Mei, wie schön! Eine Außenansicht wie im Fotokalender. Und auf Facebook erntet mein Wintergarten sehnsüchtige Kommentare aus schneefreien Flecken der Welt. Klar, denke ich. Von weitem sieht das klasse aus. Ein Morgen in blauweißgold. Mag sein, dass das auch für Sonnenanbeter auf ihren Stockwerkbalkonen und Dachterrassen so rüberkommt. Garniert mit einem ungetrübten Alpenblick, vielleicht. Oder für Nachbarn jenseits meiner Spielstraßenseite und ohne dringendes motorisierendes Wegfahrbedürnis. „Ja mei, Sie können sich schon gerne beschweren, aber das wird ned viel helfen“, erklärt mir der Telefonhörer in norddeutschem Bayrisch. „Spielstraßen werden bei diesem Wetter als letztes geräumt!“ Ich weiß, und auch, dass ich als Spielstraßenanwohner nicht nur den postulierten und lediglich mit einem verblasst weißen Strich – wenn überhaupt – markierten Gehweg vor sieben Uhr morgens räumen muss, sondern auch noch die halbe Fahrbahn. ICH weiß das. Deshalb sitze ich, schwitzend, mit schmerzenden Rippen und schwieligen Händen, nicht auf der Terrasse sondern an meinem PC. Und entwerfe ein Schreiben an meine Nachbarn. „Ihr Lieben. Ihr seid alle gut zu euren Garagen und Zauntürchen gekommen, schnee- und eisfrei. Das habe ich gemacht. Für euch. Nicht, weil ich so blöd bin oder süchtig nach körperlicher Ertüchtigung. Und nicht nur in diesem, sondern schon in den vergangenen Wintern. Ok. Ihr habt mir nie Danke gesagt. Das habe ich auch nur erhofft, nicht erwartet. Aber wenn ihr mir heute erklärt, ihr hättet auf eurer Seite weder die Pflicht noch die Lust, die andere Hälfte der Straße zu räumen, dann… dann….“ Hier endet mein Brief, den ich weder drucke noch speichere. Stattdessen stärke ich mich mit einem Espresso und gehe wieder hinaus in den blau leuchtenden Tag. Packe die Schaufel mit festem Griff. Und schiebe die weißen Massen vor meiner Einfahrt auf den freigeleckt schmalen Gehweg uns gegenüber. Ein eisiger Wille versetzt auch mal Schneeberge.