen Sohn geschenkt hat, als Mensch und trotzdem als einer, der immer versucht hat, in Gottes Sinn zu handeln, nach Gottes Wegen zu suchen.
- Weil durch ihn die frohe Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen verbreitet wurde, überall.
- Weil viele – und trotz Kirchenaustritten und Kritik an der verfassten Kirche bis heute – viele Menschen etwas finden an dieser frohen Botschaft und sie leben, nicht täglich, aber immer wieder und aus tiefstem Herzen…..
… deshalb ist Weihnachten für uns jedes Jahr ein Grund zur Freude. Zur Hoffnung. Darauf, uns aufzumachen mit Jesus Christus. Für Gott und für die Menschen um uns herum. Die Liebe zu leben. Für eine bessere, kleine, große Welt. Denn, wie Dietrich Bonnhoeffer gesagt hat: Es heißt ja nicht: Gott wurde eine Idee, ein Prinzip, ein Programm, eine Allgemein- gültigkeit, ein Gesetz, sondern Gott wurde Mensch. Amen.
