AdventsKalender MiniKrimi vom 11. Dezember


Minolta DSC

TrashCrash auf der Brücke

Mitternacht. Die Brücke leuchtet gespenstisch im Scheinwerferlicht. „Scheiße, hoffentlich ist die Ampel an der Baustelle grün, sonst steh ich hier ewig.“ Nein, die Ampel ist nicht grün, sie ist aus. Aber das Schild am Straßenrand gibt ihm „Vorrang vor dem Gegenverkehr“. Mit 100 Sachen fährt der BMW-Fahrer weiter. Auf der anderen Seite der Brücke stoppt der Audifahrer kurz, aber die Ampel an der Baustelle ist abgeschaltet. Stattdessen gibt ihm ein Schild am Straßenrand „Vorrang vor dem Gegenverkehr“. Er fährt weiter. Gleichzeitig sehen beide gleißend helle Scheinwerfer auf sich zukommen. Vollbremsung, quietschende Reifen. In allerletzter Sekunde kommen beide Autos auf der Brückenmitte zum Stehen. Türen werden aufgerissen. „Sie Vollidiot“ „Sie Analphabet!“ „Wollten Sie mich umbringen?“ „Ich Sie? Sie mich!“ Wutentbrannt holt der BMW-Fahrer aus und stößt den Audifahrer vor die Brust. Der wehrt sich und schlägt ihm mit der flachen Hand die Brille von der Nase. Sie fliegt in hohem Bogen über das provisorische Brückengeländer. „Du Arschloch, Du…..“ Der BMW-Fahrer stürzt sich mit erhobenen Fäusten auf seinen Gegner. Die Männer sind gleich stark und durchtrainiert. Der Kampf tobt hin und her. Schließlich springt der Audifahrer auf das Dach des BMW und fängt an, wie wild darauf herum zu trampeln.Daraufhin holt der BMW-Fahrer den Wagenheber aus dem Kofferraum und zertrümmert die Windschutzscheibe des Audi. Glassplitter wirbeln wie Hagelkörner im Scheinwerferlicht. Der Audifahrer auf dem BMW-Dach nimmt kurz Anlauf, um dem Feind in den Nacken zu springen. Aber er verfehlt sein Ziel und kracht gegen das Brückengeländer – wir erinnern uns, es ist provisorisch. Er versucht noch, das Gleichgewicht wiederzugewinnen, aber der BMW-Fahrer ist schon zur Stelle, holt aus und befördert ihn mit einem kräftigen Fußtritt in die Tiefe. Leider hat auch er seine Kraft nicht genau bemessen. Der Schwung reißt ihn nach vorne, und kopfüber fällt auch er in den Fluss.

Am Ende der Brücke hört die schwarz gekleidete Gestalt zweimal kurz hintereinander ein Aufklatschen auf dem Wasser. „Sauber“, sagt er und räumt bedächtig die beiden „Vorrang vor dem Gegenverkehr“-Schilder in den Kofferraum seines VW-Busses. Am nächsten Tag berichten die Medien vom tragischen Unfall des Unternehmers K. und des Bankdirektors P. Beide waren unlängst schon mal in die Schlagzeilen geraten, der eine wegen skrupellosen Entlassungen und der andere, weil er den entlassenen Mitarbeitern Übergangskredite verwehrt hatte.

(Vielen Dank an Olga Maria Eggart für die Kooperation!)

Mein Kampf


Das Gedächtnis meiner Mutter ist wie ein Aprilhimmel. Oder ein Junihimmel. In diesem Jahr. Sie lehnt in der Tür, so klein und faltig in Gesicht und Hosen. Der Rückzug ist nicht nur innerlich. Auch dem draußen entzieht sie sich immer mehr, in einem globalen Schrumpfungsprozess. Vergessen das Drama vor einer Stunde. Worum ging es noch? Medikamente? Das Auto? Der Hund? Sie schaut mich an. Sagt: „Weißt du, wenn ich in deiner Situation wäre und meine Mutter hätte diese Krankheit (sie vermeidet den Namen, umgeht und umschreibt ihn, schützt Vergessen vor, wobei dies vielleicht ihr letztes erinnertes Wort sein wird, so, wie ich sie kenne), dann würde ich Mitleid mit ihr haben. Ich würde sie bewundern dafür, wie stark sie ist, wie sie um ihre Unabhängigkeit kämpft! Aber du….“ Weiterlesen „Mein Kampf“

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