Klick klick klick und du bist tot


Was treibt Menschen in ein maßloses Engagement? Für den Beruf, für eine Sache, für andere Menschen? Immer, wenn das rechte Maß verloren geht und sich die innere Balance auf eine Seite neigt, im Guten wie im Schlechten, wird die „Wippe“ wieder kippen. Emotionale Physik, sozusagen.

Ein solches überdimensioniertes Engagement, das nicht (allein) um der Sache willen betrieben wird, sondern zur Aufwertung eines im Vorfeld verletzen Egos, hat es schon immer gegeben. Es hat der Literatur viele Vorlagen für gute Geschichten gegeben, vom Sanskrit über die Klassiker bis heute. Aus „übertriebenem Altruismus“ wurde das „Gutmenschentum“. Leider haben sich mit der medialen Globalisierung die Folgen dieses Tuns verschärft. „Tue Gutes und Rede darüber“ –  diese Motto lautet heute: „… und fotografiere, twittere, poste darüber“. Je mehr Kanäle dabei erreicht werden, desto größer der Heiligenschein, desto höher der Nutzen. Und unter Umständen auch der Schaden für einige Beteiligte. Wie ein Lauffeuer verbreiten sich News und Pseudonews, echte und „photogeshoppte“ Bilder und Videos. „Viral“, nennt sich das, und wovon Firmen bezüglich der Verbreitung ihres Bekanntheitgrades nur träumen können, das kann Betroffene in die Verzweiflung, den Wahnsinn oder sogar den Tod treiben.

Ein verantwortungsvoller Umgang mit den gegebenen digitalen und technischen Möglichkeiten ist deshalb höchste Pflicht bei der Verbreitung von Nachrichten, Bildern etc. im Word Wide Web. Ob in der Bibel, in der Ballade vom Zauberlehrling oder im Film über Katharina Blum – es gibt unendlich viele Beispiele dafür, wie Existenzen durch üble Nachrede vernichtet werden. „Und was ist mit den Verbrechern, die nur dank Internet endlich zur Strecke gebracht werden?“ Es ist gut und wichtig und richtig, dass sich Exekutive und, im zulässigen Maß, Judikative der zur Verfügung stehenden Mittel bedienen, um Verbrechen aufzuklären. Aber selbst da erleben wir, welche Gratwanderungen „Gerechtigkeit“ macht, z.B., wenn es sich dabei um die proklamierte Gerechtigkeit eines „ungerechten“ Staatssystems handelt.

Facebook, Twitter & Co. bieten unbegrenzte Möglichkeiten der Sammlung, Speicherung und Verbreitung von Information und Desinformation. Letztendlich gibt es keinen hundertprozentigen Schutz. Aber wer sich nicht selbst bewusst an der Fehlinformation und dem viralen Streuen falscher Wahrheiten beteiligen will, der kann ein paar einfache Grundsätze beachten:

  • Wird die Nachricht, die ich gehört oder gelesen, das Bild, das ich gesehen habe, von mehreren unabhängigen Quellen geteilt oder verbreitet?
  • Wie verlässlich bzw. ggf. offiziell sind diese Quellen?
  • Wird in der ursprünglichen Nachricht eine Quelle angegeben? Wo liegen bei einem Foto/Video die Rechte?
  • Vorsicht ist generell geboten bei Texten, die an sich bereits tendenziös bis beleidigend sind. Je neutraler die Wortwahl, desto wahrscheinlicher die Authentizität
  • Unbedingt auch auf das Datum schauen – zuweilen werden gerade alte Bilder in neue Zusammenhänge gebracht
  • Schließlich sollte ich nicht unbedacht auf „Like“ und „send“ und „teilen“ klicken, sondern lieber eine kleine Zeit vergehen lassen. Wenn ich, ruhig und besonnen, immer noch der Ansicht bin, dass ich diesen bestimmten Inhalt, dieses Bild so verbreiten möchte, dann trage ich bewusst die Verantwortung für das, was meine Klicks auf der Tastatur auslösen.
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