MiniKrimi Adventskalender am 4. Dezember

Stadt am Wasser

Diesmal stammt der MiniKrimi von meiner Mörderischen Schwester Katja Kleiber. Wir wünschen spannende Unterhaltung. Vielleicht seid Ihr neugierig, wie es weitergeht? Der Spanienkrimi „Riskantes Erbe“ ist im Buchhandel erhältlich.

Riskantes Erbe ( Kapitel 9)

Ein untersetzter Mann in Blaumann fummelte am Schloss rum. Er lächelte Irene unsicher zu und setzte seine Arbeit fort.

Irene hatte sich ins Café an der Strandpromenade geflüchtet, während Carlos seine Helfer aktiviert hatte. Jetzt roch es im Apartment nach dem Zitronenaroma eines Bodenreinigers. Araceli hatte geputzt, und zwar gründlich. Die Staubschicht war von den Möbeln verschwunden, die Küche glänzte und die Fenster blitzten nur so vor Sauberkeit.

Der Blick aufs Meer war ungetrübt. Sie verlor sich in dem Anblick der blauen Weite.

Das Surren eines Akkuschraubers rief sie in den Moment zurück. Juan befestigte den Beschlag des Schlosses.

Irene fragte sich, ob sie ihm etwas zu trinken anbieten sollte. Sie nahm zwei Gläser aus dem Schrank, öffnete den Kühlschrank und griff nach der Colaflasche. Noch besser würde die Cola mit Eis schmecken. Sie öffnete die Klappe vom Gefrierfach. Tatsächlich fand sie dort eine Eiswürfelform, daneben eine Packung Spinat. Gedankenverloren brach sie einige Eiswürfel aus der Plastikschale und ließ sie in die Cola gleiten.

Spinat? Anders als sie hatte Hubert das Gemüse nie gemocht. Wenn sie Spinat zubereitete, musste sie für ihn extra etwas anderes kochen. Stand sein Flittchen auf Grünzeug? Die jungen Mädchen waren doch heutzutage alle Veganer.

Sie nahm die Packung. Ob der Inhalt noch genießbar wäre? Als sie sie in den Händen drehte, um nach einem Haltbarkeitsdatum zu suchen, sah sie, dass der Karton bereits aufgerissen war. Sie öffnete die Lasche.

Geldscheine. Anstelle eines gefrorenen Blocks pürierter Spinatblätter kamen ihr Scheine entgegen. Fünfziger, Hunderter, Fünfhunderter. Ein dicker Stapel Geld in dem Karton einer Packung Tiefgefrorenes.

Irene spürte auf einmal Juans Blicke in ihrem Rücken. Hektisch stopfte sie die Scheine zurück in die Packung und schob diese wieder ins Eisfach, das sie mit einem Knall schloss.

Dann drehte sie sich um und hielt dem Schlosser ein Glas Cola entgegen, in dem drei harmlose Eiswürfel schwammen: »Te apetece una Coca Cola?«

Verlegen nahm der Mann die Limonade an, trank in hastigen Zügen. Dann zeigte er auf das Schloss, legte ihr zwei nagelneue Schlüssel in die Hand. Er zückte sein Handy, tippte darauf herum und zeigte Irene die Anzeige eines Taschenrechners, in dessen Ergebnisfeld eine lächerlich geringe Summe stand.

Sie holte ihr Portemonnaie aus der Handtasche und gab ihm seinen Lohn, rundete ihn mit einem großzügigen Trinkgeld auf. Der Mann bedankte sich und ging.

Ob er die Scheine aus dem Kühlschrank gesehen hatte? Aber sie hatte ihm den Rücken zugewandt. Ihr Körper hatte vermutlich den Blick auf den Geldstapel versperrt.

Irene stürzte ihre Cola herunter, ging zur Tür und schloss zwei Mal ab. Der neue Schlüssel hakelte noch etwas.

Dann öffnete sie erneut das Eisfach, nahm die Spinatpackung heraus und holte die Scheine hervor. Sie setzte sich an den Esstisch und zählte. Bei hundertzwanzigtausend kam sie durcheinander und gab auf.

Woher hatte Hubert so viel Bargeld? Irene schluckte. Eine solche Menge Scheine hatte sie noch nie auf einmal gesehen. Sie brauchte Ruhe, um über den Fund nachzudenken. Nur eins war klar: Im Kühlschrank konnte der Schatz nicht bleiben, denn eventuell hatte Juan sie beobachtet. Sie musste sich ein besseres Versteck ausdenken.

Mehr über die Autorin und ihr Werk auf www.katja-kleiber.de

MiniKrimi Adventskalender am 23. Dezember


Ein Blaulicht zuviel

von Rebecca Schneebeli

Harald bog mit dem Auto in die schmale Ortsstraße ein, die zu seinem Haus führte. Hätte er nicht mit den Händen das Lenkrad festgehalten, hätte er sich die Finger gerieben. Dieser Bruch war echt glatt gelaufen. Er hatte gar nicht das große Besteck auspacken müssen. Das hatte ihm die gestresste Verkäuferin des Juwelierladens abgenommen. Sie war so in Eile gewesen, an Heiligabend nach Hause zu kommen, dass sie den Schlüssel nur einmal herumgedreht hatte. Der Rest war ein Kinderspiel gewesen.

Heute Abend würde er unter dem Tannenbaum die Beute zählen und morgen kam schon Boris vorbei. Dann war alles noch vor dem 2. Weihnachtstag über die Grenze bei seinem Hehler.

Harald drehte das Autoradio an. Ihm war nach positiver Weihnachtsstimmung. „Last Christmas“ schallte es ihm entgegen. Spielten die diese langweilige Kamelle wirklich immer noch jedes Jahr? Er wechselte den Kanal: Nachrichten. Mal wieder ging es um die Neuwahlen. Er stellte das Radio schnell wieder ab. Politik war nicht sein Ding. Daheim würde er sich gleich erstmal seine eigene Weihnachts-CD auflegen mit „Jingle Bells“ und „Coming home for Christmas“.

Doch was war das? Ein blaues Leuchten einige Häuser weiter. War das nicht gegenüber von seinem Haus? Harald wurde heiß und kalt. Die Bullen. Sie waren schon bei ihm daheim, ehe er nur mit der Beute vorgefahren war. Scheiße!

Abrupt drehte er um, was seinen Wagen auf der vereisten Fahrbahn leicht ins Schlingern brachte. Nichts wie weg hier!

Einige Straßen weiter überlegte er. Was sollte er tun? Heim konnte er mit einem Kofferraum voll geklautem Schmuck nicht mehr. Sollte er das Auto irgendwo in der Stadt abstellen und mit dem Bus heimfahren? Aber was, wenn jemand auf den Wagen aufmerksam wurde? Zudem waren die Bullen ihm bereits auf der Spur und sie kannten dementsprechend sicher auch sein Nummernschild.

Ihm kam ein Plan. Wenn er den Schmuck zurückbrachte, konnte man ihm nichts zur Last legen. Ohne Diebesgut, kein Einbruch. Gesagt, getan. Harald brach das zweite Mal an Heiligabend in den bereits geschlossenen Schmuckladen ein, diesmal ging es noch etwas schneller. Schwieriger wurde dabei, den Schmuck wieder korrekt an Ort und Stelle zu räumen. Wo hatten noch mal die Ohrringe gelegen und wo das Diamantcollier? Notdürftig breitete er die Schmuckstücke in den diversen Auslagen aus.

Endlich war er fertig und nassgeschwitzt. Während der Einbruch schnell vonstattengegangen war, hatte das Verräumen des Schmucks schier ewig gedauert. Als er wieder in seinem Auto hinterm Lenker saß, zitterten seine Hände. Nun wollte er nur noch heim und sich einen Beruhigungsschnaps gönnen. Er zwang sich zur Lässigkeit, als er in seine Straße einbog und sich seinem Haus und dem beunruhigenden Blaulicht näherte. Aber jetzt konnten ihm die Bullen nichts mehr. Er wusste, er war nicht gesehen worden und Schmuck hatte er auch keinen mehr dabei.

Erst wenige Meter vor dem Haus stellte er fest, dass das blaue Licht nicht ein Polizeiwagen, sondern ein überlebensgroßer Schneemann im Garten des Nachbarn ausstrahlte.

„Wie findest du meine neuste Errungenschaft?“, fragte dieser ihn beim Aussteigen und grinste.

„Sollten Schneemänner nicht weiß sein?“, knurrte Harald. Diese blöde Weihnachtsdeko hatte ihn einen lukrativen Bruch gekostet.

„Ach, das wäre doch langweilig“, scherzte der Nachbar und Harald verschwand schnell ins Haus, ehe der Drang, diesen zu erwürgen, zu groß wurde.

Dort goss er sich einen Schnaps ein und direkt einen zweiten hinterher. Das brauchte er jetzt.

Da klingelte es an der Tür. War das etwa noch einmal der Nachbar? Der sollte was erleben.

Doch vor seiner Tür standen zwei uniformierte Polizisten, hinter sich ein Polizeifahrzeug, ganz ohne Blaulicht.

„Harald Krieger?“, fragte der erste.

„Richtig.“ Harald schluckte hart. Was wollten die denn jetzt hier? Es gab doch nichts mehr, was sie ihm noch zur Last legen konnten.

„Dürften wir reinkommen? Sie wurden gesehen, wie Sie in ein Juweliergeschäft eingebrochen sind und dort Schmuck einräumten. Wir haben ja schon viel erlebt, aber das müssen Sie uns erklären.“

Harald schluckte erneut. Jetzt war er dran – und das nur wegen eines blauen Schneemanns. Er hasste Weihnachten.

Mehr über Rebecca Schneebeli erfahrt ihr auf der Webseite der Mörderischen Schwestern:  https://www.moerderische-schwestern.eu/wer-wir-sind/autorinnen/s/rebecca-schneebeli/

Adventskalender MiniKrimi am 18. Dezember


Der heutige MiniKrimi stammt aus der Feder von Dagmar alias Traumspruch. Mehr über sie und von ihr gibt’s auf ihrer Homepage.

Zingiber Officinale 

Ja, sie war ziemlich stolz auf ihre selbstgezüchtete Ingwerpflanze. Vorgestern hatte sie sich mit ihrem Nachbarn darüber unterhalten. Der war ja eigentlich ein Muffel und redete mit keinem der anderen Anwohner. Ein Eigenbrötler, aber stinkreich und geizig, so sagte man. Nicht einmal eine Zugehfrau leistete er sich, obwohl er alleinstehend war. 

Als er vom Fenster gegenüber auf ihrer Fensterbank die ungewöhnliche Pflanze entdeckt hatte, rief er sie an, einfach so. Und sie unterhielten sich gut. Nicht nur, das sie quasi Garten an Garten, Fenster an Fenster wohnten, sie bemerkten, dass sie einige gemeinsame Interessen hatten. Aber leider mussten sie das Gespräch bald beenden, denn Herr Schneider, so hieß der Nachbar, hatte noch eine ebay-Auktion laufen, um die er sich nun würde kümmern müssen. Ein Sammlerstück, das er gerne in seinen Besitz bekommen würde. Quasi ein Schnäppchen, so schwärmte er ihr gestern noch vor. Heute war sie mit ihm verabredet. Er wollte sich ihre kuriose Ingwerpflanze, die auf der Fensterbank so gut gedieh, mal genau anschauen und würde deshalb zu Besuch kommen.

Leider erschien er nicht. 

Denn bereits kurz nach Ablauf der ebay-Auktion erhielt Herr Schneider selbst Besuch.

Noch am Nachmitag wollte der Verkäufer der kostbaren Uhr diese persönlich überbringen. Herr Schneider war nicht argwöhnisch, so würde der edle Chronograph beim Versenden keinen Schaden nehmen können. Auch die beiläufige Frage nach den Nachbarn, die man unter Umständen durchs Fenster sehen könnte, ließ keinen unguten Gedanken bei Herrn Schneider aufkommen.

Auf die Frage gab Schneider kurz zur Antwort, da wohne nur eine blinde Frau.  

Aha, die sieht uns also eh nicht, lachte der Schurke, und bedrohte Herrn Schneider plötzlich mit einer Waffe, die er statt der zu liefernden Uhr aus der Jackentasche zog. Unbeobachtet und in aller Ruhe fesselte er das Opfer und machte sich schließlich ebenso beruhigt mit dem Diebesgut davon.   

Sie war nur ein klein wenig enttäuscht, dass ihr Nachbar sie versetzt hatte. Das kannte sie ja schon. Die Leute wussten nicht, wie man mit einer Blinden umgeht.

Man nahm sie oft nicht für voll. Ja ja, diese Behinderte, die konnte doch froh sein, wenn man sich ihr überhaupt mal zuwendete. So überspielten manche die eigene Unsicherheit gekonnt mit einem Scheinargument. Da käme es doch nicht auf den Tag an, sie säße doch sowieso immer zuhause. Draußen sei es für sie zu gefährlich, da würde sie sich doch nicht mehr zurecht finden… so argumentierte man. 

Aber von diesem feinen Herrn hätte sie das nicht erwartet. Der hatte eigentlich einen netten Eindruck auf sie gemacht. Eigentlich, ja, eigentlich.

Aber Tatsache war, er hatte sie versetzt.

Es war zwar erst mitten am Nachmittag, aber er wollte doch seinen Besuch bei ihr noch bei Helligkeit abstatten. Jetzt wurde es bald dunkel – er würde nun nicht mehr erscheinen. 

Das sollte ihr jedoch die Laune nicht verderben. Würde sie halt ein bißchen twittern. Dort gab es bestimmt jemanden, mit dem sie sich unterhalten konnte. Und so war es. Bald hatte sie einen interessanten twitter-Austausch über Gewürzpflanzen. Auch über ihren Ingwer.

Jetzt wollte ein Twitterer sogar ein Foto sehen. Ob sie das hinbekäme? Ja klar, sie sah zwar nicht, was sie fotographierte, aber das iPhone lässt sich auch blind gut bedienen. Kamera starten, Kameramodus auswählen, Blitz aus, damit es keine Spiegelung gibt, Bild aufnehmen, Doppeltipp. Fertig. Sie würde gleich ein Bild von ihrer Pflanze machen und twittern. 

Das war dann doch nicht so schnell bewerkstelligt. Als sie das Foto samt Bildbeschreibung online gestellt hatte, war ihr Bekannter bei twitter offenbar bereits offline. Er reagierte jedenfalls nicht auf ihre Nachricht. Nun, er würde das Bild ja dann in der timeline finden. 

Es war schon ein wenig knifflig, so die richtige Einstellung zu finden, damit alles auf dem Bild zu sehen sein würde. Normalerweise stellte sie auch nicht einfach mal so eine Aufnahme ins Netz, bevor nicht ein Helferlein einen Blick darauf geworfen und das Go gegeben hatte. Mittlerweile hatte sie geübt, dass nicht auf jedem Schnappschuss ihre Füße zu sehen waren, oder der unaufgeräumte Esstisch, oder irgendein Gegenstand, der mehr über sie verraten würde, als ihr lieb wäre. Aber bei der Grünpflanze konnte sie nichts verkehrt machen. Ihre Füsse steckten in fotogenen Wollsocken, das breite Fensterbrett war aufgeräumt, und der Bildhintergrund war in diesem Fall sowieso egal. Es ging nur um die schilfartigen Blätter, die aus der Knolle wuchsen.  

Sie war gespannt was…@GrünerDaumen zu ihrem Ingwersprössling sagen würde.

Lecker, wie der Tee schmeckte, den sie am Montag gekauft hatte. Teetrinken und abwarten, das war eine gute Einstellung. Die Gedanken kommen lassen, die Gedanken ziehen lassen. Achtsamkeit. 

Ein Klingeln an der Haustür ließ sie aufschrecken. 

Ein Polizist verlangte Einlass. Sie war sehr skeptisch, sie liess nicht einfach so fremde Menschen in ihre Wohnung. Moment! Einen Moment würde man schon warten müssen. Sie würde die Nachbarin von nebenan anrufen und diese bitten, doch mal eben rüber zu kommen. Nicht alle Polizeidienstausweise hatten eine Braillebeschriftung. Da brauchte sie sehende Unterstützung, der sie vertrauen konnte. Gerade kletterte die Nachbarin über den niedrigen Zaun, der die beiden Grundstücke seitlich trennte. An der Straße fuhr ein Streifenwagen vor. Ein weiterer Polizist betrat das Grundstück. Nachdem die Dienstausweise gecheckt waren, gewährte sie den Ordnungshütern Einlass. 

„Na, da hat ihr Nachbar aber noch mal Glück im Unglück gehabt“ erläuterte der zweite Beamte. „Dank ihrer Aufnahme, die sie in twitter gestellt haben und aufgrund der wir alarmiert wurden, konnte Herr Schneider gerade noch rechtzeitig befreit werden. Er hatte vor lauter Aufregung einen Asthmaanfall und konnte gefesselt keine Hilfe rufen. 

Die Sammler-Uhren ist er zwar los. Der Räuber hat bereits das Weite gesucht. Das sollte aber jetzt kein Problem sein, denn wir haben ja ein excellentes Fahndungsfoto, der Dieb ist gut zu erkennen; auch wenn unscharf im Vordergrund des Fotos irgendwelche grüne Blätter abgebildet sind.“ 

Mit dem Beweisfoto war sogar eine ganze Fotoreihe ausgelöst worden. Das würde die Fahndung wesentlich erleichtern. 

So hatte man den Dieb bereits dingfest gemacht, als sich Herr Schneider am übernächsten Tag bei ihr zu einer Tasse Tee und zur Begutachtung der seltenen Grünpflanze anmeldete und seinen versäumten Besuch nachholte.

copyright: Traumspruch

5. Dezember: In einem kleinen Apfel…..


IMG039Auf der Ismaninger Straße in unmittelbarer Nähe vom Max-Weber-Platz reihen sich die kleinen Geschäfte aneinander. Der Schreibwaren-Lotto-Toto-Laden mit dem Geschenke-Eck, in dem selbst die Briefumschläge dezent nach Zigarettenrauch riechen. Der überteuerte Grieche mit den wie gemalt in der Auslage prangenden Pizzarädern, aus dessen enger Tür Sommer wie Winter die Mittagsgäste ihre verwartete Zeit  auf die Straße ergießen. Und der Gemüsetürke, eine breitgesichtige Frau und ihr untersetzter Mann, genauer gesagt. Vor der Tür sind exotische Früchte in Holzkisten drapiert, saisonale Blumenbüschel daneben. Jetzt eben grade Tannengestecke mit staubbeschichteten Christbaumkugeln. „Mei, die Türken halt, was sie so von Weihnachten wissen“, flüstern die Alten im Vorübergehen. Und Alte gehen viele vorüber. Vor mir wieder eine. Drahtig und ganz aufrecht, das schulterlange strohweiße Haar frisch gelegt. Ihre blaue Stoffhose aus den Siebzigern mit Schlag gut gepflegt, die Sportjacke ein modernes Outdoormodell. Wie auf einem Gleis gehend strebt sie dem Gemüseladen zu. Bleibt vor der Auslage ruckartig stehen. Zieht den Kopf ein, ich sehe es ganz deutlich, wie eine Schildkröte, die zum Angriff ansetzt oder zur Flucht nach innen. Ihre behandschuhten Finger schießen hervor, umklammern einen Apfel – wie der Greifarm in den Münzaquarien, die früher an jeder Raststätte standen, bunt gefüllt mit billigsten Plüschtieren. Blitzschnell steckt sie den Apfel in ihre Jackentasche. Steht wie angewurzelt und schraubt ihren Blick ins Innere des Ladens. Erst, als der Besitzer auf sie zu kommt, bewegt sie sich. Dreht sich um und läuft, nicht rennt, gemessenen Schrittes davon. „Halt, halt!“ ruft der Türke und springt auf den Bürgersteig,……