MiniKrimi Adventskalender am 6. Dezember

Comic einer alten Dame neben einem großen Panettone

Mit ihrem Krimi -Auszug entführt uns Luzi van Gisteren nach Italien und praktisch ins Herz der „dolce“ und der „mala“ vita. Viel Spaß beim Lesen!

Madame Panettone

Weihnachten mit der Famiglia ohne die italienische Patronin an der Festtafel? „Auf keinen Fall!“, findet Bella und reist ihrer temperamentvollen Schwiegermutter postwendend nach Montegrotto hinterher. In diesem gediegenen Thermalort möchte Super-Nonna offensichtlich dem Weihnachtstrubel in Saarlouis entgehen, dabei ist in der Pizzeria Roma doch gerade zu Weihnachten so viel zu tun! 

Zwischen den geheimnisvollen Quellen der euganeischen Hügeln, venezianischen Gondolieren und eidottergelben Weihnachtskuchen aus der Gefängnisbäckerei Paduas sucht die Deutsche nach Nonna Carmelina, doch leider fehlt von dieser auch nach Tagen noch jede Spur…

Ein weiteres turbulentes „Natale Fatale“ mit der Super-Nonna.

Die Gefängnisbäckerei lag etwas außerhalb des Centro von Padua. Das Taxi vom Bahnhof brachte mich in wenigen Minuten direkt vor die Patisserie, die sich als großzügige, moderne Manufaktur entpuppte: Ein transparenter Genuss-Tempel. Ich war enttäuscht, da ich eine Horde grobschlächtiger, verschwitzter Bäcker am Rand des Hochsicherheitstrakts erwartet hatte. Insgeheim hatte ich mir ausgemalt, wie ich den handgemachten Weihnachtskuchen aus Mörderhand überreicht bekommen würde. Meine Gefühle schwankten nach wie vor zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Vielleicht brauchte ich einfach eine gehörige Portion Adrenalin, um mein Gefühlschaos wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Wie auch immer – in Padua würde ich den erhofften Adrenalinkick jedenfalls nicht bekommen: Die Angestellten hinter dem Verkaufstresen entpuppten sich als blass und unauffällig und auch sonst ging es in dem geschmackvoll eingerichteten Café eher gediegen zu: Viel Glas, viel Licht, wenig Pompom. Wenn man allerdings einen Blick auf die Tresen warf, liefen einem förmlich die Augen über: Der Tresen bog sich förmlich unter der zentnerschweren Patisserie: Hier warteten feinste Mandelhörnchen, Törtchen mit Himbeerdeko und solche mit Schokoguss, bis ins feinste Detail verzierte Macarons, himmlische Originale aus der Orangen-und Ananas-Confisserie, puderbezuckerte Pralinés und diverse Zimtvariationen auf hungrige Mäuler – so wie meines. Ich konnte mich kaum sattsehen. Und dann stieß ich endlich auf den eigentlichen Grund meiner Reise: Nämlich auf das Regal mit den berühmt berüchtigten Panettoni aus der eigentlichen Gefängnisbäckerei, von welchen der Papst angeblich alljährlich 200 Stück für den Vatikan bestellte. 

Die Gefängniskuchen steckten allesamt in edlen Kartons und wiesen das Siegel auf „Hergestellt in der Gefängnisbäckerei von Padua“. Sie sahen ganz und gar nicht nach gebacken aus Knastbrüderhand aus. Ich kaufte trotzdem drei davon – einen für Nonna, einen für mich und einen auf Reserve. Ich überlegte, noch mehr zu nehmen, um beispielsweise auch Köchin Elena oder Pizzabäcker Patrice zu bescheren, doch ich hatte keinen Platz. Ich war gezwungen, mit leichtem Gepäck zu reisen. Es war besser so – die Bürde mit einer impulsiven italienischen Schwiegermutter, die mich bis aufs Äußerste reizte, war groß genug im Leben. 

Ich hatte in Venedig zwar ausgiebig gefrühstückt, doch nun gönnte ich mir eine Auswahl an Patisserie und bestellte mir einen Cappuccino. Es schmeckte alles ganz ausgezeichnet. Auf dem Corso Milano, vor dem das Café lag, herrschte geschäftiges Treiben. Immer wieder kamen Besucher herein, die sich hinter beschlagenen Brillengläsern einen Espresso an der Bar bestellten und sich tonnenweise Gebäck und Kuchen einpacken ließen. 

Ein untersetzter Mittsechziger mit Rauschebart gesellte sich zu mir. Obwohl es um uns herum noch genug freie Plätze gab, fragte er, ob er sich an meinen Tisch setzen könnte. Ich traute mich nicht, „Nein“ zu sagen, schwieg aber betont und starrte an die Wand gegenüber, während ich die Kuchen in mich hineinstopfte.

„Sie mögen wohl sehr gerne Süßes?“, fragte der Italiener und musterte mich interessiert.

Ich bejahte artig und versuchte es tunlich zu vermeiden, fortlaufend auf die dicken Löcher in seinem braunen Strickpulli zu starren, dessen Blütezeit, so wie sein Träger, längst verstrichen war. Eine Konversation bei Tisch war nicht abzuwenden. Der Strickpulli-Rauschebart stellte sich als Journalist eines Kulturmagazins vor. „Es ist in Italien ja einiges berichtet worden über die Pasticceria dal Carcere di Padova, wissen Sie“, fachsimpelte er und berichtete, dass jeder Häftling eine ganz bestimmte Rolle hätte, wenn es um die Herstellung von Panettoni, Grissini, Kekse und Kuchen ginge. „Wussten Sie, dass jedes Jahr 25 Häftlinge zu Konditoren ausgebildet werden?“

Ich schüttelte den Kopf und stieß ein unverständliches „Grmpffff“ heraus, da ich mir soeben das letzte Mandelplätzchen einverleibt hatte. 

„Und Sie sind aus rein kulinarischen Gründen hergekommen?“, fragte der Vielredner und bot an, an der Theke noch etwas Nachschub in Form von weiteren Patisserie-Stückchen zu besorgen. Ich winkte dankend ab, da mir Zucker und Sahne bereits aufstießen. 

„Wissen Sie – mich interessieren die Geschichten, die unter der Kuchenkuppel mit dem braun-goldenen Papierrand stecken“, fuhr der Journalist fort. „Certo – die Gefangenen werden für ihren luftigen Weinsauerteig jedes Jahr im Dezember geadelt, der Gefängniskuchen schafft es in die Bestenlisten. Aber was ist mit den Schicksalen dahinter, was mit den Familien der Insassen? Und was ist mit der Ehefrau die nun allein ist, weil ihr Mann seinen besten Freund erschlagen hat? Denken Sie dieser teure Pannettone spendet dieser einsamen Ehefrauen und Müttern Trost auf dem Gaumen? Sie wissen ja nicht mal, ob sie sie irgendwann nochmal außerhalb der Besuchszeiten wiedersehen? Sie wissen ja nicht einmal, wie sie die Geschenke für ihre Kinder bezahlen können, verstehen Sie?“

Ich nickte! Es gab schwere Schicksale – doch meines war auch nicht leicht. Ich blickte auf die Uhr und stellte mit Erschrecken fest, dass es längst Mittag durch war. Ich musste auf nach Montegrotto – Federicos Worte, die Nonna zu Weihnachten nach Hause zu bringen, hallten in meinem Ohr nach. 

„Sie müssen schon gehen?“, fragte der Journalist enttäuscht, als ich meinen Mantel von der Garderobe neben dem dezent geschmückten Tannenbaum holte. 

Ich bejahte und erklärte, dass gleich mein Zug nach Montegrotto fahren würde.

„Ach, Sie reisen nach Montegrotto?“, fragte der Vollbart, der mit seinem kugelrunden Gesicht auch als Weihnachtsmann hätte durchgehen können, wäre da nicht diese gewisse dunkle Aura in seiner Gegenwart gewesen. „Haben Sie Familie in Montegrotto?“

Die Neugier des Journalisten stieß mir fast mehr auf, als das Himbeertörtchen Doppelrahmstufe. Im Nachhinein weiß nicht, welcher Gaul mich geritten hat, meine Schwiegermutter und ihren Namen im Zusammenhang mit Montegrotto zu erwähnen – doch irgendwie war es mir rausgerutscht und sogleich biss ich mir auf die Zunge.

Der Reporter jedoch hatte Blut geleckt: „Carmelina Poletti? Ihre Schwiegermutter? Dieser Name…dieser Name…der sagt mir was. Stand Ihre Schwiegermutter vor ein paar Jahren nicht in Zusammenhang mit einem Mafia-Mord oder so?“ Der Vielredner redete sich um Kopf und Kragen.

Meine Schwiegermutter war keine Unbekannte – sie war nicht nur in einen Mafiamord südlich von Neapel, verstrickt, sondern ihr Name wurde in Kennerkreisen auch im Zusammenhang mit einer verschwundenen Schülerin in Verona und einer im toskanischen Weinfass ertrunkenen Schweizer Uhrenbaronessa erwähnt. Nonna besaß ein kriminelles Gen – aber das musste ich dem Reporter ja nicht auf die Nase binden.

Luzi van Gisteren (Bildquelle: privat)

Inklusive Original Nonna-Rezepten und weiteren italienischen Erzählungen aus der humorvollen Feder von Luzi van Gisteren.

www.autorin-luzi.de

Das Buch ist erhältlich bei

https://www.epubli.com/shop/madame-panettone-9783756534654#vorschau

MiniKrimi Adventskalender am 14. Dezember


dliche Erinnerung

„Hey Lukas, weißt du noch? Du hattest immer weiße Jeans an, knalleng, hat sich alles abgezeichnet. Und dazu mit Silber beschlagene Cowboystiefel.“ „Klar. Aber du hast meine Ray Ban vergessen. Die war übrigens reiner Selbstschutz. Wenn ich die während der Vorlesung abgesetzt hätte, wären die „ragazze“ beim Anblick meiner strahlend blauen Augen reihenweise in Ohnmacht gefallen.“

Lautes Gelächter, von einigen nicht ganz ernst gemeint. Es ist fünf Uhr nachmittags, die Terrasse der Strandbar „Da Micco“ bietet einen malerischen Ausblick auf die Marina, sanfte Wellen schaukeln Möwen und ein paar Tretboote. Der Himmel strahlt, die Sonne neigt sich zum Horizont und leckt schon himbeerrot am Meer. Von drinnen klingen die Lieder herüber, die in den späten 1970ern die Jukebox gefüllt haben: Battisti und Dalla, De André und Baglioni. Lukas hat extra einen Stick damit vorbereitet. Es soll alles so sein wie damals, als sie an der Università degli Studi in Pisa Medizin studiert haben. Es waren tolle Jahre, in jeder Hinsicht. Raus aus dem deutschen Mief, weit weg von den Eltern, Sonne, Meer, Espresso und Prosecco zum Abwinken. Und die „ragazze“! Die blonden Deutschen mit den dank Papa gut gefüllten Geldbörsen waren beliebt. Nicht nur bei den Mädels in den Bars und am Strand. Auch die – zugegeben wenigen – Kommilitoninnen ließen sich gerne auf die Studenten aus Heilbronn, Marburg oder Oberursel ein.

Ach ja. Tempus fugit, wie Lukas bei der Begrüßung sagte. Über 40 Jahre sind seitdem vergangen. Aber die Clique der „Tedeschi“ – den Namen hatten ihnen die italienischen Studenten gegeben, und sie hatten ihn gerne übernommen – hat sich nicht aus den Augen verloren. Alle 5 Jahre treffen sie sich in der Strandbar. Jetzt heißt sie „da Micco“, davor hieß sie „Queen“, „Miami“ und, in den späten 1990ern, „Stella Marina“. Die Zeit flieht, und die Reihen der Freunde werden lichter. Hermann hatte 1990 einen tödlichen Unfall mit seinem Ferrari. Andreas hatte Krebs – Bauchspeicheldrüse. Beim vorletzten Treffen war er noch dabei und siegessicher. Ein Chirurg wird doch die Oberhand behalten? Kurz danach kam dann die Todesanzeige. Franz hat das zweite Mal geheiratet, klassischerweise seine OP-Schwester, 30 Jahre jünger. Jetzt sitzt er mit den Zwillingen in der Villa am Bodensee, und sie macht Yogaurlaub. Mit einer Freundin…

Olli trägt Glatze und Bierbauch, Max ein Toupé. Nur Lukas sieht noch so aus wie früher. Zumindest auf den ersten Blick. Die gleichen weißen Jeans, Cowboystiefel, dazu eine freche Ray Ban. Die Haare flott gestylt und noch ziemlich üppig, die Zähne blendend weiß, keine Falte zu viel im Gesicht. Naja, Berufsehre. Lukas leitet die größte Praxis für Plastische Chirurgie in Mannheim. 5 angestellte Ärzt*innen, 15 Mitarbeitende. Er ist nur noch 2 Mal die Woche da, für die wichtigsten – und reichsten – Patientinnen und Patienten.

So sind sie diesmal also nur noch zu siebt. Lukas und Ingo, Olli, Wolfram mit seiner Frau Isa, die seinen Rollstuhl schiebt und ihm mit säuerlicher Miene den dritten Prosecco genehmigt, Peter, Fritz und Hajo. Alles arrivierte Ärzte. Fritz und Hugo engagieren sich ehrenamtlich in einer Klinik für Landminenopfer in Pakistan. Ingo hat seine unfallchirurgische Praxis seinem Sohn Heiko übergeben und segelt seitdem mit Freunden um die Welt. Freunde, Partner – heute ist das ja alles kein Thema mehr. Aber damals….

Außerdem sind bei den Treffen immer auch noch ein paar Italienerinnen dabei. Kommilitoninnen von damals. Freundinnen aus dem Dunstkreis der Tedeschi. Allegra, die Dolmetscherin, die Lukas‘ Doktorarbeit übersetzt hat, Francesca, die niedergelassene Dermatologin. Nur Laura fehlt. Natürlich.

Warum hat Lukas sie immer wieder eingeladen, obwohl sie nie gekommen ist? Pflichtbewusstsein? Alte Zeiten? Oder ein schlechtes Gewissen? Er hat den anderen nie von der Einladung an Laura erzählt. Hermann und Ingo wären dann auf keinen Fall gekommen. Wolfram? Der schon. Kann ja alleine keine Entscheidungen mehr treffen, und Isa liebt diese Auszeit an der toskanischen Küste. Und Olli – der kann sich wahrscheinlich gar nicht mehr an Laura erinnern. Kam ja erst vier Semester später dazu.

Inzwischen sind sie beim 4. oder 5. Negroni, Lukas hat das Zählen aufgegeben, und auch Mavi, seine aktuelle Lebensgefährtin, genießt die „dolce vita“ in vollen Zügen. Detox und Pilates waren gestern und stehen morgen wieder auf dem Plan. Heute wird gefeiert. Lukas‘ Freunde sind gar nicht so öde, wie sie befürchtet hatte. Witzig, charmant und auf eine altertümliche Weise liebenswert. Ingo hat ihr den Stuhl zurechtgerückt. Fritz füllt ihr Glas regelmäßig nach, und Hugo erzählt ihr mit glänzenden Augen von den Frauen, denen sie mit einer Prothese das Leben erleichtert haben. Klingt heldenhaft. Vielleicht fährt sie mal mit. Aber wahrscheinlich legt sich ihre Begeisterung für dieses Projekt, wenn der Prosecco verflogen ist.

Da geht die Terrassentür auf, und eine junge Frau steht vor ihnen. Im langen, weiten weißen Leinenkleid, Goldkettchen um die schmale Fessel, weiße Sandalen. Lange schwarze Locken fallen auf braune Arme. Ihre Augen so groß, ihr Mund so rot.

Lukas lässt das Glas mit seinem Negroni fallen. Klirren. Stille. Hugo, ganz Mann von Welt, geht auf die junge Frau zu. „Signora, suchen Sie jemanden? Das ist eine geschlossene Gesellschaft…“ Aber Lukas sieht und hört, dass auch Hugo die Frau erkannt hat. Laura. Sie sieht aus wie Laura. Aber das kann nicht sein. Laura ist heute Ende fünfzig. Und die Frau vor ihnen? In den Dreißigern. Oder so.

„Scusi, entschuldigen Sie. Ich habe von draußen meine Lieblingsmusik gehört. Ich musste einfach reinkommen. Aber ich gehe gleich wieder. Ich wollte sie nicht stören.“

„Ma no! Nein, bitte. Bleiben Sie. Was möchten Sie trinken? Einen Negroni?“

Mavi schaut zu, wie Lukas der Frau einen Platz anbietet, einen Negroni bringt, sich neben sie setzt und sich alsbald angeregt mit ihr unterhält. Das ist so typisch Lukas. Aber Mavi macht sich nichts mehr daraus. Auch streunende Hunde kehren irgendwann wieder zu ihrem Futternapf zurück. Und der ist bei Mavi immer gut gefüllt. Mit feinstem Essen, gutem Sex und einem offenen Ohr für all die Problemchen und Wehwehchen, die ein arrivierter plastischer Chirurg so hat.

Die Sonne geht unter, Mavi hat Kopfschmerzen. „Ich fahr schon mal ins Hotel“, sagt sie. Lukas nickt abwesend. „Ich komm bald nach. Nimm ruhig das Auto, aber fahr langsam. Ingo nimmt mich mit.“ Ingo ist im gleichen Hotel abgestiegen. Die beiden sltzen links und rechts von der Italienerin, Lucia heißt sie. Reden, lachen, sind betört davon, dass eine schöne Frau ihnen zuhört, mit großen Augen und strahlendem Lächeln. Er wirkt immer noch, ihr Charme. Und warum auch nicht? Zwei erfolgreiche Männer, Ärzte aus Deutschland. Das war doch schon immer ein Freibrief, hier.

Am nächsten Morgen wacht Mavi alleine auf. Von Lukas keine Spur. Sie denkt sich nichts weiter und geht runter zum Frühstück. Dort trifft sie einen verkaterten Wolfram mit einer – wie immer – mürrisch dreinschauenden Isa. Peter, Olli, Fritz und Hajo kommen dazu. Lukas und Ingo sind nirgends zu sehen. Für den späteren Vormittag ist ein Besuch im Naturhistorischen Museum der Universität Pisa geplant. Francesca hat eine Führung organisiert. Mavi fährt bei Fritz und Hajo mit. Auch zum Mittagessen in der Osteria, die die Clique als Studenten zum Stammlokal auserkoren hatten, fehlen Lukas und Ingo.

Was tun? Ist das noch normal? Oder ist den beiden etwas zugestoßen? „Mavi, was sollen wir machen?“, fragt Isa. Denn die Männer sind unschlüssig. Typisch. „Keine Ahnung. Sowas ist eigentlich noch nie passiert. Aber sie sind ja zu zweit. Was soll schon sein?“, antwortet Mavi. Sie ist eher verärgert als besorgt. So eine Rücksichtslosigkeit. Sie sind über 60, nicht 20. Was denken sich die beiden eigentlich? Sie werden doch sicher nicht zusammen mit Lucia…? Ja, was?

Also zurück ins Hotel. Abwesend macht Mavi den Fernseher an. Sie versteht kaum Italienisch. Aber die Bilder sind deutlich genug. Eine männliche Leiche wurde angeschwemmt. Auf der Höhe von Tirrenia. Ohne Papiere. Mit einer Wunde am Kopf. Und 1,9 Promille im Blut. Ganz offensichtlich ist der Mann betrunken von einer Mole ins Meer gestürzt, hat sich dabei an den Steinen verletzt und ist dann ertrunken. Die Großaufnahme der Leiche zeigt – Ingo. (…)

So, meine Lieben. Das ist der erste Teil des Thrillers Tödliche Erinnerung. Übermorgen kommt der zweite Teil. ABER: ihr habt die Möglichkeit, einzugreifen. Was ist passiert? Wo ist Lukas? Und wie soll es weitergehen? Macht mit! Seid Ermittler*innen und Kriminalisten. Ich freue mich auf eure Tipps!

Barfuß auf Asche


Sie beißt in den Himmel. Er schmeckt nach Schwefel. Seine Asche verklebt ihren Mund wie türkischer Honig, nur bitter. Die Straße fließt und reißt ihre nackten Füße mit. Stiche von Scherben, Knirschen von Knochen, diese Finger, so weiß – bloß schnell weiter. Die Luft heult und brüllt. Fegefeuer Berlin. „Komm Mädchen fass an. Was stehst du da rum?“ Eine Hand, ein Eimer Wasser schwappt über. Sie geht wie auf Schienen, trägt den Eimer zum Haufen rauchender Balken. „Schnell Mädchen.  Gib her! Und hol einen neuen. Da hinten. Nun lauf schon!“ Sie geht wie auf Schienen. Der Himmel aus Asche, der Boden ein Meer aus gestrandeten Häusern. Die Menschen ertrunken im Feuer. Immer wieder muss sie hinsehen, sie ansehen. Die toten Augen greifen nach ihrem Blick. Saugen ihn auf. Dann wird alles schwarz.

„Mama? Mama? Was sitzt du denn hier im Dunkeln?“ Leise, mit abgewandtem Mund: „Also ich hab das Gefühl das wird immer schlimmer. Mit ihr.“ Überlaut: „Mama? Hast du nicht gehört, dass wir angerufen haben?“ Beleidigt: „Wir versuchen seit gestern, dich zu erreichen, MAMA.“ 

„Ach ja? Ich hab nichts gehört. Vielleicht hat das Telefon geklingelt, als ich im Bad war. Außerdem: woher soll ich wissen, wer anruft?“ 

„Also hast du es doch gehört?“ 

„Vielleicht?“ 

Warum bist du nicht rangegangen, Mama!  Keine Frage! „Wir machen uns doch SORGEN!“ 

„Ich bin kein kleines Kind. Ich bin eine alte Frau. Ich kann auf mich selbst aufpassen. Im Bombenhagel hab ich Wasser geschleppt. Barfuß. Ich bin über Leichen geklettert. Ich brauche keine Aufpasser!“

Endlich sind sie weg. Ich kann sie nicht ertragen. Mama tu hier, Mama doch nicht so! Mama was MACHST du da schon wieder? Alles in vorwurfsvollen Großbuchstaben, in diesem pausen- und atemlosen Staccato der zur Mutter wider Willen gewordenen Tochter. Verkehrte Welt! 

Was denken die eigentlich, wie ich die letzten fünfundachtzig Jahre gelebt habe? Mich hat nie jemand in Watte gepackt. Allein in einer zerbombten Stadt, die ganze Welt ein Trümmerhaufen und ich mitten drin. Und ich hab überlebt. Ohne dass mir jemand ständig hinterhergelaufen ist.  Ohne dass sich jemand um mich gekümmert hat. Und jetzt soll ich plötzlich am Gängelband gehen, nur, weil ich älter bin? Die Menschen werden heute eben immer älter. Sagen sie jeden Tag im Fernsehen. Na und? Wenn man sie nicht töten will, muss man sie so nehmen, wie sie werden. 

Ist es schon acht? Wo hab ich nur meine Brille? Da muss doch die Fernsehzeitung….. Wie geht das Ding an? Ah. Na also. Was ist denn das schon wieder? Wo ist das Erste Programm? Natürlich. Das hat India verstellt, um mir dann in die Schuhe zu schieben, dass ich nicht mal mehr den Fernseher bedienen kann! 

Diese blöden Kopfschmerzen. Du musst mehr trinken, Mamaaaaa, würde India jetzt sagen. Dabei habe ich noch nie viel getrunken. Und bin trotzdem so alt geworden. Hab ich Hunger? Eigentlich schon. Oh – keine Spaghetti im Kühlschrank. Ach, dann ess‘ ich eine Banane. Mit einem Glas Wein. Mama, du sollst nicht so viel Wein trinken, würde India jetzt sagen. Gott sei Dank lebe ich alleine hier in meiner Wohnung!

Gott sei Dank lebe ich ALLEIN! Alleinallein. Alleallein. Wenn India mich jetzt hören würde, würde sie den Mund verziehen zu ihrem falschfreundlichen Alligatorlächeln. Alligator, so werd‘ ich sie nennen, ab heute. Wenn ich mich morgen noch daran erinnere. 

Wenn sie jetzt hier wäre, würde sie zwischen den Zähnen schräg nach hinten zu diesem Unmann zischeln, den sie sich herangezogen hat wie einen Schoßhund.  „Siehst du. Ulrich. Ich sage es dir doch. Sie ist verrückt!“ 

Es rauscht. Die Nacht ist ein Rauschen, sie bauscht sich um sie herum, hüllt sie ein. In einer Blase aus Schall schwebt sie die kreischenden Straßen entlang. Federt die Stöße ab, die Tritte, die reißenden Hände. Blitze gleiten an ihr hinunter, schwarzer Regen an ihr vorbei. „Di quì Signorina“ ruft eine Stimme, „hier entlang, schnell, es geht gleich los“. Sie klettert auf die Lore, gezogen von starkbraunen Armen. „Su prendi, los, nimm und verkleide dich!“ Eine gesichtslose Stimme reicht ihr das grellbunte Kopftuch. Sie knotet es fest in ihr Haar, dieses neue zufällige Leben. Drei Tage vier Nächte, und die Zwangsarbeiter sind wieder daheim, irgendwo in Italien. Sie, die verkleidete Fremde, mitten unter ihnen. Alle verabschieden sich lachend und zum Leben erschöpft. Da steht sie allein auf der Piazza in einer unbekannten Heimat. Geflohen gelandet gestrandet. „Ehi Signorina!“, ruft die Zukunft verheißungsvoll, und sie geht ihr schnell hinterher, durch die alten Arkaden.

„India, du schon wieder? Möchtest du einen caffé? Ich hab grade frischen gemacht. Heiße Milch? Setz dich doch.“

Ah, dieser Blick. Du kommst nicht als Gast, sondern als Aufpasser! Wie war das gestern? Alligator! Kannst gleich wieder gehen! 

„Mama! Deine Nachbarin hat angerufen. Erst kamen Rauchschwaden aus deiner Wohnung, dann lief das Wasser den Balkon hinunter. Mama? Mamaaaaaaa? Um Gottes Willen! Was MACHST du da? Ach, ich bitte dich! Natürlich hab ich auch schon mal die Milch anbrennen lassen. Aber dieser Topf ist durchgeschmort. Und wie viele Eimer voll Wasser hast du ausgegossen, über dem Herd? Wie bitte? Du wolltest bei der Gelegenheit gleich den Fußboden waschen? Ach…“ 

Der nasse Lappen klatscht auf den Boden. Tränen verwackeln den Ton. „Oh, Mama!!! 

Nein. DU hörst mir jetzt zu. Das ist NICHT normal, Mama. Das passiert NICHT jeden Tag und NICHT jedem. Mama! Bitte. Sei doch vernünftig. So geht das nicht weiter. Ich will dir doch nur helfen. Nein. Du bist nicht verrückt. Nein, ich will dich nicht einweisen lassen. So einfach geht das auch gar nicht.“ Leise, zu sich: „Leider.“

Mama bleib da. Mama wo rennst du hin? Mama es ist kalt draußen! Ich WILL sie nicht mehr hören. Diese Bevormundung! Ich bin im Aschenregen durch das qualmende Berlin gelaufen. Barfuß. Und dann in einem offenen Viehwagon über die Alpen gefahren, mit Wildlederpumps an den Füßen und einem Strickjäckchen über dem Seidenkleid. Kälte? Die Kälte, die mich hier verbrennt, kommt aus Indias Augen. So leblos. So lieblos. Mein Kind? Wahrscheinlich wurde sie im Krankenhaus vertauscht, gleich nach der Geburt. Wir haben uns eigentlich nie verstanden. 

Diese kommunistischen Ideen von Umverteilung und Gütergemeinschaft! Wegnehmen will sie mir alles, was ich habe. Meine Wohnung, mein Geld. Und mein Leben! Aber das kriegt sie nicht. MICH kriegt sie nicht. Ich bin zu schnell für sie, auch noch mit fünfundachtzig. Sie findet mich nicht. 

Aber jetzt ist mir kalt. Ob ich schon zurück kann? Wo genau muss ich hin? Hier war ich noch nie! 

Freundlich bestimmend zu einer Graublonden mit Einkaufskorb: „Entschuldigung? Können Sie mir den Heimweg zeigen? Sie kennen mich doch? Ach, tut mir leid. Ich habe Sie verwechselt. Neineinein, alles ok. Nein, ich sage Ihnen doch…. ich… suche nur meinen… (lass dir was einfallen!)… meinen Hund!“ 

Beruhigend zu dem kopfroten Jogger: „Ja, meinen Hund. Wie er aussieht? Na, wie ein Hund, eben. Dort drüben? Danke! Ja, er ist mir weggelaufen. Nein, er darf keine Jogger anbellen. Da IST er ja! Na komm, du Schöner! Komm her zu mir.“ 

Beschwörend geflüstert zu dem großen stillen Hund: „Komm, wir müssen jetzt beide so tun, als seien wir alte Bekannte. Das SIND wir doch auch! Jetzt erkenne ich dich! Wir sitzen im selben Boot. Du bist Argo, mein schwarzer Freund. “

Buonasera, signorina, buonasera….. Jukeboxkitsch, transozeanischer. Flattert in den Südensonnenuntergang, wispert in ihr Sommerohr. Bella vita in maßgeschneiderten Kleidern, und die Männerwelt rollt ihr die Teppiche aus zwischen Bari und Napoli. Das Blondhaar, die Goldhaut – „ma che angelo, was für ein Engel!“ Sie flirtet und bleibt ganz bei sich. Hebt sich auf. Hebt den Blick: „Buonasera!“ Diamantenes Meer, vergossener Himmel, Mittagslichtstaub streift das kühle Parkett. Als Verlobungsgeschenk keine Kette, kein Ring – ein schwarzes Fellbündel legt er ihr ins lustweiche Bett. Sie lieben sie schlafen sie schlagen. Dann, irgendwann, ist es Winter geworden, aus dem Schrank gähnt nur das Holz, dunkelleer. Daneben zwei Koffer, abfahrtbereit. Weiße Laken auf Sesseln und Betten, vor den Fenstern die Läden auf Monate verschlossen. Und sie spult ihre Reise zurück, erst den Apennin dann die Alpen und schließlich die graue Stadt. Trümmerentleert, existenzenbefüllt. Sie ertastet die Straßen am Ende des Traums. Einsam vielleicht, aber nicht mehr allein. An der linken Hand India, in der rechten die Leine. 

„Mama, jetzt sei doch vernünftig! Du hättest tot sein können. Wenn sie Ulrich nicht in der Kanzlei erreicht hätten, wenn er dich nicht abgeholt hätte, dann wärst du inzwischen wahrscheinlich erfroren! Wo wolltest du überhaupt hin?“ 

Leise, seitwärts: „Ulrich, jetzt sag doch auch mal was! Mama, bitte. Das ist Wahnsinn! Du kannst doch nicht im Ernst glauben, dieser Hund hier sei Argo! Argo ist seit Jahrzehnten tot! Genau wie mein Vater! Tot. Nicht abgereist. Nicht verschollen. Tot. Überfahren. Alle beide. In Italien. Das weißt du doch, Mama. Mama! Komm, trink eine Tasse Tee. Du hast ganz kalte Hände. Ach, Mama. Ich will dich nicht schlagen, ich will dich nur streicheln. 

Ganz leise: Mama, ich liebe Dich!

Ganz laut: Au! Mama, bitte! Jetzt sei doch VERNÜNFTIG. Du kannst den Hund nicht behalten. Wir müssen ihn abgeben. Im Tierheim. 

Ulrich! Jetzt hör doch mal auf, du machst ihr nur Angst! 

NEIN Mama. Ulrich hat das nicht so gemeint. Wir geben dich nicht im Irrenhaus ab. Das gibt es nicht mehr. Und selbst wenn. Mama, ich liebe dich doch. Ich will dir nur helfen. Und Ulrich auch. Ulrich? Ulrich!“ 

Hinter dem Türknall her: „Ulrich, du Idiot! Warte! Mensch, fährt der einfach weg. Na egal. Besser isses. So, Mama, jetzt noch mal ganz in Ruhe. Der Hund muss weg. Und du solltest dir vielleicht mal eine Auszeit nehmen. Es gibt doch so schöne Kurorte. In Ungarn, zum Beispiel. Ganz günstig! Mama? Mama!“ 

Leise. Verzweifelt. Fragend. „Wo BIST du?“

Komm, Argo. Das hat alles keinen Zweck. India ist eigentlich ein liebes Mädchen, weißt du? Aber sie vermisst ihren Vater. Er hätte nicht wegfahren dürfen, Hals über Kopf. Sie war noch so klein. Sie ist ihm so ähnlich. Wir haben uns nie wirklich verstanden. Wie schade! Aber du, Argo, du bist etwas ganz Besonderes. Wir zwei verstehen uns prächtig. Jetzt machen wir es uns richtig schön. 

Zum Taxifahrer: „Wir wollen in ein feines Hotel mit einem guten Restaurant. Eines mit Seeblick, in dem auch Hunde erlaubt sind. Sie kennen sich ja aus. Wir vertrauen Ihnen.“ Stimmt’s, Argo?

Oben ist unten und unten ist weit. Endlos weit. Sie zieht ihre Kreise aus blauem Samt. Schwimmt ohne Netz, schmeckt das Sonnengeflirr, riecht die Wärme, hört die Wolken reisen. Argo schwimmt neben ihr, weichschnäuzig, schwarz. Unbesorgt unumsorgt atmet sie leicht in die Zukunft. Und hinten ganz hinten am Himbeerhorizont steht ER und zieht sacht an der Linie. Da stülpt sich der Himmel nach innen.

Leben und Sterben in Zeiten von Corona


Pestdoktor

Heben sich so die Menschen am Anfang der Pest-Epidemie gefühlt? Voller Angst, voller Unglauben, und gleichzeitig unwillig, konsequent das zu tun, was die Ausbreitung eindämmen könnte? Unzählige Bilder – jahrhundertealt und tagesaktuell. Tanzende Menschen, auf Plätzen, vor züngelnden Feuern, in hohen Hallen, Schatten auf Häusern, in Straßen. Geigen und Trommeln. Bässe und Beats. Und dann – Leere. Stille. 

Damals zogen sie von einer Stadt zur anderen, büßend die einen, plündernd die anderen. Heute schwärmen sie durch Supermärkte und Shoppingmalls, auf der Jagd nach Verzweiflungsschnäppchen. In Venedig tanzten sie im ausgehenden Mittelalter, bis sie zu Boden fielen und die Pestmasken auf den Wellen der Kanäle schaukelten. Letztes Wochenende feierte die venezianische Jugend, und als die Lokale geschlossen wurden, nahmen sie die Flaschen eben mit an den Strand.

Veranstaltungen über 1000 Personen absagen. Na gut – auch, wenn das verpasste Konzert, das Bundesligaspiel schmerzen. Aber jetzt auch noch auf den Kinobesuch verzichten? Den Zumbakurs? Das geht doch entschieden zu weit! Am Ende schließen sie auch noch die Schulen! Die Geschäfte! Diskotheken! 

Meine Familie in Italien berichtet von Ausgangssperren. Keine Gottesdienste mehr landauf. landab. Der Papst feiert alleine vor Fernsehkameras. Bei einer Mortalität von 10% ist dort auch den überzeugtesten Präventionskritikern das Lachen erfroren. Zu lange haben wir zu viel Nähe zugelassen, Küsschen links und rechts, gemeinsam gepflegtes Leiden in Bars und Restaurants. Nun ist das ganze Land eine Schutzzone. Und in München? Undenkbar!, sagen immer noch viele. Zu viele.

Die Wirtschaft stöhnt, und, ja!, für Freischaffende ist die Situation unter Umständen existenzbedrohend. Aber nicht lebensbedrohend – wie der Besuch eines Konzerts, eines Theaters, eines Festivals. Und zwar nicht einmal unbedingt für den Besucher selbst. Aber für seine Angehörigen, die vielleicht einer Risikogruppe angehören, weil sie alt sind, krank sind, weil, sie, wie ich, eine Immuntherapie machen, die die Reaktion ihres Körpers auf ein für viele harmloses Virus zum russischen Roulette werden lässt…. 

Seit gestern haben sich die Infektionen in München verdoppelt. Hey, Leute, das ist keine Laune der Natur. Und auch keine Grippe. Wir stehen damals wie heute am Rande der „Pest“. Und nur, weil wir unseren Konsumismus, unsere Gewohnheiten, unsere technische Überlegenheit nicht der Diktatur einer Krankheit unterwerfen wollen, riskieren wir die Eskalation?

Ich verstehe eigentlich nicht, warum es so schwer ist, sich einzugestehen, dass die Natur immer noch die Oberhand behalten kann. Auch in unserer Hightech-Gesellschaft. Und geradezu fassungslos stehe ich vor Auswüchsen des weltweiten Netzes, die CoVid-19 als Bioangriff eines verrückten amerikanischen Politikers entlarven, Geheimtipps zum Überleben preisgeben, wie das literweise Trinken heißen Tees, um das Virus im Hals abzutöten, oder 100% sichere Selbstdiagnosemaßnahmen anpreisen: einfach morgens für zehn Sekunden die Luft anhalten. Wenn Du das kannst, bist Du gesund. In einigen Whatsapp-Nachrichten wurden aus den Sekunden Minuten…… Auch eine hundert Prozent-Methode… 

Die allerbeste Nachricht aber ist diese: Hunde und Katzen haben in der Regel bereits eine Immunität gegen das Virus entwickelt. Diese können sie an ihre Besitzer weitergeben (ich glaube ja, das ist von einem ausgelaugten Tierheimbetreiber in die Welt gesetzt worden).

Wenn das öffentliche Leben sich nach innen kehrt, ist das kein Verzicht, sondern eine Umkehr, die ein Umdenken erfordert. Aber deshalb wird unser Leben nicht ärmer. Nur anders. Und auch, wenn Grenzen sich schließen – die Kommunikation über diese hinweg war noch nie so groß. Und so wichtig. Die Welt bricht nicht zusammen, wenn Kinder 6 Wochen keine Schule haben, die Wirtschaft Einbußen erlebt, statt jährlich neue Rekorde einzufahren, und wir unseren 6 Monate im Voraus geplanten All-Inclusive-Urlaub in einem Drittweltland nicht antreten können. 

Für die wenigen, die es noch nicht erfasst haben: Wenn Schulen, Läden, öffentliche Räume, Theater, Kinos geschlossen, Veranstaltungen verschoben oder abgesagt werden, geht es nicht in erster Linie darum, Gesunde zu schützen. Bei Kindern und Personen unter 50 ohne Vorerkrankungen geht Corona vorüber wie eine Erkältung. Und danach sind sie gegen diesen Typ immun. Es sind die Kranken und Alten, die gefährdet sind – und nein, ich befürworte eine solche demographische Bereinigung unserer Gesellschaft nicht! 

Wenn die Krankenhäuser mit Coronafällen überflutet werden, sinkt die Überlebenschance bei einem Schlaganfall, einem Herzinfarkt, einem unter normalen Umständen nicht lebensbedrohlichen Unfall auf ein Minimum. Das gilt es zu verhindern. Und es gilt, unser medizinisches Personal zu schützen.

Aber, Leute, und das ist die gute Nachricht: Corona ist eine außergewöhnliche Chance! Warum? Darum:

  • Weil weniger Aktivitäten der Menschen dem Klima nachweislich bereits gut getan haben! Die Stickstoffemissionen haben sich in China seit Corona deutlich verringert….
  • Weil weniger Konsum Grundvoraussetzung ist für das Nullwachstum, das für einen Klimawandel unabdingbar ist. Und die eine und der andere vielleicht in dieser Zeit des erzwungenen Verzichts lernen, die einfachen Dingen wertzuschätzen (frommer Wunsch – aber ich bin halt Christin).
  • Weil ein Verzicht auf Globales uns dem Regionalen wieder näher bringt. 
  • Weil einsame Waldspaziergänge gesünder sind als Shoppingtripps. 
  • Weil ein Babyboom gut ist für unsere Demographie.
  • Weil wir vielleicht keine Hände mehr schütteln können (in meinen Augen ohnehin eine hygienisch nicht zu rechtfertigende Unart), dafür aber mehr auf anderen Kanälen kommunizieren. Briefe schreiben. Emails. Telefonieren. 
  • Weil wir lesen können. Schreiben. Backen, Nähen. Meditieren. Ruhen. Entschleunigen. Beten.
  • Weil wir Mitmenschlichkeit leben und erleben können. Indem wir auf einander schauen und achten. Auf die Nachbarn, zum Beispiel.

Sicher habt Ihr noch viele weitere Gründe, warum Corona eine so nie dagewesene Chance ist. Schreibt sie mir!

Und ansonsten: bleibt gesund! Das schönste, was ich von „meiner“ Pfarrerin im Zusammenhang mit Hygienemaßnahmen erfahren habe: 30 Sekunden soll man sich die Hände waschen. 30 Sekunden – das ist so lange, wie das Beten eines Vaterunsers dauert!