Gewitterdunkelheit schleicht durch die Balkontür in den schmalen Raum. Schwarzwolken hängen in den blauen Horizont wie Tinte in ein Wasserglas. Die Möbel treten in den Schatten. Zwei Quadrate leuchten aus der Dämmerung heraus. Der Bildschirm und der alte goldene Rahmen. Die zeitlos Schöne räkelt sich nacktblass in seinen Tiefen. Eben noch waren die Gartenblätter wie erstarrt. Jetzt wirft der Blutahorn rote Tropfen in den Wind, die Fliederbüschel zittern und der Löwenzahn beschneit den Mai. Buchstaben rennen vor und zurück, kopflose Sätze die entstehen und vergehen. Der Bildschirm leuchtet und der Rahmen glüht. Die Schöne räkelt sich und streckt sich aus dem Bild. Verführungen war er nie abgeneigt. „Lydia“ lechzt er ins Telefon, „Lydia, ich komme gleich. Zu dir. In zehn Minuten.“ „Ist gut, aber mach schnell, es donnert schon.“ „Ha, und ich bin dein Blitz“. Der Vorhang bauscht sich, eine Böe fegt über den Balkon. Die Schöne starrt versonnen in die Weite, in das Licht, das mit einem Mal den ganzen Raum erfüllt.
„Ich habe meinem Mann immer gesagt, er soll bei Gewitter die Balkontür schließen. Wenn wir schon keinen Blitzableiter haben…….“. Der Kriminalkommissar war vollauf damit beschäftigt, die Witwe zu trösten. Der Blitz, der Wind, die losen Dachziegel. Ein Unfall, keine Frage. Dass das gleiche Gewitter auf gleiche Weise noch ein Opfer forderte, eine junge Frau, war ein sonderbarer Zufall.