MiniKrimi Adventskalender am 23. Dezember


Ein Blaulicht zuviel

von Rebecca Schneebeli

Harald bog mit dem Auto in die schmale Ortsstraße ein, die zu seinem Haus führte. Hätte er nicht mit den Händen das Lenkrad festgehalten, hätte er sich die Finger gerieben. Dieser Bruch war echt glatt gelaufen. Er hatte gar nicht das große Besteck auspacken müssen. Das hatte ihm die gestresste Verkäuferin des Juwelierladens abgenommen. Sie war so in Eile gewesen, an Heiligabend nach Hause zu kommen, dass sie den Schlüssel nur einmal herumgedreht hatte. Der Rest war ein Kinderspiel gewesen.

Heute Abend würde er unter dem Tannenbaum die Beute zählen und morgen kam schon Boris vorbei. Dann war alles noch vor dem 2. Weihnachtstag über die Grenze bei seinem Hehler.

Harald drehte das Autoradio an. Ihm war nach positiver Weihnachtsstimmung. „Last Christmas“ schallte es ihm entgegen. Spielten die diese langweilige Kamelle wirklich immer noch jedes Jahr? Er wechselte den Kanal: Nachrichten. Mal wieder ging es um die Neuwahlen. Er stellte das Radio schnell wieder ab. Politik war nicht sein Ding. Daheim würde er sich gleich erstmal seine eigene Weihnachts-CD auflegen mit „Jingle Bells“ und „Coming home for Christmas“.

Doch was war das? Ein blaues Leuchten einige Häuser weiter. War das nicht gegenüber von seinem Haus? Harald wurde heiß und kalt. Die Bullen. Sie waren schon bei ihm daheim, ehe er nur mit der Beute vorgefahren war. Scheiße!

Abrupt drehte er um, was seinen Wagen auf der vereisten Fahrbahn leicht ins Schlingern brachte. Nichts wie weg hier!

Einige Straßen weiter überlegte er. Was sollte er tun? Heim konnte er mit einem Kofferraum voll geklautem Schmuck nicht mehr. Sollte er das Auto irgendwo in der Stadt abstellen und mit dem Bus heimfahren? Aber was, wenn jemand auf den Wagen aufmerksam wurde? Zudem waren die Bullen ihm bereits auf der Spur und sie kannten dementsprechend sicher auch sein Nummernschild.

Ihm kam ein Plan. Wenn er den Schmuck zurückbrachte, konnte man ihm nichts zur Last legen. Ohne Diebesgut, kein Einbruch. Gesagt, getan. Harald brach das zweite Mal an Heiligabend in den bereits geschlossenen Schmuckladen ein, diesmal ging es noch etwas schneller. Schwieriger wurde dabei, den Schmuck wieder korrekt an Ort und Stelle zu räumen. Wo hatten noch mal die Ohrringe gelegen und wo das Diamantcollier? Notdürftig breitete er die Schmuckstücke in den diversen Auslagen aus.

Endlich war er fertig und nassgeschwitzt. Während der Einbruch schnell vonstattengegangen war, hatte das Verräumen des Schmucks schier ewig gedauert. Als er wieder in seinem Auto hinterm Lenker saß, zitterten seine Hände. Nun wollte er nur noch heim und sich einen Beruhigungsschnaps gönnen. Er zwang sich zur Lässigkeit, als er in seine Straße einbog und sich seinem Haus und dem beunruhigenden Blaulicht näherte. Aber jetzt konnten ihm die Bullen nichts mehr. Er wusste, er war nicht gesehen worden und Schmuck hatte er auch keinen mehr dabei.

Erst wenige Meter vor dem Haus stellte er fest, dass das blaue Licht nicht ein Polizeiwagen, sondern ein überlebensgroßer Schneemann im Garten des Nachbarn ausstrahlte.

„Wie findest du meine neuste Errungenschaft?“, fragte dieser ihn beim Aussteigen und grinste.

„Sollten Schneemänner nicht weiß sein?“, knurrte Harald. Diese blöde Weihnachtsdeko hatte ihn einen lukrativen Bruch gekostet.

„Ach, das wäre doch langweilig“, scherzte der Nachbar und Harald verschwand schnell ins Haus, ehe der Drang, diesen zu erwürgen, zu groß wurde.

Dort goss er sich einen Schnaps ein und direkt einen zweiten hinterher. Das brauchte er jetzt.

Da klingelte es an der Tür. War das etwa noch einmal der Nachbar? Der sollte was erleben.

Doch vor seiner Tür standen zwei uniformierte Polizisten, hinter sich ein Polizeifahrzeug, ganz ohne Blaulicht.

„Harald Krieger?“, fragte der erste.

„Richtig.“ Harald schluckte hart. Was wollten die denn jetzt hier? Es gab doch nichts mehr, was sie ihm noch zur Last legen konnten.

„Dürften wir reinkommen? Sie wurden gesehen, wie Sie in ein Juweliergeschäft eingebrochen sind und dort Schmuck einräumten. Wir haben ja schon viel erlebt, aber das müssen Sie uns erklären.“

Harald schluckte erneut. Jetzt war er dran – und das nur wegen eines blauen Schneemanns. Er hasste Weihnachten.

Mehr über Rebecca Schneebeli erfahrt ihr auf der Webseite der Mörderischen Schwestern:  https://www.moerderische-schwestern.eu/wer-wir-sind/autorinnen/s/rebecca-schneebeli/

Adventskalender MiniKrimi am 7. Dezember


Habt Ihr den Nikolaustag gut verbracht? Ich hoffe, es war so viel los bei euch, dass Ihr die Fortsetzung von Cop Orange nicht vermisst habt. Übrigens: was hat es mit dem Titel auf sich, warum steht da „orange“?

Gestern war „Kind“ angesagt. Wir hatten viel Gemeinsamzeit, und dann habe ich ihn mit zum Flughafen begleitet. Das erste Mal so weit und so lange weg von allen und allem. Ich hoffe, er hat sehr viele sehr schöne Erlebnisse und Momente und kommt erfüllt zurück.

Aber jetzt geht*s weiter mit

Cop Orange

Leise vor sich hin schimpfend steigt Arne aus. „Machen Sie mal den Kofferraum auf!“ „Was? Wieso? Was soll denn…“ Die Beamtin zückt ihr Mobiltelefon und schickt sich an, eine Nummer zu wählen.


„Jaja, Moment.“ Mit klammen Fingern drückt Arne auf die Fernbedienung. Der Kofferraumdeckel hebt sich. „Was haben wir denn da? Was ist in dem Aktenkoffer?“

„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht!“ Arne wird plötzlich kämpferisch. Vielleicht liegt es am Alkohol, vielleicht an der Kälte. Vielleicht ist er auch einfach müde und hat die Situation satt. „In einer Verkehrskontrolle entscheidet die Polizei, was sie etwas angeht und was nicht“, belehrt in die Beamtin. Sie ist nicht mal unfreundlich. Schade, dass er ihr Gesicht nicht erkennen kann. Bleibt sie absichtlich im Schatten?

„Aufmachen!“ befiehlt sie jetzt, „na los, wird’s bald!“ Arne beugt sich in den Wagen und nestelt am Verschluss des Koffers. Da trifft ihn ein harter Schlag auf den Kopf. Er verliert das Bewusstsein.

3 Stunden später.

Polizeinspektion Frankfurt Seckbach. Arne ist verzweifelt.

„Glauben Sie mir nicht, oder was? Sie werden ja wohl nicht denken, dass ich mir selbst mit einer Flasche Glühwein auf den Kopf gehauen habe. Ich sage doch, das war eine Kollegin von Ihnen. Sie hatte so eine Kelle für die Verkehrskontrollen. Und sie hatte eine Polizeimütze auf. Nein, ich sag Ihnen doch, sie war die ganze Zeit im Dunkeln, ich konnte das Gesicht nicht sehen. Nein, keine Ahnung, wie sie hieß. So, wie die drauf war, wollte ich sie bestimmt nicht nach ihrem Namen fragen.

Wie – heute gab es in Seckbach gar keine Verkehrskontrolle? Sie meinen wohl, ich hab‘ das geträumt? Und wer hat mir dann die Tageseinnahmen aus dem Koffer geklaut? Ja, schon klar, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus…

Was soll ich machen? Eine Anzeige gegen Unbekannt? Ich weiß, was ich mache. Ich gehe an die Presse. Das mache ich! Was? Das wollen wir ja mal sehen, ob die mir nicht glauben. Ich bin sicher, die Zeitung mit den vier Großbuchstaben interessiert sich dafür!“

Flughafen Rhein-Main. Zwei Frauen Mitte Dreißig, die eine, Sina, hat kurze braune Haare, die andere, Susi, lange blonde. Sie haben die Sicherheitskontrolle passiert und steigen jetzt in ihren Flieger nach Bangkok.

Sina: „Ich kann’s noch gar nicht fassen, Susi. Es hat geklappt! Wir sind FREI!“

Susi: „Wahnsinn, geht mir genauso. Hast du ‘ne Ahnung, wieviel Schiss ich hatte, als ich den Typen angehalten habe? Ich dachte, der checkt das sofort, gibt Vollgas und fährt mich über den Haufen!“

Sina: „Dein Plan war perfekt. Alles bis ins kleinste Detail vorbereitet, und dann nur noch auf den richtigen Augenblick gewartet. Aber als du mich dann angerufen und gesagt hast, dass es losgeht, da war mir plötzlich komplett komisch. Plötzlich wusste ich nicht mehr, wo Patrick die Kelle hingelegt hatte.“

Susi; „Ich habe Gernots Mütze auch beinahe nicht gefunden. Er setzt sie ja praktisch nie auf, aber ich musste so lange suchen, ich dachte, ich schaffe es nicht mehr, bei dir die Kelle zu holen und rechtzeitig in Seckbach zu sein. Und dann musste ich noch ‘ne Stunde warten, bis der Typ endlich aufgekreuzt ist. Meinst du, unsere Männer checken, dass ihnen eine Kelle und eine Mütze fehlen und dass wir die geklaut und bei einem Überfall benutzt haben?“

Sina: „Keine Ahnung. Eher nicht. Dazu sind sie zu sehr von sich eingenommen. Egal. Wir haben‘s hinter uns. Ab jetzt ist entspannen angesagt. Und chillen. Und Party. Vielleicht.“

Susi: „Vielleicht. Aber diesmal passen wir genau auf, um nicht wieder an Typen wie unsere Ehemänner zu geraten. Wenn mich nochmal ein Mann anfasst – frühestens, wenn die letzten blauen Flecken, die Gernot mir verpasst hat, unter der Bräune verschwunden sind -dann nur, um mich zu streicheln. Sonst verpass ich ihm gleich eine, dass er weiß: diese Frau wird nicht misshandelt.“

Sina: „Jetzt hast du ja Übung darin, ’nem Mann einen überzuziehen. Damit hättest du viel früher anfangen müssen.“

Willkommen an Bord des Lufthansa Flugs 772 nach Bangkok. Ich bin Ihr Kapitän, mein Name ist Luisa Wolf, tönt es aus dem Lautsprecher.

Sina: „Eine Pilotin. Unser zweites Leben fängt supergut an.“

Frankfurt Höchst. Zwei Männer sitzen in einem Wohnzimmer, vor sich zwei Flaschen Henninger Bier. Sie schauen sich immer wieder an und schütteln die Köpfe. Ratlos.

Gernot: „Was machen wir jetzt? Meinst du, der Überfall auf den Typen hat was damit zu tun, dass wir am Nachmittag genau bei dem Juwelier waren wegen dem Ladendiebstahl?“

Patrick: „Kann ich mir gar nicht vorstellen. Woher sollte die Frau mit der falschen Verkehrskontrolle denn wissen, dass wir dem Filialleiter geraten hatten, die Tageseinnahmen mitzunehmen?“

Gernot: „Und dass die wie ‘ne Polizistin aussah? Ist das etwa auch Zufall?“

Patrick: „Was sonst?“

Gernot: „Mein Handy ist manipuliert worden. Vielleicht hat jemand alles mitgehört.“

Patrick: „Du schaust zuviel CSI.“

Gernot: „Und wo sind unsere Frauen? Hast du mal nachgeschaut, ob deine Ausrüstung komplett ist? Bei mir fehlt die Mütze.“

Patrick: „Du meinst, Sina und Susi? Die sind doch viel zu blöd für sowas. Außerdem haben wir die doch extra ins Wellness Wochenende in den Taunus geschickt, damit wir in Ruhe pokern können. Ich hoffe, du hast genug Geld dabei!“

Gernot: „Als mir das letzte Mal die Hand ausgerutscht ist, hat Susi gesagt: das machst du nie wieder. Oder ich mach dich fertig. Vielleicht stecken die zwei wirklich dahinter. Und was machen wir dann?“

Patrick: „Nichts! Oder willst du deinen Beamtenstatus und den Job verlieren? Wenn sie die Kelle und die Mütze jemals finden, können wir immer noch sagen, dass sie uns gestohlen wurden. Aber so dumm sind die Mädels sicher nicht. Wir haben sie einfach die ganze Zeit unterschätzt. Vor dem Typen brauchen wir keine Angst zu haben. Dem glaubt eh keiner. Und das geklaute Geld? Der hat bestimmt ‘ne top Versicherung. Nee, nee, wir halten schön still. Aber was machen wir mit Sina und Susi, wenn sie aus dem Urlaub zurückkommen?“

Gernot: „Zurückkommen? Du glaubst wohl noch an den Weihnachtsmann? Sieh*s mal positiv. Keine Scheidung, keine Verluste. Sollen die zwei mit dem Geld glücklich werden, solange es geht. Das sind eh die klassischen Opfer. Die haben in null Komma nix wieder den nächsten Herrn und Meister an der Backe.“

Wenn er sich da mal nicht täuscht.

Der SMS-Adventskrimi. 6. Dezember: Eingesackt.


„Wie süß! Der Chef schickt uns nen Nikolaus in den Laden! Hallo, lieber Nikolaus!“

Behäbig schiebt sich der dicke Mann in den Juwelierladen, die Glöckchen an seinem Stab bimmeln mit der Tür um die Wette.

„Hohoho….wart ihr auch alle brav?“

„Klar doch, wir haben heute ganz besonders viel Umsatz gemacht. Muss ja was rein in die Socken der Liebsten.“

„Schön schön schön. Dann macht mal schnell die Kasse auf – und rein in den Sack mit den Moneten. Und die ganzen Klunker hier noch dazu.“

Der Nikolaus leert seinen Sack auf den Boden – heraus purzeln Nüsse und Äpfel – und verleiht seinen Worten mit einer Beretta 92 FS Nachdruck.

„Haltet den Dieb! Stoppt den Nikolaus!“ Doch keiner nimmt die Rufe ernst. Am wenigstens die zwei, drei Dutzend Nikoläuse, die sich, schwer bepackt, auf der Fußgängerzone tummeln.