Adventskalender MiniKrimi am 14. Dezember


Weihnachtsmann verhaftet

Am 13.12.2021 trendete auf Twitter der #Weihnachtsmann. Darunter jammerte die Timeline, dass die Polizei in einer ostdeutschen Stadt den Weihnachtsmann verhaftet habe, weil er den Weihnachtsmarkt ohne Maske überquert habe. Die Reaktionen waren heiter bis heftig. Während etliche beklagten, im Zuge der Pandemie-Maßnahmen würde jetzt sogar ein Wahrzeichen unserer abendländischen Kultur demontiert -es kursierte sogar die Prognose, am 24. gäbe es keine Bescherung, weil der Weihnachtsmann auch im Falle seiner Freilassung seiner Wut über die Behörden dadurch Ausdruck verleihen würde, dass er die Stadt auf seiner himmlischen Schlittenrunde links (eigentlich eher rechts) liegen lassen und die Päckchen einfach woanders abwerfen würde. Andere wiederum meinten, die Aktion sei von Impfgegnern inszeniert worden, um die Unterwanderung der Staatsgewalt durch antidemokratische und nun auch noch kinderfeindliche Kräfte zu beweisen. 

Was aber steckt wirklich hinter der Aktion? Drei Erklärungsversuche.

1. Der Romantiker

Als er sie zum ersten Mal sah, war es sofort um ihn geschehen. Sie standen sich gegenüber, getrennt durch mehr als nur eine Absperrung. Er demonstrierte für die Freiheit und gegen die Impfdiktatur. Sie stand auf der anderen Seite und versuchte, die Ordnung zu verteidigen. Er war ungeimpft und stolz darauf. Sie war geimpft und geboostert. Aber seine Liebe zu ihr war so plötzlich und so stark, dass sie die Trennung ihrer Welten überwinden wollte. Musste. Am besten, ohne dass er vor seinen Mitstreitern das Gesicht verlor. Also verkleidete er sich an einem Spätnachmittag als Weihnachtsmann, begab sich auf den Marktplatz der Stadt und schrie so lange nach Frieden, Freiheit und Widerstand – maskenlos, versteht sich, bis die Polizei nicht anders konnte, als ihn festzunehmen. Er hatte vorher ausgekundschaftet, dass sie Dienst haben würde. Welche Wonne, sich von ihr abführen zu lassen. Weil er sich weigerte, seine Personalien feststellen zu lassen, brachte sie ihn aufs Revier. Allein die Aussicht auf mehrere Stunden in ihrer unmittelbaren Gegenwart genügte, um ihn in höchste Verzückung zu versetzen. 

2. Der Querulant

Seine Eltern schwärmten während seiner Kindheit oft von der guten alten Zeit, in der sie jeden Montag zur Demo aufbrachen. Viele Menschen, Fremde, die für kurze Zeit zu Freunden wurden, auf einem Platz, mit einer Stimme, einem Ziel – wenn auch unterschiedlich moduliert, skandiert und interpretiert. Ach, war das schön. Er hatte das alles nicht miterlebt, litt unter dem Pech des Spätgeborenen. Er kannte nur die Trostlosigkeit der verfallenden Hochhaussiedlung, die Lethargie der Eltern, die nun im Fernsehen ganz legal täglich all das sehen konnten, was sie sich nach 30 Jahren freier Marktwirtschaft immer noch nicht leisten konnten. Und seine eigene Unzufriedenheit mit dem System, das ihn nach der Hauptschule ohne Abschluss auf die Straße gekippt, ihm keinen anständigen Job angeboten und ihn stattdessen gezwungen hatte, als Kurierdienstfahrer auf dem Rad zu frieren, knapp über Mindestlohn. Doch dann kam die Pandemie. Die Staatsdiktatur – die er bislang nur aus Erzählungen kannte – nahm ihm die Freiheit, ungeimpft dorthin zu gehen, wo er vorher nie hingegangen war, und das Monopol der Pharmaindustrie wollte ihn mit Genveränderungen durch Vakzine gefügig machen. Wozu? Egal. Und so stand er endlich mit vielen Menschen, Fremden, die für kurze Zeit zu Freunden wurden, auf einem Platz, mit einer Stimme, einem Ziel. Und weil ihm das nicht genügte, weil er nicht wie seine Eltern nur Mitläufer bleiben sondern selbst etwas verändern wollte, für alle und für sich, verkleidete er sich eines Spätnachmittags als Weihnachtsmann, begab sich auf den Marktplatz der Stadt und schrie so lange nach Frieden, Freiheit und Widerstand – maskenlos, versteht sich, bis die Polizei nicht anders konnte, als ihn festzunehmen. DAS hatten seine Eltern nie geschafft. 

3. Die Pragmatikerin

Nur noch 11 Tage bis Heiligabend. Aber von der Erfüllung all der Wünsche auf der Liste ihrer Kinder war sie viele Meilen weit entfernt. Und viel zu viele Euro. Mit dem bisschen, was sie an der Supermarktkasse verdiente, konnte sie gerade so ein kleines Festessen ausrichten, nichts Großes, einen Gemüseauflauf, davor einen Salat und als Nachspeise Vanilleeis mit heißen Himbeeren. Den Weihnachtsbaum hatte sie aus einem Erdgeschoss-Garten geklaut, komplett mit Ständer. War ganz schön schwer gewesen, ihn bis zum dritten Stock hinauf zu schleppen. Nun stand er da, komplett mit Kugeln, Kerzen und Lametta. Aber sie hatte nichts zum Drunterlegen. Weder das Lego Batmobile Tumbler noch das Disney Schloss von Arandelle. Und nicht einmal das Wobbel Board für Nesthäkchen Ben konnte sie kaufen. Der Kindsvater hatte, wie jedes Jahr, im Dezember keinen Unterhalt überwiesen. Natürlich konnte sie den einklagen, aber bis dahin war Weihnachten vorbei. 

Was tun? Natalie war eine kluge Frau. Voller Fantasie und Mut. Sie sprang bei einem Kostümverleih als Aushilfe ein und verließ den Laden abends mit zwanzig Euro extra und einem Weihnachtsmannkostüm. Das stopfte sie am nächsten Tag rundum aus und marschierte zu einem Pfandleiher am anderen Ende der Stadt. Dort ließ sie sich mit vorgehaltener Spielzeug-Pistole den Inhalt der gut gefüllten Kasse geben (bevor Ihr Euch wundert: vor Weihnachten kommen besonders viele Menschen, um lieben Besitz gegen Bargeld einzutauschen. Deshalb ist die Kasse in dieser Zeit vor allem morgens gut gefüllt). Dann verstecke Natalie sich ein paar Stunden hinter Mülltonnen im Hinterhof, um am späten Nachmittag – ohne Sack und ohne all die Polster, dreist auf den Marktplatz zu spazieren. Mehr noch, sie erregte ganz bewusst Aufmerksamkeit, schrie und prahlte damit, ungeimpft keine Maske zu tragen. Schließlich ließ sie sich von der Polizei festnehmen. Diese wusste natürlich inzwischen von dem Überfall auf den Pfandleiher. Der allerdings erkannte bei einer Gegenüberstellung in dem schmächtigen, bartlosen Weihnachtsmädchen nicht den dicken Mann mit der Fistelstimme, der ihn Stunden zuvor ausgeraubt hatte. 

Natalie wurde freigelassen. Hinter den Mülltonnen holte sie den Sack hervor – und ging am nächten Tag los, um ihren Kindern alle Wünsche zu erfüllen. Und für ihren eigenen Herzenswunsch blieb auch noch etwas übrig.

Nachtrag: Was sich in der ostdeutschen Stadt wirklich zugetragen hat, findet Ihr hier.

MiniKrimi Adventskalender am 7. Dezember


Gemeinsam statt einsam: Weihnachten in Zeiten von Corona

Dass sie einmal positive Gefühle für Angela Merkel hegen würde, hätte Eva sich nie träumen lassen. Das war ein kompletter Bruch mit ihren politischen und gesellschaftlichen Überzeugungen und ihrem gesamten Leben seit ihrer Studienzeit.

Nach Kindheit und Jugend in einer schwäbischen Kleinstadt erschien ihr das Berlin der 1960er Jahre wie eine Befreiung. Sie hatte sich für Soziologie eingeschrieben, aber schon bald verbrachte sie die meiste Zeit in rauchigen Kneipen, in denen sie mit Kommilitonen, Arbeitern und Leuten, die sich als Philosophen bezeichneten, über die neue Weltordnung diskutierte. 

Einige ihrer Freundinnen und Freunde wollten es nicht beim Diskutieren belassen. Sie waren der Überzeugung, um etwas Neues zu schaffen müsse man das Alte zerstören. Mit Gewalt. Den Worten folgten Taten, und Eva verbachte die nächsten Jahre auf höchst abenteuerliche Weise im Dunstkreis einiger inzwischen von Interpol gesuchten Freiheitskämpfer, wie sie sich nannten. 

Eva wusste selbst nicht genau, wann, warum und wie sich ihre Träume zerschlagen hatten. Sie waren geplatzt, bunte Seifenblasen eines Lebens, das ihnen zu fremd war, als dass sie es hätten erreichen können. Die einen waren immer weiter an den Rand der Utopien gedriftet, hatten schließlich ihr Studium beendet und waren ein paar Jahre später selbst im einst verhassten Establishment gelandet. Andere hatten versucht, ihren Idealen treu zu bleiben, sich mit der Gesellschaft soweit zu arrangieren, dass sie wenigstens einmal am Tag einen Teller voll bekamen, und sie von innen heraus zu verändern. 

Und ein paar schließlich hatten den Kampf bis zuletzt geführt und waren gestorben. Für die Sache.

Eva gehörte zu denen, die sich arrangiert hatten. Sie hatte ihrem Leben stets einen alternativen Anstrich gegeben, mit Latzhosen, Batikkleidern, Räucherstäbchen, Tofu und Klangschalen-Meditationen. Ihre Selbstfindungskurse und Baumgespräche hatten ihr tatsächlich ein bescheidenes, aber stetiges Einkommen gesichert. Natürlich nicht genug, um für’s Alter vorzusorgen.

Und jetzt war Eva siebzig und alleine. Eine Alt-68erin mit angegrautem Hennahaar. Die Freunde von damals waren in alle Winde verstreut. Manchmal schickte eine eine Kettenmail mit der Bitte um Unterstützung eines Regenwaldprojekts. Oder einer hielt einen Diavortrag über Nepal in der Stadtbibliothek. 

Bekanntschaften waren kein Ersatz für Freunde. Das erlebte Eva besonders in der Weihnachtszeit. Da igelten sich die Leute ein in ihrem selsbtgestrickten Kokon aus Plätzchen und Gemütlichkeit, und jemand wie Eva blieb außen vor. Nicht, dass sie diess Spießer beneidete. Aber – so ganz alleine unter ihrer Palme, an die sie drei lila Kugeln hängte, hätte sie sogar einen Glühwein von der Nachbarin angenommen, wenn sie sie dazu eingeladen hätten. Hatte sie aber noch nie.

Und dieses Jahr sollte es endlich anders werden. Dank Angela Merkel. Bis zu zehn Personen aus unterschiedlichen Haushalten sollten sich treffen. Wie wunderbar!

Eva hätte nicht gewusst, woher sie zehn verschiedene Personen herzaubern sollte. Aber ein oder zwei…..oder drei, oder vier?

Sie ging ins Schlafzimmer, schloss die Tür ab und holte aus der hintersten Schublade ihrer Sockenkommode die alte Sigg Sauer, die sie damals aus der WG gerettet hatte, bevor die Bullen die Wohnung gestürmt hatten. 

Dann ging sie zu dem großen Supermarkt am Anfang des Industriegebiets. Wie erwartet tummelten sich dort an den Ausgängen gleich mehrere Weihnachtsmänner. Junge Burschen in langen, roten Gewändern, die unter Rauschebart, angeklebten Wimpern und Corona-Visier deutlich schwitzen. Eva kauft einen 6-er-Pack Mineralwasser in Plastikflaschen. Würde sie sonst nie tun. Mühsam schleppt sie ihn bis vor die Füße eines der Weihnachtsmänner. „Guten Tag, Sie wollen uns Menschen hier doch beschenken, stimmt’s?“, fragt sie und lächelt angestrengt. „Naklar, hohoho“, antwortet der Weihnachtsmann und holt einen Rabattgutschein mit aufgeklebtem Schokostern aus seinem Jutesack. „Nein, danke, ich esse keine Schokolade. Aber sie können mir ein wenig Ihrer Zeit schenken. Kommen Sie, tragen Sie mir die Flaschen ins Auto.“ 

Nach einem erstaunten Zögern packte der Weihnachtsmann – er muss wirklich jung und athletisch sein! -den Sixpack und folgte Eva zu ihrem verrosteten Renault. „Danke“, sagte sie und machte die Heckklappe auf. Als der Weihnachtsmann sich zu ihr umdrehte und sich verabschieden wollte, drücktd sie ihm die Sigg-Sauer in den Bauch. „Einsteigen, schnell“, befahl sie. 

Daheim fesselte sie ihn an einen Küchenstuhl. „Bin gleich wieder da“, versprach sie. Und hielt Wort. Bald hockten vier ratlose Weihnachtsmänner gefesselt in ihrer Küche. 

„So, Ihr Lieben. Jetzt koch ich uns ein leckeres Essen. Und danach gibt’s die Bescherung. Ganz wie in alten Zeiten! Aber erst schauen wir uns die Weihnachtsansprache von Frau Merkel an. Ohne sie hätte ich auch diesmal alleine Weihnachten gefeiert.“ 

Adventskalender MiniKrimi vom 19. Dezember 2018


 

Der Tausch

Frank hatte sein ganzes Leben lang um sich gehabt. Als Kind. als Jugendlicher, und auch als Erwachsener. Bis auf ein kurzes Intermezzo an Akademie der Bildenden Künste in Wien war er immer für seine Mutter da gewesen. Nachdem der Vater gestorben war, erwartete sie von ihm ganz selbstverständlich, dass er seinen Platz einnehmen würde. Und das hatte Frank getan,  ganz selbstverständlich. Geld war genug da. Frank musste sich nur im seine Mutter kümmern, einmal am Tag kochen, jeden zweiten Tag eine Spritztour mit ihrem Sportwagen ins Blaue Land, einmal im Monat in den Zoo und am Sonntag essen gehen, mal im Bayerischen Hof, mal bei Schuhbeck. Die restliche Zeit verbrachte Frank damit, zu malen oder mit Freunden auszugehen. Aber nie nach Mitternacht, damit seine Mutter sich keine Sorgen zu machen brauchte. Sie wurde im Alter immer ängstlicher. Deshalb waren sie aus dem Haus in eine Wohnung in der Minervastraße gezogen.

Und dann starb seine Mutter. Ihr Tod kam weder plötzlich noch unerwartet, sie war weit über neunzig und inzwischen schon so dement, dass sie sich nicht mehr alleine zurechtfand. Aber Frank hatte insgeheim angenommen, dass sie ewig leben würde. Irgendwie.

Seitdem ertappte sich Frank dabei, ältere Damen zu beobachten. Im Sommer beim Spaziergang im Tierpark, in den er eigentlich nicht mehr hätte gehen müssen. 

Im Supermarkt um die Ecke, vor dem Regal mit den Keksen. Die alte Dame mit dem Kamelhaarmantel sah so aus, als könne sie genau die Sorte nicht finden, die sie am liebsten mag. Frank blieb neben ihr stehen, beobachtete sie. Sie sah ein bisschen so aus wie seine Mutter, und er wollte ihr helfen. Aber da griff sie zielsicher nach dem Shortbread und legt es in den Einkaufswagen.

Vor dem Schaufenster des großen Kaufhauses am Marienplatz. Diese alte Dame trug die Haare so kurz wie seine Mutter, die Lippen waren kräftig rot geschminkt – mit ungenauen Konturen, die Nägel rot und die Schuhe spitz. Unschlüssig tippelte sie von einem Fenster zum andern. Die Hüte oder die Röcke? Die Röcke oder die Hüte? Er näherte sich ihr, vorsichtig. „Möchten Sie einen anprobieren?“, wollte er grade fragen. Da kam unter den Arkaden ein korpulenter Herr herangeschossen. „Irmi, wo bist Du denn? Komm, die Kinder warten schon“, sagte er und zog die Dame am Ärmel weiter Richtung Marienplatz.

Als er den beiden nachsah, kam ihm auf einmal dieser Gedanke. „Warum nehme ich mir nicht einfach eine andere Mutter?“ Gleich darauf musste er lachen. Wie albern! Aber er legte den Gedanken nur beiseite, ohne ihn zu verwerfen.

Eine Woche später stand Frank an der Ampel an der Schleißheimer Straße. Da hörte er neben sich eine leicht verzitterte Stimme: „Junger Mann, würden Sie mich wohl über die Straße begleiten?“ Als die Ampel grün wurde, schritt Frank mit einer eleganten, zierlichen alten Dame im schwarzen Kostüm, mit Hut und Handschuhen, über die Straße. Drüben angekommen sahen sie sich an, und aus der Laune des Augenblicks heraus fragte er: „Kaffee?“

Abends machte er ihr pochierten Lachs, und als sie im Bett lag – er hatte die Daunendecke mit der Lieblingsbettwäsche seiner Mutter bezogen – las er ihr noch etwas aus dem Zeit-Magazin. „Morgen gehen wir in den Zoo“; sagte er, aber da war sie schon eingeschlafen. 

In den Spätnachrichten auf Antenne wurde die Meldung durchgegeben, dass Frau Mathilde Richter, 93, seit dem frühen Nachmittag vermisst wurde. Sie war im Entenbachstift zur Kurzzeitpflege untergebracht, während ihre Familie den Umzug in ein Haus mit Einliegerwohnung organisierte, wo die demente Mutter mit einer Pflegerin wohnen konnte. „Familie Richter vermisst ihre Mutter und Großmutter schmerzlich und hat eine Belohnung von 1000 Euro für sachdienliche Hinweise ausgegeben“, hieß es. 

Frank brauchte kein Geld.

MiniKrimi am 7. Dezember


Der heutige MiniKrimi stammt aus der Feder von Katrin Schroth. Sie ist Online-Journalistin, Musikwissenschaftlerin und nach eigenen Angaben ein Neuling in der Krimizunft.  Ich finde, ihr Debüt hat absolut Potential. Weiter so, liebe Katrin, wir sind gespannt! 

Mehr über sie findet Ihr auf http://www.katrinschroth.de 

 

Folgenreicher Einkauf

„Oh Mann“ denkt sie, „wird das heute noch was?“. Draußen ist es stockdunkel. Die Schlange an der Supermarkt-Kasse ist für Anfang Dezember eigentlich verhältnismäßig kurz. Doch ihr erscheint sie endlos lang. Ein lautes, entnervtes Ausatmen soll ihre Laune bessern, das gelingt aber nicht wirklich. Sie kontrolliert nochmal ihren Einkaufszettel: Butter – erledigt. Milch – zwei Tüten. Karotten: natürlich bio. Avocado: gab es leider keine in guter Qualität.

Keine Gedanken macht sie sich über die anderen Wartenden in der Schlange. Der neugierige Blick des jungen Mannes wäre ihr an einem ihrer besseren Tage bestimmt aufgefallen. Seit geraumer Zeit beobachtet er sie schon. Sonst lauert er seinen Opfern in Cafés auf und folgt ihnen unauffällig nach Hause. Sie hingegen ist ein echter Zufallsfund. Sie lief ihm einfach so im Supermarkt über den Weg. Ob sie ahnt, dass sie zum letzten Mal hier einkauft?

Endlich bezahlt! Hastig packt sie die Sachen in die Tüte, zieht ihre Handschuhe an und geht in die Kälte. Jetzt ein heißes Bad, freut sie sich. Der Mann, der ihr folgt, freut sich auch. Er ist innerlich angenehm erregt und wartet nur auf einen günstigen Augenblick, um zuzuschlagen.

 

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