MiniKrimi Adventskalender am 18. Dezember


Heute zeigt euch meine Mörderische Schwester Monika Buttler, was es mit der feinen englischen Art auf sich hat… Viel Spaß beim Lesen!

Auf die feine englische Art (Auszug Kurzkrimi)

von Monika Buttler

Als es passierte, an einem dieser englischen Tee-Nachmittage im Hotel „Vier Jahreszeiten“, da war ich ja nur Publikum. Was heißt ‚nur’ – geborgen im braunen Rund eines Chippendale-Chairs, hatte ich den besten Logenplatz meines nun 70-jährigen Lebens inne. Es war Adventszeit. Draußen, hinter den Scheiben, lag das Nachtgemälde der Alster, leuchtend im Schein einer Riesentanne, im schwarzen Himmel glühten Reklame-Sterne. 

Drinnen, in der Heimeligkeit roten Plüschs, dunklen Leders und dämpfender Teppiche beugte ich mich über das viktorianische Service und schenkte mir meinen „Classic English Tea“ ein. Kräftig aromatisch, aus Assam, Ceylon und Kenia, dazu ein wenig Sahne aus dem Kännchen, so wie es beim Afternoon-Tea nun mal dazugehört. Wohlig wälzte ich den Schluck im Mund und wartete. Worauf? Darauf, dass sich der Vorhang hob. Der unsichtbare Vorhang für eine Salonkomödie. Noch besser wäre natürlich eine Tragödie, denn meine reizarme Solo-Existenz brauchte dringend eine Auffrischung. Warum gönnte ich mir denn so oft diese kostspielige Tea-time mit Sandwiches, Scones, Clotted Cream and so on? Eben. Bestimmt nicht nur, weil ich mal Oberstudienrätin für Englisch war.Ich durchwitterte die Atmosphäre. Nein, das Licht des Kronleuchters flackerte nicht; der hanseatische Ratsherr im Goldrahmen blickte nicht düsterer als sonst, am Piano perlte wie immer Gershwin. So schaute ich wieder zu der silbernen Etagere auf meinem Tisch, von der mich Pikantes und Süßes verlockend anlachte. Gerade hatte ich mir ein Gurken-Sandwich auf den Teller bugsiert, als es im Tee-Salon plötzlich still wurde. Ein Auftritt! Und was für einer! Unser makel- und zeitloser Empfangschef geleitete eine Königin durch den Raum. Ja, die Samtkappe auf dem welligen Blondhaar musste eine Krone sein, denn die Dame ging nicht – sie schritt. Schwarz und samten auch das Kleid mit Spitzeneinsatz, weihnachtlich überglänzt von Juwelen. ‚Juwelen’, das klingt altmodisch, aber Diamanten und Brillanten konnte ich leider noch nie unterscheiden. An einem Vierer-Tisch, für mich in bester Bühnensicht, rückte ihr unser Empfangschef das Sesselchen zurecht.

Ich ließ mein Gurken-Sandwich ruhen und betrachtete sie. Diskret natürlich. Ein Gesicht, zart wie ein verblasster, alter Brief. Fünfzig plus sagt man heute, aber ich nenne es inbetween. Zwischen den Altern. Schon irreparabel verblüht, aber noch hungrige Hoffnung in den Augen. Das hatte ich zum Glück hinter mir. Ich schielte nicht zu Männern, sondern zu den aufgeschichteten Delikatess-Schnittchen.Ein Kellner brachte der Dame den dunklen Holzkasten. Zwölf Sorten Tee unter Glas – die „Speisekarte“. Sie tippte mit reich beringter Hand nach oben, offenbar mochte auch sie die „Classic“-Variante. Wenig später standen Stövchen, Kanne und Etagere auf ihrem Tisch. Sie hob die Tasse, und ich fing ihren Blick. Lebenshunger? Nein, ich musste mich geirrt haben, ihr Kleiderglanz war eine Täuschung. Bestürzend nackt erschien mir dieser Blick, wie preisgegeben, als könne sie nichts mehr verletzen. Jetzt schloss sie die Augen, schmeckte lange, lange den Tee. Nein, nicht genussvoll, sondern eher so, als schmecke sie ihn das letzte Mal. Schlucke des Abschiednehmens? Sie hielt sich gerade, aber ihre Geste war müde, als sie sich nun ein Sandwich nahm. Eine Einsame, dachte ich, Miss Einsamkeit persönlich. Ich würde sie Blanche nennen, so wie die Südstaaten-Schönheit in dem Drama von Tennessee Williams.

Ich hatte sie inzwischen mit einem Krabben-Sandwich überholt. Was feierte diese aufpolierte Lady da mit sich selbst? Ich wollte meine Neugier schon im Tee ertränken, als mich weitere Geschehnisse wieder aufstörten. Die Elegische hatte eine feinrandige Brille aufgesetzt und las, wiederkehrend wie bei einem Rosenkranz, die wenigen, auf einen fliederfarbenen Bogen geschriebenen Briefzeilen. Endlich steckte sie den Umschlag zurück in ihre Krokotasche. 

Das Ritual ihrer festlichen Teestunde hatte plötzlich einen Riss bekommen, sie rührte nichts mehr an. Ich dagegen war schon bei der mittleren Ess-Etage angelangt und holte mir Trüffel, kleine Windbeutel und Baisers auf den Teller. Ich kaute und wartete. Wartete mit Blanche, deren Blick zwischen Armbanduhr und Eingang pendelte. 

Der Kurzkrimi ist erschienen in:

Monika Buttler: Manchmal nützt nur Mord. Kriminalgeschichten de luxe. elbaol verlag hamburg, ISBN 978-3-384-32134-3, 174 Seiten, 13 Euro.

Dazu gibt es einen Ergänzungsband:

Monika Buttler: Tödliche Taten. Mehr Kriminalgeschichten de luxe. elbaol verlag hamburg, ISBN 978-3-384-31741-4, 194 Seiten, 14 Euro. 

Erhältlich im Buchhandel

www.monikabuttler.de

MIniKrimi Adventskalender am 2. Dezember


VERBOTENE LUST

von Monika Buttler

Nein, sie würde das nicht unterschreiben. Wer bürgt, wird erwürgt. Und wenn er sie zwang? Aber wie denn? Sie müsste schon tot sein, damit ihr Mann sich noch retten könnte. IT-Branche. Als wenn das ein Selbstläufer wäre.

In ihrem Zimmer, im Gästehaus des Samariterwerkes zu Volkertshausen, schaut Caren Rickmers sich um. Sie wartet, ob sie fremdelt, wartet auf die Hotel-Depression, die sie wie immer aus dem Takt werfen wird. Aber sie hat Glück. Helle, warm getönte Holzmöbel, Teppiche und Wäsche in frischem Apfelgrün. Softeis für die Seele, denkt sie, und kichert leise. Denn süße Tröster sind hier tabu. Zwei Wochen „Heilfasten“ im katholischen Samariterwerk. Heilerfolge seit 75 Jahren!

Ihr Fett – für jedes Hasswort ihres Mannes hat sie ein Törtchen gebraucht – , ihr Speckgürtel würde dahinschmelzen. Sie würde leichter und leichter werden, erst am Leib, dann an der Seele, flügelleicht wie ein Engel und energievoll wie – der Teufel! Caren, unterbricht sie sich selbst, du bist in einem Christenhaus.

Sie öffnet die Balkontür. Vor ihr, im sommerlichen Abendlicht, strecken sich Wiesen und Äcker hin. Kein Wind, nur Wärme streift ihre Haut. Wirklich angenehm. Ausgeglichenes Bodensee-Klima, memoriert sie den Prospekt. Über allem scheint glockengleich ein Friede zu schweben. Menschen, die ohne Hektik in ihren Gärtchen und am „Häusle“ werkeln, der Singsang ihres „Schwätzens“, der sie heiter umhüllt und dessen Sinn sie nie ganz versteht … Sie zupft ihre Sachen aus dem Koffer. Ein pinkfarbener Jogging-Anzug, perfekt zu ihrem blond gesträhnten Haar, Tops in Türkis, die Träger nur ein Hauch. Sie würde wieder attraktiv werden, mit 55 noch einmal durchstarten. Erotik … Wie war das noch? Wie ging das noch? Einst hat sie ihren Mann bewundert, hat wohlig geblüht im Schatten seiner Stärke. Jetzt hat sie Angst vor ihm. „Gut, eine letzte Frist!“, hat Herbert mehr gebrüllt als gesprochen, „dann hau doch ab, fahr zu diesen Saft-Heinis und Dinkelfressern. Muss mir mein Steak ja sowieso immer selbst machen. Aber danach unterschreibst du!“

„Verbotene Lust“ steht in der neu erschienenen Kurzkrimi-Sammlung „Tödliche Taten“, dem zweiten Band von zwei Neuerscheinungen. Band eins heißt „Manchmal nützt nur Mord. Kriminalgeschichten de luxe“.

„Tödliche Taten“ ist im Buchhandel erhältlich.

Autorinnenfoto Monika Buttler Autor*innenfoto Monika Buttler (c) privat

Und das ist die Website von Monika Buttler: www.monikabuttler.de