Pünktlich zum 4. Advent hier der Krimi meiner KSB-Autoren-Kollegin Sabrina Moriggl. Viel Spaß beim Lesen – und immer schön vorsichtig mit der Deko, gell?!
Advent, Advent, ein Grablicht brennt
Patricia Holgerson blaues Etuikleid wies ebenso wenige Falten auf, wie das dezent geschminkte Gesicht. Passend zu den hochgesteckten Haaren trug sie eine Halskette, deren Perlen im Ton ihrer manikürten Fingernägel schimmerten. Am Finger der Verlobungsring ihres Geschäftspartner Peter Weiß. Holgerson & Weiß war auf dem besten Wege eine renommierte Anwaltskanzlei zu werden. Die Mandanten wuchsen ebenso wie der Kontostand. Durch die verdoppelte Arbeit stellte Peter eine Hilfskraft ein. Slanka kam aus Slowenien, sprach gebrochen Deutsch und erwies sich als Engel. Sie war nicht nur schnell und sorgfältig, sondern auch diskret und engagiert. Nie gab es Probleme mit ihr. Bis sie im Keller die Box entdeckte und auf den Empfangstresen abstellte. »Chefin, schauen!«, rief Slanka begeistert und zog eine weiße Plastiktannengirlande aus der Kiste. Patricia Holgerson unterdrückte ihren Brechreiz. Sie fand die Weihnachtsdeko schon immer scheußlich, doch Peters Vater liebte diesen Kitsch. Blinkende Lichter, röhrende Elche und vom Balkon abseilende Weihnachtsmänner. Patricia Holgerson brauchte drei Jahre um diesen Müll aus der Kanzlei und ihren Schwiegervater aus dem Leben zu verbannen.
Slanka hängte einen Nikolauskopf mit schwarzer Sonnenbrille an die Eingangstür, als Peter ins Büro trat. Er warf seiner Verlobten einen fragenden Blick zu. »Ich dachte, du hasst Vaters alte Deko.« »Du ahnst nicht wie sehr.« »Oh Chef!«, lachte Slanka und hielt einen Strauß roter Weihnachtssterne empor »Weihnachtsschmuck schön. Schmücken ein bisschen hier, ja?« Peter zwinkerte seiner Verlobten zu und nickte. Schließlich war ja Weihnachten. Wenige Stunden später steckte Patricia Holgerson ihren Kopf aus dem Büroraum. Ihr Atem stockte. Dort, wo am einst kühle Eleganz herrschte, tobte nun ein Orkan in schrillen Rot-, weiß-, und Goldtönen. Blinkende Neonlichter explodierten in Blau, wechselten ins Grüne und wichen ins Violette. »Ach komm, so schlimm ist es doch nicht.«, beschwichtigte Peter seine Verlobte und erntete einen giftigen Blick.
Patricia Holgerson versuchte Slanka verständlich zu machen, dass sich das Image einer seriösen Kanzlei nicht mit einem ‚Jingle Bells‘ singenden Fisch an der Wand vereinbaren lies. »Slanka, das muss weg!« »Ah, Chefin – ich verstehe.« Patricia Holgerson zweifelte, dass die Hilfskraft verstand, was sie meinte. Aber Slanka nickte eifrig und beharrte »Ich weiß, ich weiß. Chefin nicht gefallen. Ich mache anders.« Am Abend stand Patricia Holgerson vor einer mit Lametta und Christbaumkugel behängten Yuccapalma. »Besser?«, fragte Slanka und lächelte. Patricia Holgerson seufzte. Sie erkannte aussichtslose Fälle und die Akte Slanka musste umgehend geschlossen werden. Für immer. Als Peter Weiß am nächsten Tag die Kanzlei betrat, fand er die Räume wie eh und je stilistisch auf ein Minimum reduziert vor. Nichts wies mehr auf das kurze Weihnachtsinferno vom Vortag hin.
Wo ist Slanka?«, fragte er. »Sie musste uns leider verlassen.« »Wieso denn das?« Patricia Holgerson musterte ihre Hände, einer ihrer Nägel war abgebrochen. Außerordentlich ärgerlich. »Ach, unüberwindbare Differenzen.« »Aha«, murmelte Peter und zog seinen Mantel aus. Patricia Holgerson erstarrte. Um den Hals ihres Verlobten hing eine abscheuliche Krawatte, auf der ein dreidimensionaler Schneemann aus Watte winkte. Patricia Holgerson straffte ihre Schultern und zog eine Schere aus ihrer Schreibtischschublade. Manche Dinge durfte man nicht zulassen. Schließlich war sie eine Frau mit Stil.