MiniKrimi Adventskalender am 6. Dezember


Lasst uns froh und munter sein

„Ah, der Herr Bischof. So früh schon unterwegs?“ Es ist sieben Uhr morgens, und auf dem Domberg kauern noch die Schatten der Nacht, durchbrochen nur von den glitzernden Lichtern am riesigen Weihnachtsbaum und ein paar späten Sternen. Ganz hinten, dort, wo der Fluss den Himmel berührt, färbt erstes Morgenrot die Wiesen. Es ist ein idyllisches Bild, und der Bischof bleibt stehen, saugt die klare Winterluft tief ein und mit ihr den Frieden, der über seiner Stadt zu liegen scheint. Aber wie so oft, trügt der Schein auch hier.

Der Skandal um Missbrauch und sexualisierte Gewalt hat auch die Domstadt erreicht. Weniger heftig und weniger laut, als einige es befürchtet und etliche es sich erhofft hatten. Und gottlob liegen die „Fälle“, um die es geht, schon Jahrzehnte zurück. Fälle – das Wort nimmt der Bischof nie in den Mund, zum Kummer seiner Kollegen, Dekane und Priester. Für ihn sind es Schicksale. Jedes besonders, jedes tragisch, jedes so ganz aus der vorgezeichneten Lebensbahn geworfen durch die Hand eines Kirchendieners. Der Bischof mag auch nicht unterscheiden zwischen Priestern und Leitern von Chor und Jungschar. Welche Bedeutung hat es für die Betroffenen, ob es ein geistlicher, ein haupt- oder ehrenamtlicher Missbrauch war, dessen Opfer sie wurden? Für die Kirche wäre es vielleicht schon wichtig, darzulegen, dass viele der Täter keine Geistlichen waren, sondern Mitarbeiter der Kirche. Aber ganz ehrlich? Für den Bischof macht das keinen Unterschied. So oder so hat Kirche versagt. Gegenüber ihren Schutzbefohlenen und gegenüber ihren ureigenen Inhalten.

Auch dass über Jahre, Jahrzehnte hinweg die Gemeindemitglieder selbst Augen und Münder verschlossen haben, mindert die Verantwortung der Kirche nicht. Der einzige Weg durch dieses Tal der Schuld ist steinig und steil und heißt lückenlose Aufarbeitung. Der Bischof ist jung, gerade mal Mitte Vierzig. Deshalb wurde er für den Vorsitz der Kommission ausgewählt. Und deshalb verweigern ihm seine durchweg älteren Kollegen den Respekt, kritisieren seine Entscheidung zu völliger Transparenz, nicht nur gegenüber den Betroffenen, sondern auch in den Medien. Ein nie wiedergutzumachender Schaden, ein unauslöschlicher Makel unserer Institution, mit diesem mahnenden Ruf sind sie bis nach Rom gegangen. Und mit leeren Händen zurückgekehrt. Der Bischof weiß genau, dass sie seitdem nach anderen Möglichkeiten trachten, ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Er ist sich keineswegs sicher, ob und wann dieses Trachten von Erfolg gekrönt sein wird. Auch darin hat die Kirche eine große Tradition.

Aber auch, wenn er kein Cesare Borgia ist – Vorsicht kann nicht schaden. Deshalb ist der Bischof heute schon in aller Herrgottsfrühe auf den Beinen, um die Vorbereitungen für seinen Auftritt als Nikolaus, Bischof von Myra, heute Abend zu überwachen. Den Aufbau des Podests, von wo aus er ein paar Worte an die Menschen richten wird – er hat nicht vor, durch eine angesägte Latte zwei Meter auf Kopfsteinpflaster zu stürzen. Die Bereitstellung des Schlittens – mit Rollen, denn bislang hat es noch nicht geschneit, und die für den Abend vorhergesagten Flöckchen würden höchstens für einen malerischen Flaum auf seiner Tiara sorgen und nicht als Unterlage für die Kufen ausreichen. Und dann die mittelalterlich gestalteten Buden, an denen Met und Wuchteln, Früchtepunsch, Maroni und Grillfackeln verkauft werden – alles für einen guten Zweck, nämlich die Jugendarbeit in der Diözese. Es wäre nicht nur tragisch, sondern eine Katstrophe, wenn ein Dach einstürzen, ein Grill explodieren oder die Halterung eines Metkessels umkippen würde.

Damit wären dann gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe erschlagen, für seine Gegner, weiß der Bischof. Er wäre eliminiert – vom Dom, von seinem Posten als Vorsitzender der Aufarbeitungskommission und, im schlimmsten oder besten Fall, je nach Ansicht des Betrachters, von dieser Welt. Die von ihm dank seines Charismas aufgebaute Familien- und Jugendarbeit, geprägt von Offenheit, Gemeinschaft von Männern und Frauen, egal ob cis oder non-binär, und Kindern, von Musik und Social Media Präsenz, bei der G*ott tatsächlich benannt und bedankt wird, diese Arbeit würde ohne ihn zusammenbrechen wie ein Kartenhaus. Und zeigen, dass es eben so nicht geht. Dass Kirche Hierarchien braucht, und die Kollegen wären schnell dabei, diese wieder hochzuziehen, eherne Mauern aus Respekt, Ohnmacht und Schweigen.

„Du bist paranoid“, sagt ihm Claus, sein Freund und Vertrauter, immer wieder. „Besser als ein Opfer“, antwortet der Bischof dann. Und fügt lautlos hinzu: schon wieder.

Jetzt geht die Sonne über dem Domberg auf. Ein strahlender Wintermorgen. Die Arbeiten auf dem Platz gehen gut voran, der Bischof wechselt hier und da ein Wort, trinkt einen Becher Kaffee. Dann kommt Dominika, eine seiner Jugendleiterinnen. Sie drehen ein TikTok Video über die Vorbereitungen und laden nochmal alle ein: „Heute Abend, 17 Uhr. Nikolaus, der Bischof von Myra, hat Geschenke für alle Kinder dabei. Es gibt genug zu essen, zu trinken, zu feiern und zu singen. Kommt alle. Wir freuen uns auf euch.“

Der Regionale Radiosender hat schon über das Nikolausfest am Domberg berichtet. Es ist das erste nach Corona, das erste, seit der neue Bischof da ist, und das allererste überhaupt in dieser freien Form. Es sind sogar evangelische und muslimische Jugendgruppen mit dabei!

Von einem Fenster im dritten Stock der fürstbischöflichen Residenz, die sich nahtlos an den Dom anschmiegt, betrachtet Bischof Richard missgünstig das bunte Treiben. Und fragt sich, wie schon so oft, wo und wann er den Weg dieses jungen Bischofs hätte umlenken könnten. Wie viel Ärger wäre der Kirche erspart geblieben. Wieviel Schmach! Aber wer hat schon ahnen können, dass dieser hübsche, sensible, stille Junge mit der silberhellen Stimme einmal so ein wort- und gedankenstarker Geistlicher werden würde. So ein gefährlicher Gegner! Er selbst hat ihm sogar noch den Weg gewiesen. Nicht nur zu Jesus, sondern auch ins Priesterseminar. Was für ein kardinaler Fehler! Nun, vielleicht ist es ja noch nicht zu spät, denkt Bischof Richard. Und schaut sich unwillkürlich nach Meta um, seiner mit ihm alt gewordenen Hauswirtschafterin. Und mehr. Die beiden verstehen sich nach über 40 Jahren ohne Worte. Sie schaut ihm stumm in die Augen. Und nickt unmerklich.

Und dann ist es Abend. Wie vorhergesagt, fallen weiche Flocken vom dunkelblauen Winterhimmel. Sie legen sich zart auf die Dächer der Hütten, das Kopfsteinpflaster und die Mützen und Locken der Menschen. So viele sind gekommen. Der Rauch von den Feuern, über denen Grillfackeln schmoren, steigt senkrecht auf und mischt sich mit dem Nelkenduft von Met und Punsch, mit dem süßen Geruch gebrannter Mandel. In der Mitte des Platzes lodert ein helles Feuer, oben auf dem Podest spielt die Band „Last Christmas“ und dann, auf ein Zeichen des Bischofs, „Lasst uns froh und munter sein“. Ein bunter Chor, alte Stimmen, junge, helle, tiefe stimmt ein, der ganze Platz bebt und lacht. Ja, Lacht. Vergessen ist für diesen Moment alles, was trennt. Den Domberg mit seiner geistigen, geistlichen Last, und die Menschen. Der Bischof lächelt. Dankbar.

„Und jetzt schaut mal, was ich euch mitgebracht habe“, ruft er, springt vom Podest und zum Schlitten voller Pakete und Päckchen. Im Handumdrehen ist er umringt von Händen, nackten, behandschuhten, schüchternen, greifenden. Er lacht und legt in jede Hand ein kleines Geschenk. So schnell ist der große Schlitten leer. Nur noch ein kleines Päckchen liegt auf dem rotsamtenen Kutschbock. Der Bischof nimmt es und geht hinüber zur Residenz am Rande des Platzes. Dort, vor dem Portal, stehen Bischof Richard und eine Handvoll seiner Kollegen und machen gute Miene zum bösen Spiel. „Hier, Exzellenz“, sagt er und reicht Richard das Päckchen. „Auch für Sie hat der Nikolaus etwas dabei. Sie waren so lange der Domherr hier. Nehmen Sie die Pralinen, Ich weiß, es ist ihre Lieblingssorte, Meta hat es mir verraten. Und seien Sie mir, Ihrem Nachfolger, nicht allzu böse dafür, wie ich die Geschäfte hier weiterführe. Geistlich und weltlich. Es ist Advent. Kommen Sie, machen auch wir uns auf den Weg.“

Um sie herum wogt und tobt das friedliche Fest. Es ist kalt in der Bischofstracht aus Rauchmantel, Albe und Mitra. „Hier, Maximilian. Nimm einen Schluck Glühwein. Du bist ja komplett ausgekühlt. Das kann ich gar nicht mit ansehen! Aber um dich kümmert sich ja keiner.“ „Außer dir, gute Meta. Danke.“ Und der Bischof nimmt den Becher, den Meta ihm reicht.

Später wird er in den Armen seines besten Freundes liegen, der vergeblich auf den Rettungswagen wartet. Zuviel los, heute, in der Stadt. „Damit hätte ich nicht gerechnet. Meta! Ihr ganzes Leben lang hat er sie ausgenutzt. Und jetzt macht er sie auch noch zur Mörderin“, flüstert der Bischof. „Aber ich gehe nicht allein. Und vielleicht ist es wirklich am besten so, denn G*ott verzeiht es nicht, wenn man selbst zum Richter wird. Doch ich konnte nicht mehr länger warten. Richard hat ja nicht nur mein Leben zerstört, als er mich missbraucht hat, immer und immer wieder, damals, sondern er hat auch noch so viele andere kaputt gemacht. Vor mir und nach mir, da bin ich mir sicher. Aber er ist unantastbar. Ich habe niemanden gefunden, der gegen ihn aussagen will. Und mir würde keiner glauben! Ich bin ja sein Konkurrent.

Ich hatte geglaubt, dass ich meinen Frieden gefunden habe. Meine Aufgabe. Dass ich heilen kann, wo andere verletzt haben. Aber dann habe ich Richard gesehen. Im Bogengang. Mit Christian, unserem Solisten. Er ist noch ein Kind! Da habe ich gewusst, es muss aufhören. Und auch, dass ich selbst das Heft in die Hand nehmen muss.“

Als der Rettungswagen endlich kommt, ist es für Bischof Maximilian schon zu spät.

Am nächsten Morgen kommt der Notarzt noch einmal auf den Domberg. Bischof Richard ist ebenfalls in der Nacht gestorben. An einem Herzinfarkt, wie es in der Verlautbarung des Ordinariats heißen wird.

Claus wird sich bemühen, den Mord an Maximilian aufzuklären. Er weiß, dass er sich damit auf eine lebensgefährliche Mission begibt.

Gut möglich, dass diese Geschichte polarisiert. Aber auch ein MiniKrimi Adventskalender ist halt ein Ponyhof. Und ich freue mich auf eure Kommentare! In diesem Sinne: habt einen schönen Nikolausabend. Und obacht beim Glühwein!

Adventskalender MiniKrimi vom 20. Dezember 2018


Der Schutzpatron

Nur noch vier Tage bis Weihnachten. In dieser Zeit drängen die Erinnerungen immer mit besonderer Macht in Gregors Gedanken hinein. Silberne Glöckchen und ein heller Kindersopran, knisternde Erwartung, die Kerzen am Baum, die kalte Kirche, die Krippe mit Stroh. Das Weinen, die Wut, seine Ohnmacht. Genug! Gregor beschleunigt seinen Schritt, um schnell am Portal von Sankt Michael vorbei zu kommen. Da sieht er eine ältere Dame, die sich bemüht, die Stufen zur Kirche zu erklimmen. Widerwillig hilfsbereit eilt Gregor hinzu, nimmt den pelzummäntelten Arm und geleitet die Dame hinauf. Damit ist es aber nicht  genug, das sieht er. Also zieht er mit Kraft am kupfernen Griff (wollen die den Gläubigen den Eintritt erschweren oder verwehren?) und hält ihr die Tür auf. Ihr Lächeln nimmt er kaum wahr, sie sagt etwas, aber er hört nicht mehr hin. Wie in einem Orkan brausen die Bilder nun auf ihn ein.

Gregor war im 5. Studienjahr. Er wohnte im Priesterseminar und absolvierte mit einem Mitstudenten ein Gemeindeseelsorgepraktikum in Sankt Michael. Vor Weihnachten hatten sie besonders viel zu tun. Es gab unzählige Gründe für Depressionen angesichts des bevorstehenden Festes in dieser reichen, vereinsamenden Stadt. Zu wenig Geld, zu viel Geld. Niemanden zum Beschenken, zu viele herangetragene Wünsche. Keinen Glauben, enttäuschten Glauben. Und die Kirche schien alle anzuziehen wie ein Magnet. „Die Christmette muss etwas ganz besonderes sein, sie brauchen das, alle. Wir dürfen sie nicht enttäuschen“, hatte der Priester den Druck aufgebaut. Und so wurde der Baum golden geschmückt, und die Chorknaben probten unter der Leitung von Gregors Studienkollegen Stunde um Stunde. Gerade hatte  er mit Max, dem Glockensopran, eine Einzelprobe. So hatte er gesagt, und so dachte Gregor. Aber als er in den kleinen Chorraum hinter der Sakristei kam, sah er den Studenten von hinten über den Knaben gebeugt, und ganz deutlich hörte Gregor diesen weinen.

Erst stand er, zur Salzsäule erstarrt, dann rannte er weg. Nicht zum Priester. In sein Zimmer. Er wusste genau, was er tun musste. Und war zu feige dazu. Später versuchte er, seinen Kommilitonen zur Rede zu stellen. Doch dieser tat  so, als habe Gregor sich das alles erträumt: „Du hast ja eine ganz perverse Phantasie, hast Du. Wenn Du mit Deinen Verleumdungen hausieren gehst, sehe ich mich gezwungen, mit meinem Onkel dem Prälaten über Dich zu sprechen“.

Und während Gregor noch zauderte, nahm die Sache eine ganz andere Wendung. Max’s Mutter kam auf ihn zu, woher sie was wusste – keine Ahnung. Jedenfalls drohte sie ihm mit dem Schlimmsten, wenn er nicht….. Nun, sie hatte ganz offensichtlich Gefallen an Gregor gefunden. Ein Jahr lang hielt er das erzwungene Verhältnis aus. Dann konnte er, der sich wirklich hatte keusch halten wollten vor und für Gott, nicht mehr. Er wurde schwer krank, und nach seiner Entlassung aus der Psychiatrischen Klinik gab er das Theologiestudium auf. Einer Kirche war er in den vergangenen 30 Jahren nie wieder  nahe gekommen.

Jetzt steht Gregor im Mittelgang und zittert. Die Vergangenheit schüttelt ihn so stark, dass er die Hand auf seinem Arm zunächst nicht einmal spürt. „Greegor“, sagt eine Stimme an seinem Ohr. „Greegor!“ Sie alt geworden, vor der Zeit. Trotzdem hätte er sie erkennen können, in ihrem Pelzmäntelchen, wenn er sie nicht in der hintersten Ecke seiner Seele versteckt hätte. Und jetzt? Entschuldigt sie sich? Ist es dafür zu spät? Aber was sagt sie da? „Greegor,  Du hier. Mit mir. Das ist Schicksal, das ist Gottes Fügung. Komm, wir trinken einen Granatapfeltee, so wie immer. Du weißt ja, ich wohne ganz in der Nähe.“

Gregor spürt die Wut in sich aufsteigen. Die Scham. Unbändigen Zorn. Auf sie, die ihm sein Leben zerstört hat. Auf sich, weil er zu feige war, Max zu verteidigen. Auf die Kirche. Auf – er dreht sich zu ihr um, will ihr die Hände um den Hals legen und sie erwürgen. Vor seinen Augen dreht sich alles in Schwarz.

Sie muss einen Schritt zurückgewichen sein, nicht einmal aus Angst. Um ihn besser zu sehen. Dabei tritt sie gegen die Absperrung um den Seitenaltar, der gerade restauriert wird. Ein Balken löst sich vom Gerüst. Sie ist auf der Stelle tot. Der Heilige Antonius schaut aus der Altarnische auf Gregor herab. Er kennt sich mit sowas aus.

 

Adventskalender MiniKrimi vom 9. Dezember 2018


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Ihr Liebhaber gepflegter Adventskriminalistik: heute mal was Preisgekröntes. Mit dieser explosiven Adventstragödie habe ich mal den Krimipreis Goldbroiler gewonnen. Viel „Spaß“ beim Lesen….

Der Tod eines Traums. Adventstragödie in vier Akten.

1.

„Dicke rote Kerzen, Tannenzapfenduft..“ „Marie, leise, Papa schläft. War so viel los in der Schule!“. Sie legte sich aufs Bett, stöpselte das Lied ins Ohr. Die Wohnung duftete nach Zimt und Plätzchen. Marie liebte den Advent, die gemütliche Heimlichzeit.

Sieht aus wie eine dicke rote Kerze. Passt perfekt in den Adventskranz.  Keiner bemerkt, wer sich vor dem Blumenladen eine Zigarette anzündet und den Docht dazu.  Jetzt schnell weg und weiter, ein sichtlich unsichtbarer Schatten in der Menge wogender Mäntel. Der Kirchturm wird zum Logenplatz, die Straße zur Arena. Ein Knall, klirrendes Glas von zerberstenden Scheiben. Schreie. Schreie und Blut.

2.

„…Man begegnet hin und wieder schon dem Nikolaus“ Er hatte immer was Süßes im Sack. Anziehend und unheimlich zugleich. Ein geheimnisvoller Fremder. Bis er ihr zu nahe kam.

Bunt und laut und weihnachtsdurstig wimmelt die Samstagsmenge in der jubelbeschallten Einkaufsmeile. Alle freuen sich und viele nehmen gern den Glühwein, den ihnen der dick vermummte Nikolaus freundlich lächelnd anbietet. Sie kommen nicht weit. Rattengift wirkt schnell.

3.

„Lieb verpackte Päckchen, überall versteckt“. Am letzten Schultag wurde gewichtelt. Marie hatte Jo ein Schokoherz gekauft. Und er? Als sie ihr Päckchen auspackte, grölte die ganze Klasse. Ein kaputter Vibrator für „Lehrers Liebling“!

Am letzten Schultag strömen alle in die Aula. Neunhundert Schüler bestaunen die Riesentanne mit den Paketen für arme Kinder darunter. Halleluja singt der Chor der Ehemaligen. Ritual und Tradition. Diesmal mit Feuerwerk. Ein Handy klingelt, und schon wirbeln Sänger, Äste, Kerzen durch die Luft. Wie vorgezogenes Silvester.

4.

„Alte Lieder, Dunkelheit, Bald ist es so weit!“ Es war so einfach. Internet sei Dank. Erst der Flirt, dann die Kalaschnikow. Ein volles Magazin. Drei Treppen und ein Flur. „Schöne Bescherung, Papa, jetzt ist Schluss mit Weihnachtsmann“, und sie entsichert die Waffe.