MiniKrimi Adventskalender am 7. Dezember


Der zweite Advent! Zwei Kerzen brennen auf dem Tannenkranz, und können wir uns etwas Schöneres vorstellen, als beim munteren Flackern eines Kaminfeuers den schnell dunkelnden Tag ausklingen zu lassen? Ehm – ja. Und ihr auch, wenn Ihr den MiniKrimi von Lydia H. gelesen habt. Viel Spaß dabei!

Advent, Advent, das Lichtlein brennt

Sehr zum Leidwesen vieler Bewohner wurde bei der Errichtung des noblen Quartiers an der Minervastaße auf den Einbau von Kaminen verzichtet. Das entsprach nicht mehr dem Zeitgeist in einer auf Klimaneutralität bedachten Kultur.

So manche bayerische Kommune konnte seit der Energiekrise, ausgelöst durch Russlands Angriff auf die Ukraine, ein Lied davon singen. Plötzlich dienten die Kamine, in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts aus Gründen der Gemütlichkeit in viele Einfamilienhäuser eingebaut, den besorgten Menschen als Heizungsersatz, was bei einer Inversionswetterlage zu Feinstaubwerten wie im Ruhrgebiet führte. Dem hatte die Landeshauptstadt einen Riegel vorgeschoben und den Einbau von offenen Kaminen kurzerhand verboten.

Auch Clemens, 57 und erfolgreicher Notar, der zusammen mit seiner Frau Claire eine repräsentative 5 Zimmer-Wohnung in der Minervastraße sein Eigen nennen durfte, haderte damit, dass sein großbürgerliches Wohnzimmer ohne den Charme eines gemütlich prasselnden Feuers auskommen musste.

Claire, mit 33 Jahren deutlich jünger als ihr Mann, war eine ebenso schöne wie kapriziöse Pariserin aus guter Familie. Clemens hatte sie vor 6 Jahren während einer Geschäftsreise in der französischen Hauptstadt kennengelernt und war, nicht zuletzt aufgrund seiner Midlife Crisis, sofort ihrem Charme erlegen. Als Tochter eines seiner Businesspartner schien sie die ideale Wahl als beflügelnde Gefährtin für einen zweiten Frühling zu sein.

Die Scheidung von Karin, seiner ersten Frau, ging dank einer hohen Abfindung schnell vonstatten. Karin war eher erleichtert als betroffen gewesen und genoss ihre neue Freiheit in vollen Zügen. Lena und Leon, die erwachsenen Kinder des Paares, lebten schon lange ihr eigenes Leben. So stand einer romantischen Blitzhochzeit mit Claire nichts mehr im Wege. Vor fünf Jahren führte Clemens seine Eroberung vor den Traualtar.

Leider entwickelte sich die Ehe mit Claire bereits nach erstaunlich kurzer Zeit zu einem Desaster, und das in jeder Hinsicht. Schnell hatte Claire sich einen jungen Liebhaber zugelegt, so dass Clemens wenigstens an dieser Front seine Ruhe hatte. Denn mit Ende 50 wurde die Diskrepanz zwischen erotischen Fantasien und deren praktischer Umsetzung für ihn immer problematischer. Anders sah es allerdings in finanzieller Hinsicht aus. Clemens hatte die Ansprüche seiner neuen Ehefrau vollkommen unterschätzt. Er hatte schon immer einen gehobenen Lebensstandard gepflegt, mit einer schönen Villa am Münchner Stadtrand, teuren Autos, luxuriösen Reisen und allem, was man in München unternehmen konnte und musste, um seine Stellung zu demonstrieren und ein Teil der Crème de la Crème der Bussi-Bussi-Gesellschaft zu bleiben.

Aber dieses Leben und dieser Stil waren für Claire nicht ausreichend. Sie brauchte Designerkleider, exklusive Handtaschen und Schmuck. Zu jeder Jahreszeit und jedem Anlass. Faschingsbälle, Wagner-Festspiele, Filmfest, Wiesn, Kirchweih und, und, und. Ihre Shoppingtouren durch die Maximilianstraße raubten Clemens zunehmend den Schlaf. Und nicht nur den. Jüngst hatte sein Bankberater ihn darauf hingewiesen, dass die Ausgaben von Claire auf Dauer für ihn finanziell nicht tragbar sein würden. Dazu kam ihr unentwegtes Genörgel. Nichts war Claire gut genug. Besonders die gemeinsame Wohnung in der Minervastraße führte wieder und wieder zu fruchtlosen Diskussionen, die immer öfter in erbitterten und eskalierenden Streitereien mündeten. Jetzt in der Vorweihnachtszeit machte Claire ihre Unzufriedenheit mit der nicht standesgemäßen Wohnsituation am Fehlen eines schönen Kamins im Wohnbereich fest. „C’est insupportable“, sentenzierte sie und reiste am ersten Advent für eine Woche nach Paris zu Familie, Freunden und jeder Menge offener Kamine.

Clemens nutzte die Zeit für eine ausgedehnte Recherche nach einem Handwerksbetrieb, der für den fachgerechten Einbau von sogenannten Bioethanolkaminen mehrfach ausgezeichnet worden war. Und wurde fündig. Billig war diese Anschaffung nicht, aber das Resultat sprach für sich. Der Kamin aus norwegischem Fauskemarmor wirkte täuschend echt und war bei sachgemäßem Gebrauch selbstverständlich absolut sicher. „Idiotensicher“, wie der Handwerker lachend erläuterte, während er Clemens genau erklärte, wie er den Kamin ungefährdet bedienen würde. Denn ein Unfall, der bei unsachgemäßer Handhabung schnell geschehen konnte und tatsächlich immer wieder passierte, konnte zu schwersten Verbrennungen, oft auch mit Todesfolge, führen. „Die Zentren für Schwerbrandverletzte sind im Winter voll von unverantwortlichen Kaminbesitzern“, sagte der Handwerker und sah Clemens eindringlich an. „Normal people don’t burn“, lachte Clemens. „Keine Sorge, ich bin der normale in diesem Haushalt.“

Die wichtigste Lektion war, den Kamin immer erst vollständig auskühlen zu lassen, bevor wieder Bioethanol eingefüllt wurde. Durch die Resthitze im Kamin konnte es sonst zu einer tödlichen Stichflamme kommen.

Clemens saß mit einem Lagavulin auf dem Ledersofa vor dem Kamin, als Claire von ihrer Reise zurückkam. Er hörte das Stakkato ihrer Manolo Blahniks schon auf dem Hausflur, gefolgt von den akustischen Signalen des Key Pads. Mit einem lauten Knall fiel die Wohnungstür ins Schloss. Wie immer betrat Claire das Wohnzimmer auf ihren High Heels.  Auf das teure Eichenparkett nahm sie natürlich keine Rücksicht.

„Bienvenue, ma chérie“. Clemens lächelte sie liebevoll an und küsste sie mit zärtlicher Leidenschaft.  Dann zeigte er stolz auf den prachtvollen neuen Kamin. Einen Moment lang war Claire überrascht und nahm dann wohlwollend das Glas Burgunder an, dass er ihr entgegenhielt. 

„Ich habe extra auf Dich gewartet, um den Kamin einzuweihen. Was gibt es Schöneres an einem kalten zweiten Advent als ein gemütlich flackerndes Feuer? Chérie, da dieses Feuer deine Idee und dein Herzenswunsch war, darfst Du unseren Kamin jetzt in Betrieb nehmen.  Hier.“ Er gab ihr die elegante, bis zum Rand mit Bioethanol gefüllte Kanne in die Hand und schob sie zum Kamin.

Dass dieser gerade noch munter gebrannt hatte, erwähnte Clemens nicht. Manchmal ist Timing nicht nur das halbe, sondern sogar das ganze Leben.

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