Manche Geschichten kann sich nur das Leben ausdenken. Und manchmal gehen die sogar noch halbwegs glimpflich aus. Damit das aber so bleibt, denkt bitte daran und tut das eure dazu: #AfD und #AfDVerbotjetzt.
Alexander der Große
Alexander ist behütet aufgewachsen. Als er 14 war, zogen seine Eltern aus dem Gärtnerplatzviertel hinaus in die neu erbaute Siedlung an der Minervastraße. Immer noch nah genug an der Innenstadt, aber noch näher an Wiesen und Feldern. Genau genommen beginnt die Ödnis bereits an dem kleinen Tümpel im Park. See? Lächerlich. Einmal hat Alexander mit seinen Freunden am Steg eine Flasche Wodka gesoffen. Es dauerte keine halbe Stunde, da waren die Bullen da. Von wegen „dein Freund und Helfer.“ Schergen der Bourgoisie waren das.
Überhaupt gefällt es Alexander so gar nicht in der MInervastraße. Alles ist so auf etepetete gebürstet. Die Leute tun so, als seien sie was Besseres. Sogar die Ausländer. Und die Schwulen. Und die Lesben. Und die aufgetakelten Tussis mit ihren frisierten Hunden. Alexander bezweifelt, dass die einem anständigen Beruf nachgehen. Die Ausländer werden wahrscheinlich vom Staat unterstützt, und die Tussen… naja, denen sieht ma doch an, womit sie ihr Geld verdienen.
Seine Familie passt nicht in die Siedlung. Das hat der Junge schon von Anfang an gespürt. Wie die Nachbarn geschaut haben, wenn der Vater abends mit seinem Metzgerei-Transporter vor die Tiefgarage gefahren ist! Und die Mutter ist auch viel bodenständiger als die anderen Frauen hier. Sie färbt sich die Haare selbst, und auch Alexander und der Vater lassen sich von ihr regelmäßig einen ordentlichen Schnitt machen. Die Eigentumswohnung war teuer genug, da müssen sie nicht auch noch viel Geld für einen Friseur ausgeben.
„Wir wohnen jetzt in einer exklusiven Wohngegend, Alexander“, hat die Mutter beim Einzug gesagt. „Schau, dass du immer gut gekleidet bist. Und benimm dich anständig.“ Am Anfang hat Alexander das auch tatsächlich versucht. Leider lebten und leben in der Siedlung nur ein paar Kleinkinder, die alle dort geboren sind. Keine Teens und Twens. Also hing Alex meistens mit seinen Kumpels aus der Realschule rum, am liebsten in der Stadt. Nur zum Zocken kamen seine Freunde ein paarmal mit zu ihm nach Hause. Aber nachdem er die Seitenblicke und das kaum verhaltene Lachen gesehen hat, mit dem sie die Spitzendeckchen auf dem Sofa, die Kuckucksuhr an der Wand und die Kittelschürze seiner Mutter bedachten, nahm Alexander niemanden mehr mit heim. Was denken die eigentlich? Seine Eltern sind anständige Leute, sie sind in Deutschland geboren und aufgewachsen, im Bayerischen Wald. Sein Vater hat sich alles hart erarbeitet, den eigenen Betrieb, die Wohnlandschaft, die Ferien an der Ostsee. „Fliegt ihr im Urlaub nie nach Dubai oder in die Dom Rep?“, hat ihn sein Freund Max mal gefragt.
„Warum? Wir finden es in Deutschland auch sehr schön. Und da versteht man wenigstens, wenn wir ein Bier bestellen.“
„Klar, ne?“ hat Max geantwortet, und damit war die Freundschaft der beiden dann auch vorbei.
Seine Eltern und er sind anders. Passen nicht in das Bild der Siedlung. Die Mutter trägt schon mal Alditüten statt Prada, der Vater sitzt mit Zigarette und Bier auf dem Balkon und nicht mit Champagner. Und er, Alexander, geht nicht auf ein privates Gymnasium, sondern auf die Realschule.
Im Sommer bleibt Alexander sitzen, und seine Eltern schicken ihn auf die BOS. In der Vorklasse lernt er ganz andere Leute kennen. Viel cooler als seine tranigen Realschulfreunde. Statt für’s Klima zu demonstrieren fährt Alex – so nennt er sich jetzt, um nicht so abgehoben zu klingen – mit seiner neuen Clique auf lauten Mopeds über Land, besucht Volksfeste und richtige bayrische Wirtschaften, nicht die teuren Clubs in der Innenstadt. Nur das Gaming hat er beibehalten. Online. Mit einer Handvoll Leuten, die ok sind. Vor allem Lisa. Sie ist saugut, nicht nur für ein Mädchen, sondern überhaupt. Wenn er bei Battlefield 6 gegen sie verliert, stört ihn das nicht. Manchmal ertappt er sich dabei, dass er sie gerne kennenlernen würde.
Seine neuen Freunde sind alle deutsch. Biodeutsch. Klar gibt es auf der Schule auch Ausländer, aber mit denen haben sie nichts zu tun. Eigentlich ist es voll ungerecht, dass die hier so lange zur Schule gehen dürfen, statt zu arbeiten. Wahrscheinlich kriegen die auch staatliche Ausbildungsförderung, und die Eltern sitzen daheim, trinken Tee und kassieren Bürgergeld. Und das alles, während es dem elterlichen Betrieb immer schlechter geht. Plötzlich wollen die Leute Biofleisch, am besten von Kälbern, die mit Mozart und Muttermilch aufgezogen worden sind. Und bitte lieber kein Schweinefleisch. „Wir haben zu Hause selbst ein kleines Schweinchen, wissen Sie“, hat kürzlich eine Kundin gesagt. Dass der Vater die hohen Preise dafür nicht zahlen kann, ist so einer eh egal.
„Es stimmt was nicht mehr, bei uns in Deutschland“, sagt der Vater immer öfter. „Der Staat malt den Teufel an die Wand und will uns vorschreiben, wie wir heizen sollen, will uns das Autofahren und unser Schweineschnitzel verbieten. Und den Ausländern schiebt er die Kohle hinten rein. Und den Transsexuellen. Den Behinderten. Ja, wenn du bei uns deutsch, gesund, normal und arbeitswillig bist, hast du schlechte Karten.“
Alex’s neue Freunde sehen das genauso. Sie treffen sich jetzt immer sonntags in der „Deutschen Eiche“ und reden beim Bier darüber, wie schlecht es ihnen und ihren Familien geht. Draußen stehen ihre Motorräder, Bikes und Autos. Aber das ist für sie kein Widerspruch. In letzter Zeit kommen immer wieder Vertreter einer neuen, deutsch nationalen Partei. Die reden nicht in geschwollenen Luftblasen wie die anderen, die „g’standenen“ Politiker. Die verstehen, worum es den jungen Leuten geht. Sie haben klare Ideen und geben Parolen und Visionen aus. Alex folgt ihnen in den Sozialen Medien, und die haben echt was drauf, findet er. Endlich fühlt er sich nicht mehr minderwertig. Endlich kann er’s allen zeigen. Seinen alten Klassenkameraden mit den grünversifften Halluzinationen, den arroganten Bewohnern in der Minervastraße, die auf seine Familie runterschauen.
Seine neuen Freunde wissen auch schon, wie.
Es ist Sommer, ein lauer Abend. Alex zieht sich die Sturmhaube über den Kopf, dann rennt er los, zusammen mit drei anderen. Sie haben Moliies in der Hand und werfen sie durch das Schaufenster in einen Laden im Erdgeschoss eines Altbaus mitten in Schwabing.
Der Laden ist ein Nest von linksgrünversifften Transen und Behinderten, hat ihnen Karl, der Parteigenosse, erklärt. „Wenn wir erst mal an der Regierung sind, schmeißen wir die alle in den Knast. Da sollen die erstmal lernen, gescheit zu arbeiten, statt auf unsere Kosten zu leben und uns dafür auch noch Vorschriften zu machen.“
Die Mollies explodieren nach Plan. Drinnen Schreie, ein Kind weint. Ein Kind?, denkt Alex. „Los, rein, die kaufen wir uns“, ruft Franz, ihr Anführer. Das Lokal ist offenbar kein linksterroristisches Zentrum, sondern ein Platz, an dem sich junge Leute zum Gamen treffen. Leute wie er. Überall Computer und Spielekonsolen, ein paar in Flammen. Franz drischt mit einem Baseballschläger auf die Geräte ein. Und auf den jungen Mann, der ihn davon abhalten will.
„Nein! Hilfe!“ Hinten in der Ecke sitzt jemand in einem Rollstuhl. Lange blonde Haare, die Feuer gefangen haben.
„Geschieht dir recht, du Terrrorschlampe“, lacht Franz. „Los, mach du auch mal was“, fordert er Alex auf.
Aber Alexander steht wie angewurzelt auf der Schwelle.
„Hilfe!“, schreit das Mädchen. Da zieht Alexander seine große schwarze Jacke aus und beginnt, es abzulöschen. So, wie er es mal in der Schule gelernt hat. Polizeisirenen nähern sich, seine Freunde laufen davon. Alexander bleibt. Er hält die Hand des Mädchens auch noch, als der Rettungswagen kommt.
„Wollen Sie mitfahren?“, fragt der Sani.
Doch da wird Alexander schon von zwei Polizisten zu Boden gedrückt.
„Lisa. Ich heiße Lisa. Besuchst du mich im Krankenhaus?“, ruft das Mädchen. Und dann, zu den Polizisten: „Er hat mir das Leben gerettet, wissen Sie?“
Und für diejenigen unter euch, die sich ein Happy End wünschen:
Fast wäre er Alex geworden. Aber Lisa nennt ihn Alexander. Alexander den Großen, ihren Retter. Er ist mit einer Bewährungsstrafe davongekommen. Und geht jetzt sonntags zum Gamen statt in die „Deutsche Eiche.“

