Make Europa Great Again – oder was?


Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein. Heute jährt sich das Ende des 2. Weltkrieges. Demokratische Politiker*innen betonen, dass unter dieses Kapitel der deutschen Geschichte nie ein Schlussstrich gezogen werden darf.

Denn, wie Max Mannheimer sagte: „Ihr seid nicht für das verantwortlich, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.

Aktuell erleben wir, dass die Rufe nach einem „Ende der Schuld“ in Bezug auf die von Deutschland verübten Verbrechen an Jüdinnen und Juden, An Sinti und Roma, an politisch Andersdenkenden immer lauter werden. Deckungsgleich mit der Forderung „Deutschland den Deutscher“ – wer immer angesichts von 30% deutscher Staatsbürger*innen mit Migrationshintergrund (mich eingeschlossen) damit gemeint ist.

Es wird nach einem Einwanderungsstopp geschrien, ganz offensichtlich von Leuten, die keine Ahnung von der Genfer Konvention und Deutschlands Unterschrift darunter haben. Es wird davon gefaselt, Ausländer abzuschieben, ganz im Stil von Gauland, der suggerierte, in Anatolien würden sie dann schon entsorgt werden. Er wird solchen Leuten wohl zukünftig Blut abnehmen, das Krankenhausbett machen und im Altenheim den Po abwischen? Hoffentlich haben sie genug Rssourcen unter Gleichgesinnten. Sonst wird’s unter Umständen ungemütlich, bei Pflegebedarf.

Der neue Innenminister (OMG, dass wir das noch erleben müssen, der wäre ja sogar als Verkehrsminister noch etwas weniger schädlich gewesen) hat gleich am ersten Amtstag den Ärger Europas auf sich gezogen, ganz zu schweigen davon, dass seine vollmundige Ankündigung wahrscheinlich rechtlich gar nicht durchzuziehen ist. Asylbewerber pauschal an der deutschen Grenze abzuweisen verstößt gegen diverse Rechte und Abkommen, stößt die Nachbarn vor den Kopf und sorgt sofort für den ersten Streit in der Koalition. So wird das nix mit der vollen Amtszeit der Regierung. Nun gut, wie ein Freund von mir schrieb: „Merz hat schwach angefangen, wird aber stark nachlassen.“

Und genau in diesen Tagen kommt mir die Einladung zu einem Wettbewerb in die Mailbox geflattert. „Make Europa Great Again – oder was?“ so der Titel der Ausschreibung.

Ist doch klar, dass ich dabei bin. Ein wenig Schmunzeln, etwas Utopie und positives Wünschen sind angesagt, meine ich.

So entstand dieser Text, den ich am Samstag, 10.5.2025 ab 19.30 Uhr im Rahmen des Litbox2 Wettbewerbs im KIM Kino Haidhausen, Einsteinstraße 42, 81675 München vorstellen werde. Ich freue mich natürlich RIESIG, wenn ihr kommt und für mich votet.

Aber genauso glücklich bin ich über eure Last-Minute-Anregungen, die ich, falls sie passen, sehr gerne noch mit einarbeite. Denn ich trage das Essay live vor – und stelle mich dem Urteil des Publikums.

NB: Letztes Jahr holte ich mit meinem Griechenland-Krimi als Außenseiterin den 3. Preis. Diesmal konformiere ich mich – und bin gespannt, wie dieses Genre ankommt.

Ich freue mich auf und bitte euch um euer Feedback.

Hier it comes:

Make Europa Great Again

Ein Aufruf zur Rückeroberung von Espresso, Etikette und echter Empörung. Mit einem Augenzwinkern im Knopfloch.

Europa – der Kontinent, auf dem selbst der Käse mehr Reife zeigt als so mancher Politiker.
Wo man im gleichen Atemzug „Liberté, Égalité, Fraternité“ skandiert und sich dann um den letzten Parkplatz bei Lidl prügelt. Wo man Pasta und Schnitzel als Religion behandelt, aber Menschenrechte – leider zunehmend – wie Kantinenessen serviert: lauwarm.

Aber hey – wir waren mal groß. Imperial, denn immerhin erhoben europäische Nationen zeitweise Anspruch auf den Besitz der halben neuen Welt – und unter den Konsequenzen leiden heute nicht nur deren unglücklichen Bewohner*innen, sondern auch wir.

Doch wir waren auch groß an Ideen:

  • Die Demokratie – obgleich auch in Athen nie als Herrschaft des Volkes ausgelegt.

  • Die Aufklärung – sorgfältig portioniert und aufs rein philosophisch Utopische beschränkt.

  • Der Rechtsstaat – vor dem sich in einigen Staaten allerdings im Laufe der Jahr(zehnt)e die Vorsilbe „Un“ positioniert hat.

  • Die Freiheit – jährlich in weiß, rot, blau und grün in den Himmel geblasen, ausgerechnet von Flugzeugen, die generell eher das Gegenteil symbolisieren.

  • Und nicht zu vergessen: Der Feminismus. Geboren auf Lesbos, gelitten unter Catull, gekreuzigt unter Hitler, wiederauferstanden mit der Pille in den 1960ern.  

    Heute stehen seiner endgültigen Vernichtung durch Heidi Klum, Alice Weidel und die Tradwifes Frauen wie Baerbock mit ihrer feministischen Außenpolitik, Luisa Neubauer und ihr Kampf gegen die Ohnmacht und, ja, immer noch und jetzt erst recht Greta Thunberg, auf dem Meer, in der Westsahara und wo immer sie sich für Klimagerechtigkeit und Frauen einsetzt, entgegen.

    Ob der Sieg an den Außengrenzen Europas oder dem Binnenland zwischen Kindern und Küche enden wird, ist noch ungewiss. Wobei der Faktor Kirche nicht zu vernachlässigen sei. Vielleicht bringt ein Kardinal Marx als der nächste Franziskus oder Benedikt auf dem Heiligen Stuhl sogar die Frauenordination ins Spiel und rettet so den Klerus vor dem Alterstod?

Alles von der Wiege bis zur Bahre europäisch.

Und schließlich gibt es da noch so typisch Europäische Werte wie die Liebe zu Wein und Bier, zu Filterkaffee, Latte und Feuilleton, zu Pluralismus, Toleranz und Multikulti… die allesamt in schöner Regelmäßigkeit als gescheitert erklärt oder totgesagt werden, nur um dann, dem Negroni gleich, an irgendeiner Häuserecke wieder aufzuleben. Wie Venedig, die Stadt, die jedes Jahr aus den Wogen der Ozeandampfer im Canale Grande wieder auftaucht, um von den Nachkommen Byrons, Prousts und Guggenheims heimgesucht zu werden, während ein unbekannter Casanova das Eintrittsgeid entgegennimmt als Obulus gegen das Verenden.

Europa heute, das sind Verordnungen anstelle von Visionen. Statt blühender Utopien treibt die Bürokratie all überall üppige Blüten. Wenn’s drauf ankommt, streiten wir, ob eine Gurke krumm sein darf und wieviel Wasser pro Minute aus einem Duschkopf fließen soll – 8 Liter, wussten Sie’s?

Wobei es gleichzeitig nicht gelingt, sich auf ein sinnvolles Tempolimit auf Autobahnen zu einigen. Oder darauf, wie man Migration und Menschenrechte sinnvoll vereinbart. Oder den Flüchtlingsstrom dadurch stemmt, dass man keine Waffen mehr in Kriegsgebiete liefert und aufhört, den Schwellenländern das Wasser abzugraben, wirtschaftlich und wortwörtlich.

Make Europa Great Again? Na klar! Aber bitte anders. Menschlicher. Globaler.

Nicht mit roten Kappen – sondern mit klarem Kopf.
Nicht mit Runenzeichen – sondern Mit-Menschlichkeit.
Nicht mit Mauern – sondern mit Ideen, die verbinden.
Und mit dem festen Vorsatz: Nie wieder Krieg!

Höchstens einen kleinen Europa-internen Streit, z.B. darüber, ob man „Spaghetti Carbonara“ mit Sahne machen darf (Spoiler: nein) oder wer die Pommes erfunden hat (Spoiler: Belgien, aber das darf Frankreich nicht erfahren).

Nein! Europa ist kein Auslaufmodell. Kein Benziner ohne Zapfsäule. Eher eine zu schnell zu groß gewordene WG, ein baufälliges Haus, in dem Stockwerk für Stockwerk besetzt aber nur im Ansatz renoviert wurde. Ein Haus voller Streit, Versöhnung, Diversity, Drama und Dolce Vita. Und das ist gut so.

Europa heute ist ein Traum zwischen Tiefschlaf und Erwachen. Eine Skulptur, von der, wie Michelangelo sagte, nur der überflüssige Marmor abgeschlagen werden muss.

Europa war jahrhundertelang die Bühne der Ideen, die die Welt veränderten, der Revolutionen, deren Kinder sich nie ganz auffraßen, sondern glanzäugige Enkel bekamen. Der Kontinent der großen Kunst und der schiefen Kirchtürme. Hier wurde gedacht, gemalt, diskutiert, geliebt und natürlich gestritten – manchmal ein bisschen zu laut, manchmal mit ein bisschen zu viel Pulver. Und meist mit ganz viel Dampf.

Doch dann kamen die Jahrzehnte des Zauderns: zu kompliziert, zu démodé, zu viel Bürokratie, zu viele alte Menschen und zu wenig Begeisterung. Die Welt blickte nach Westen – auf Silicon Valley, Harvard und Hollywood. Nach Osten – auf Hongkong, Taiwan, Shanghai und Bangalore.

Europa? Saß mit ihrem Cappuccino auf dem Bordstein und philosophierte über alles – außer über die Zukunft, während ihre Kinder Weine aus Yantai und Biere aus St. Louis und Mexiko süffelten.

Jetzt kommt unsere Stunde!

Wenn sich jenseits des Atlantiks politische Abgründe auftun und Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Freidenker*innen ihre Koffer packen, öffnet sich hier bei uns ein Fenster. Ach was, eine Tür. Ein Portal!

Denn Europa kann jetzt wieder zum Magneten werden – für kluge Köpfe, wilde Träume, mutige Kunst. Für Nobelpreisträger*innen und Novellen. Für Start-ups und Streichquartette. Für Debatten, die mehr können als nur Schlagworte.

Wenn wir die Bühne freigeben. Wenn wir Platz schaffen für neue Gedanken, neue Farben, neue Stimmen. Dann wird aus „Good Old Europe“ plötzlich das Next Big Thing.

Und stellen wir uns das mal vor:

  • Ateliers voller Sprachengewirr, aber ohne Babel.
  • Forschungsinstitute, die in hundert Dialekten und mit bunten Händen die Zukunft bauen.
  • Literaturhäuser, in denen sich Bronx-Slammer*innen und Brüsseler Romanciers treffen.

Make Europa Great Again?
Aber sicher. It’s so easy. Mit offenen Türen, offenen Köpfen – und einem gigantischen kreativen Feuerwerk. Nur die strammen Rechten müssen leider draußen bleiben.

Europa hat die schönsten Kulissen der Welt – jetzt müssen nur wieder großartige Geschichten darauf gespielt werden. But: Yes we can.

Auf Instagram (semisappho) und Facebook (mariebastide75) indet ihr mein EInladungsvideo.

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