MiniKrimi Traumgespinst


Ich möchte vorausschicken, dass dieser MiniKrimi einzig meiner Fantasie entspringt und jede Ähnlichkeit zu real existierenden Personen rein zufälliger Natur ist!

Spannende Caption: ich habe bewusst die WordPress-eigene KI für das Beitragsbild genutzt – und jede Ähnlichkeit von Big D mit bekannten Menschen wurde „vorauseilend“ minimiert. Es brauchte 6 Versuche, um zumindest das aktuelle Bild zu kreieren…..

Leider (?) nur ein Traum

Mal ehrlich, meine Herren – Jungs? Wovon habt ihr geträumt, nachts, in eurer Pubertät? Was hat euch angefixt, unter der Bettdecke, so mit 15? Der Bravo Starschnitt von Suzy Quatro? Jeanne Moreau in Jules et Jim? Oder doch Sophia Loren mit „tu vuoi fa l’americano“?

Big D hatte als 15-Jähriger nur einen Traum. Nacht für Nacht. In seinem schmalen Bunkerbett in der NYMA träumte er nicht von seinem Elternhaus oder seiner Schule in Queens, die ihn wegen „Verhaltensproblemen“ vor die Tür gesetzt hatte. Nein. Er sah sich in einem nur von Kerzen erleuchteten Saal, umringt von einer Schar glühender Anhänger in Smoking und Abendkleidern, die alle gekommen waren, um seinen Geburtstag zu feiern. Als Höhepunkt – im wörtlichen Sinn – wurde dann eine riesige Torte hereingeschoben, so eine wie in Singing in the rain, und heraus sprang: Marilyn Monroe. Sie schmiegte sich an ihn und hauchte verführerisch „Happy Birthday, Mister President“.

Dieses Bild verfolgte den ebenso unglücklichen wie missglückten Jungen durch seine gesamte – wir müssen ehrlich sein – nicht sonderlich erfolgreiche Schulkarriere – und weit darüber hinaus.

Big D – der damals noch nicht so genannt wurde, wobei das erstaunlich ist, weil sein Ego eigentlich schon immer mindestens so groß war wie seine Selbstüberschätzung – wusste genau: Um in den USA ganz nach oben zu kommen, brauchst du vor allem Geld. Und Beziehungen. Aber die erkaufst du dir am einfachsten mit – Geld. Also setzte der junge Mann alles daran, das familieneigene Immobilienunternehmen zu einem Imperium auszubauen. Weil er einerseits sehr risikofreudig und andererseits von keinerlei ethischen Skrupeln geplagt war, gelang ihm das eine ganze Zeit lang ziemlich gut. Denn während andere in seinem Alter Sportwagen sammelten, Yachten oder Freundinnen, galt seine Sammelleidenschaft vor allem einer „Sache“: der Macht. Er wurde reicher, er wurde bekannter. Und in dem Maß, in dem sein Einfluss auf die Finanz- und Wirtschaftswelt wuchs, wuchs auch die Zahl der Menschen, die ihn nicht mochten, verachteten, hassten.

Aber „D“ hatte sich aus dem Geschichtsunterricht genug gemerkt, um zu wissen, dass mit Anerkennung und Berühmtheit auch viel Missgunst einhergeht. Viel Ruhm, viel Neid – ihr kennt den Spruch. Gleichzeitig war D fest entschlossen, nicht solch kapitale Fehler zu begehen wie einige seiner Vorgänger, etwa Julius Caesar oder Napoleon. Nein. Er war nicht nur vorsichtig – er verstand es, sich mit einer mehrschichtigen getreuen Phalanx zu umgeben, die über ihn und seine Schritte und Tritte wachte.

Den engsten Kreis bildeten dabei Leute, die ihn nicht unbedingt mochten oder seine Meinungen teilten, die aber von ihm unmittelbar und in großem Ausmaß profitierten. Das waren seine treuen Opportunisten.

Dann gab es solche, die an gar nichts glaubten und niemanden mochten, außer eine sehr gute Bezahlung. Das waren seine Bodyguards.

Und dann gab es eine riesige und kontinuierlich wachsende Schar von Menschen, die an seinen Lippen hingen und jedes seiner Worte für bare Münze nahmen, oder es je zu hinterfragen – oder hinterfragen zu können. Denn diese Menschen waren schlicht oder, genauer gesagt, dumm. Sie glaubten seinen Versprechungen eines goldenen Zeitalters, in dem ihnen die gebratenen Tauben in den Mund fliegen und all ihre Widersacher tot umfallen würden. Ein Beispiel: während der Corona-Pandemie erklärte D öffentlich, statt sich mit einem hochgefährlichen und bislang an nur wenigen Millionen Menschen erprobten Vaccin impfen zu lassen, genüge es, einfach Desinfektionsmittel in großen Mengen zu trinken. Ich bin ja der Meinung, das war für ihn sowas wie eine Generalprobe dafür, wie weit er mit der Loyalität seiner Anhänger*innen rechnen konnte. Die Antwort war beeindruckend: tatsächlich bis zum Tod!

Aber ich schweife ab. D, inzwischen von seinen „Freunden“ „The D“ genannt, hatte natürlich nicht nur Erfolge. Im Gegenteil: seine Methode führte zwangsläufig dazu, dass seine geschäftlichen Kartenhäuser zusammenbrachen. Immer und immer wieder. Denn auch die treuesten Gefolgsleute der Kategorie 1 – engste Vertraute und Geschäftspartner – ließen sich nicht auf ewig hinhalten oder sogar verprellen. Und weil The D nur seinen eigenen Profit im Kopf hatte, gingen sie letztendlich leer aus. Und versuchten, es ihm heimzuzahlen.

Doch er schaffte es immer wieder, wie ein Phönix mit neuem Glanz aus der Asche seiner Pleiten aufzuerstehen. Größer und erfolgreicher als zuvor. Denn bei allem Auf und Ab verlor er sein großes Ziel nie aus den Augen. Ihr erinnert euch. Die Torte! Marilyn! Gut, die war inzwischen austauschbar, weil unerreichbar. Aber Blondinen gab und gibt es ja genug. Echte und nicht so Echte.  Bei der Auswahl bediente D sich im Laufe der Jahre natürlich ausgiebig. Sein Herz aber verlor er nie, so viele andere er auch brach. Nicht einmal als Penny, eine süße und äußerst talentierte Musical-Sängerin, sich von seinem D-Tower in den Tod stürzte, spürte er dort, wo bei anderen die Gefühle sitzen, den geringsten Stich. Penny hatte ihre Karriere hingeworfen, um sich ganz und gar ihrem Mentor D zu widmen, nur, um kurz darauf durch eine Fox-News-Journalistin ersetzt zu werden. Die behielt er auch nicht lange, und die Reihe seiner Exxen soll, so sagen sie, so lang sein wie die Panamerikana (immerhin 30 Tsd. Km!).

The D scherte sich nicht um die wachsende Schar der Leute, die ihn hassten. Dank seiner Phalanx fühlte er sich unbesiegbar. Das hatten allerdings auch Caesar & Co. von sich geglaubt.

Und so kam es, wie es kommen musste. Big D, wie er inzwischen von Fans und Gegnern genannt wurde, erkletterte alle Stufen der Macht. Und stand irgendwann ganz oben. Unter seinen Füßen das Volk. Um ihn herum die aktuellen Opportunisten. Und draußen, jenseits eines großen Zaunes, all jene, die sich immer noch fragten, wie er es hatte soweit bringen können. Wie sie es soweit hatten kommen lassen.

Und jetzt, endlich, war es soweit. Big D war wieder 15. Er stand in einem nur von Kerzen erleuchteten Saal, umringt von einer Schar glühender Anhänger in Smoking und Abendkleidern, die alle gekommen waren, um seinen Geburtstag zu feiern. Als Höhepunkt wurde kurz vor Mitternacht eine riesige Torte hereingeschoben, eine genaue Replique von der aus Singing in the rain. Trommelwirbel, dann: Stille. Allenthalben „Ah“ und „oh“! Der Deckel der Gigantentorte wurde von zwei schlanken Armen hochgehoben, und eine langbeinige Blondine entstieg dem kunstvollen Gebäck. Wie lange hatte Big D diesem Moment entgegengefiebert. Wie lange hatte er nach ihr gesucht und sie endlich gefunden. Die Verkörperung all seiner Träume. Stella, blutjung und nur in zarten Tüll gehüllt. „Happy Birthday, Mister President“, hauchte sie. Bückte sich kurz und stand dann in ihrer ganzen Schönheit vor ihm und den Gästen. In den Händen allerdings kein Mikrofon, sondern eine geladene Kalaschnikow. „Fare well now, Mister President“, hauchte sie, immer noch zärtlich. Und schoss. Eine Runde und dann noch eine. Und noch eine.

Tja – statt Singing in the rain hatte sie sich ganz offensichtlich die Schlüsselszene von Some like it hot zum Vorbild genommen.

Bevor sie von den ihr längst treu ergebenen Bodyguards nach draußen geleitet wurde, stupste sie den am Boden liegenden Big D mit der Spitze ihrer Silbersandalette an und sagte noch: „Mit liebsten Grüßen aus dem Jenseits von meiner Mutter Penny. Fahr zur Hölle.“

Adventskalender Minikrimi vom 15. Dezember


Foto: Kirahoffmann

Ein Hauch von Marilyn

Ihr Bruder war schon immer ein großer Marilyn Monroe Fan gewesen. 1962 hatte er als 12jähriger in der Wochenschau gesehen, wie die amerikanische Skandalschönheit „Happy birthday, Mr. President“ ins Mikrophon gehaucht hatte. Seither bevölkerte Marilyn alle Träume des Teenagers, und auch als Erwachsener war es Bernhard nie gelungen, sich ganz von seinem Idol zu lösen. Er besaß unzählige Bildbände über sie, sammelte Artikel und TV-Beiträge. Selbstverständlich standen in seiner Bibliothek auch all ihre Filme. Als Fotograf hatte er immer wieder Models in die Verzweiflung getrieben, weil er sie als Marilyn-Double in erotischen Posen porträtiert hatte.  Drei Ehen waren an seiner „Marilynitis“, wie seine Schwester Dorothea die Verehrung nannte, gescheitert. 

Aber dann war Rosi gekommen. Eine dralle Brünette ohne ausgeprägte Persönlichkeit, aber mit viel Geld und der Fähigkeit leidenschaftlicher Hingabe. Sie hatten sich an der Rennbahn kennengelernt, wo Bernhard, schon ziemlich abgebrannt, darauf lauerte, ein paar Paparazzi-Fotos von zufällig auftauchenden Promis zu machen. Rosi hatte ihren Vater begleitet, um das erste Rennen seines neuesten Pferdes 007 zu sehen.  Es waren die „wilden Siebziger“. Rosi verliebte sich auf den ersten Blick in Bernhard, zog ihn in das nächste Gebüsch hinter den Stallungen – und damit war seine Zukunft besiegelt. 

Rosis Vater knüpfte nur zwei Bedingungen daran, seine minderjährige Tochter in die Hände oder besser die Arme des guten, aber nicht sonderlich erfolgreichen Fotografen zu geben: erstens musste Bernhard fortan alle anfallenden Fotoarbeiten für die Baufirma Herbert Huber übernehmen – kostenfrei! Zweitens durfte er Rosi nie betrügen. 

Die zweite Bedingung bereitete Bernhard anfangs Kopfzerbrechen. Denn einem Künstler wie ihm wurde auf Dauer sogar ein Leben im Luxus zu langweilig. Aber Rosi liebte ihn heiß und innig, und da sie keinen anderen Lebensinhalt hatte, tat sie alles, um ihrem Bernhard zu gefallen. Er ließ ihr Haar wasserstoffblond färben, züchtete ihr soweit es ging eine Marilyn-Figur an und ersteigerte sogar ein paar Original Monroe-Kleider. Hier gebot der Schwiegervater, der immer noch die Hand auf dem Vermögen der Tochter hatte. allerdings schnell Einhalt.

So lebten Bernhard und Rosi ein trautes Leben zu zweit, oder eigentlich zu dritt. Sie gab für ihn die Marilyn, und er für sie den Ehemann. Eigentlich, dachte Dorothea, hatten die beiden sich redlich verdient.

Leider starb Rosi unvermittelt und unerwartet, nachdem sie um 1 Uhr nachts, mit einer Flasche Champagner in der Hand, in 10 cm High-Heels auf dem Garagendach balanciert war. Nicht aus Übermut, sondern für Bernhards neuestes Fotoprojekt. Mit 55 und Arthrose in den Beinen hatte sie sich nicht gut genug aufrecht halten können.

Sicher hätte Herbert Huber Bernhard daraufhin stante pede enterbt. Er war jedoch kurz vor seiner Tochter gestorben, und so war Bernhard mit 65 Alleinerbe eines zwar nicht atemberaubenden, jedoch so umfangreichen Vermögens, dass er einem genussvollen Lebensabend entgegenträumen konnte. Und auch für Dorothea waren himmlische Zeiten angebrochen. Ihr Bruder lud sie ein, zu ihm in die geräumige Villa am Starnberger See zu ziehen. Aus Dankbarkeit kümmerte sie sich um den Haushalt, das heißt sie achtete darauf, dass die Angestellte alle Arbeiten zu ihrer Zufriedenheit erledigt, und fuhr einmal die Woche nach München, um bei Dallmayr und Käfer das Nötige einzukaufen. Natürlich wären Filet Wellington, Kaviar, Champagner & Co. auch angeliefert worden. Aber Dorothea genoss die Fahrten in Rosis Jaguar XJ 220, einer Sonderanfertigung in metallic-beige. Und sie fuhr bei solchen Gelegenheiten auch gerne bei ihren Freundinnen vor, um mit ihnen ein Käfer-Törtchen und eine Tasse Dallmayr Kaffee zu teilen. Dorothea, die nach einem Leben als Arbeitsvermittlerin für Künstler keine üppige Rente erhalten hatte, war überglücklich. Die Marilyn-Leidenschaft ihres Bruders störte sie nicht, im Gegenteil. Sie genoss die ruhigen Stunden, während er sich im Atelier Filme, Fotos oder was auch immer ansah.

Doch dann kam die Wende. Danica, die treue Haushaltsperle, brach sich den Arm. Pflichtbewusst, wie sie war, schickte sie ihre Nichte Dajana als Ersatz. Dajana war 20, hatte hellblond gefärbte Haare und eine nostalgische 90-60-90 Figur. Nach ihrem ersten Arbeitstag brannte Bernhard bereits lichterloh. Nach einem Monat eröffnete er Dorothea, dass er Dajana heiraten wollte. Die Verlobung sollte an seinem 67.Geburstag stattfinden. Denn Dajana, so erklärte er seiner Schwester, sei streng katholisch, und ein gemeinsames Leben müsse mit dem Heiligen Bund der Ehe besiegelt werden. Ohne Gütertrennung, ergänzte Dorothea bitter, denn sie hatte Dajanas Zielstrebigkeit schnell erkannt. Auch hegte sie keinen Zweifel daran, dass das „junge Glück“ seine Liebe ungestört genießen wollte. Für sie wäre da kein noch so kleines Plätzchen geblieben.

Dorothea überlegte, plante und verwarft. Mit dem Jaguar in den Starberger See fahren? Einen wunderschönen jungen Gärtner einstellen und sich mit der Kamera auf die Lauer legen? Schließlich entschied sie sich dafür, Bernhard zum Geburtstag mit einer echten „Marilyn-Torte“ zu überraschen.

Sie kannte eine Tortenmacherin, die in der Lage war, ein wunderbares, riesengroßes und dabei äußerst schmackhaftes Gebäck herzustellen, das zudem noch Dorotheas besonderen Anforderung entsprach. Drei Etagen, feinster Biskuit, Sahnefüllungen mit exotischen Früchten, weiße Schokolade, Nougat, Baiser – nur das Beste vom Besten. Einfach unwiderstehlich.

Ein etwas tieferer Griff in Rosis Portokasse, und die Torte war verbindlich bestellt. Pünktlich am Morgen von Bernhards Geburtstag brachte die Tortenmacherin das Kunstwerk wie besprochen zum Hintereingang der Villa. Das Geburtstagskind schlummerte noch tief – wahrscheinlich träumte ihr Bruder von seiner rosigen Zukunft mit Dajana, dachte Dorothea und schmunzelte über ihre Wortwahl.

Ab 20 Uhr kamen die Gäste, und kurz vor Mitternacht endlich die Torte. Dorothea hatte alle Sicherungen persönlich ausgeschaltet. Der offene Wohnbereich wurde ausschließlich von unzähligen Wunderkerzen erleuchtet, die um die Torte herum flimmerten. „Ah“s und Oh“s von allen Seiten. Dajana, festlich glitzernd in einer von Rosis Brillantketten, dachte, die Torte sei Teil von Bernhards Verlobungsüberraschung. Aber nein. „Happy Birthday, Mr. President“ hauchte es plötzlich aus dem Innern des Gebäcks. Und aus der Torte stieg Marilyn höchstselbst, eingehüllt in ein hautfarbenes Nichts, übersäht mit 2500 Glassteinen. Natürlich war es nicht die echte Monroe, aber sie sah ihr so verblüffend ähnlich, dass alle Gäste berauscht, begeistert, betäubt den Atem anhielten. Am längsten Bernhard. Er hatte den ganzen Abend getrunken, und als er die Vision seiner Kindertage leibhaftig auf sich zugerollt kommen sah, war die Euphorie grenzenlos. So groß, dass sein Herz stehenblieb.

Der eilends herbeigerufene Arzt konnte nur noch den Tod durch Herzversagen feststellen. Und das, bevor Bernhard die Möglichkeit gehabt hatte, seine letzte Marilyn zu heiraten oder sie auch nur zur Alleinerbin einzusetzen. Selbst wenn Dajana auf einer Obduktion bestehen und man Barbiturate in Bernhards Blut finden sollte – bis tatsächlich über Mord spekuliert wurde, würden ganz sich, wie bei der echten Monroe, viele Jahrzehnte vergehen. 

Dorothea als seine einzige lebende Verwandte hatte vor, diese so ausgiebig wie möglich zu nutzen.