MiniKrimi Adventskalender am 13. Dezember


Tödliches Weihnachtswichteln

In den letzten zwei Wochen vor Weihnachten wird der Begriff „stade Zeit“ vollends ad absurdum geführt. In den Büros wird versucht, alles, was man 11 Monate auf die lange Bank geschoben hat, noch vor dem Jahresende in trockene Tücher zu bringen. Das schreit nach Überstunden. Und, nach getaner Arbeit, nach einer kleinen Pause vorm Nachhausefahren. An Glühwein und Plätzchen mangelt es in den Teeküchen in der Vorweihnachtszeit nie. Und wenn es draußen dunkel ist und drinnen still, kann es zwischen Kolleginnen und Kollegen schon mal zu magischen Momenten kommen. Ihr wisst, was ich meine……

Zum Glück ist Weihnachten schnell wieder vorbei. Das Neue Jahr beginnt wie ein unbeschriebenes Blatt, und über die letzten Ereignissen im Dezember wird der Mantel des Schweigens gelegt, bevor sie spätestens im Frühjahr dem Vergessen anheim fallen.

Und dann ist es auch schon wieder soweit. Weihnachten steht vor der Tür. Aber diesmal haben sich Vera und ihre Freundinnen vorgenommen, sich durch nichts und niemandem von ihrem Adventswichteln abhalten zu lassen. Ladies only, nur die Fantastischen Vier, Vera, Sara, Marlene und Bine.

Sie treffen sich im Spieglwirt, einer alten Traditionsgaststätte im neuen Gewand. Gemütliches Holz an den Wänden, die Tische blankpoliert, warme Bänke und dezente Tannengirlanden. Bayerisches Understatement, halt. Vera hat daheim schon vorgeglüht, in Vorfreude auf den Mädelsabend. Mit einer Flasche Prosecco in der Hand hat sie nach einem passenden Wichtelgeschenk gekramt. Etwas, das sie selbst einmal geschenkt bekommen hat, aber weder braucht noch benutzt. Natürlich darf es niemand von den Beteiligten selbst geschenkt haben. Nicht ihr Geschmack, aber auf keinen Fall zu hässlich zum Verschenken. Die Regeln beim Wichteln sind da ganz eindeutig. Sonst wäre es Schrottwichteln. Aber aus dem Alter sind Vera & Co. längst draußen.

Mit Mitte Dreißig hat sich normalerweise ein beträchtlicher Haufen an unnützen Dingen angesammelt. Parfum? Ihre Schwiegermutter hat ihr jahrelang Cashmere gekauft, obwohl Vera ihren Mann immer wieder gebeten hat, der penetrant dickköpfigen Frau zu erklären, dass sie genau diesen Duft hasst wie die Pest. Aber da muss noch eine Flasche übrig sein. Wo ist sie nur? Vera hat sich daran erinnert, dass sie sie ihrem Mann demonstrativ in seinen Rasierschrank gestellt hat, nach dem letzten Weiihnachtsfest. Aber da ist sie nicht. Mehr.

Schließlich hat sie die Kerze eingepackt, die ihre Patentante ihr vom Jakobsweg mitgebracht hat. Sara hat im Moment eine tendenziell esoterische Phase – vielleicht zieht sie die Kerze, das würde super passen. Die Verpackung ist beim Wichteln das Allerwichtigste. Sie muss den Inhalt verschleiern und das Geschenk wertig aussehen lassen. Vor allem aber: keiner darf wissen, wer welches Wichtel gepackt hat!

Im kleinen Schwarzen, erste Augenfältchen sorgfältig kaschiert, und in bester Prosecco-Laune steigt Vera in ihren Uber. Weil sie so lange nach dem Parfum gesucht hat, sind die drei anderen schon da und beinahe mit dem ersten Aperol Spritz fertig.

Ihr Wiedersehen wird ausgiebig gefeiert, Klatsch und Tratsch, neue und alte Kamellen werden ausgetauscht. Sara hätte es vorgestern um ein Haar mit ihrem Chef auf seinem Schreibtisch getrieben, nach der Weihnachtsfeier im Büro. „Und warum nur beinahe?“, fragt Vera. „Ich hab aus Versehen das Foto mit seiner Frau und den Zwillingen umgeworfen, und das Glas ist zerbrochen. Wie der sich aufgeführt hat! Nee danke, das muss ich mir nicht mal als One night stand antun. Wahrscheinlich hätte er mich währenddessen sogar mit dem Namen seiner Frau angeredet.“

„Never fuck the company – der Schpruch stimmt, Mädels.“ Marlene nickt weise und versucht, an ihrem Glas zu nippen, trifft den Rand aber erst beim dritten Anlauf.

„Du als freie Architektin hast ja gar keine Gelegenheit dazu, dich bei ner Bürosause daneben zu benehmen“, stellt Vera fest. „Schtimmt“, antwortet Marlene. „Aber isch habe Kunden…“

„Mädels, wenn wir jetzt nicht wichteln, sind wir zu besoffen, um das Papier aufzukriegen.“ Bine war schon immer die Praktischste von allen. MIt großem Hallo werden die Geschenke auf den Tisch gestellt und nochmal kräftig durchgemischt. Dann greift jede nach einem der Päckchen. Sara erwischt tatsächlich die Kerze. Und freut sich. Bine bekommt eine mit Perlen und Strass besetzte Haarspange. Wenn sie ihre dünnen Locken mit einem Haarteil aufpeppt, könnte das sogar gut aussehen. Marlene macht große Augen, als sie einen Dildo auspackt. „Bine – ist der von dir? Hast du einen neuen Freund?“ Aber ihr entsetztes „Nein!“ geht in dem lauten Gelächter der anderen unter.

Keiner der Frauen fällt auf, dass Vera plötzlich still geworden ist. Nachdenklich hält sie ihr Wichtelgeschenk in der Hand. Eine Flasche Cashmere. „Wow,“ sagt sie. „Wer?“ „Hey, das wird nicht verraten. Aber isch sag’s trotzdem“, Marlene ist dermaßen beschwippst, dass sie alle Regeln vergisst. „Das hat mir meine Adventsparty-Affäre geschenkt, als wir uns letztes Jahr nach Weihnachten getroffen haben. Verspätet, aber von Herzen, hat er gesagt. Echt, Mädels, dasch war ein Fehler. Der war doch gar nischt mein Typ. Nie gewesen. Ey, bis der dasch kapiert hat! Ich will nix haben, was mich an den erinnert!“

„Ich bin müde. War nett mich euch, Mädels. Bis bald mal.“ Vara packt ihre Sachen zusammen, legt 100 Euro auf den Tisch und verlässt, etwas unsicher auf ihren Stilettos, das Lokal.

„Was ist denn mit der los?“, fragt Sara. Aber die anderen haben keine Erklärung. Also trinken sie noch einen allerletzten Spritz.

Zuhause muss Vera sich sehr konzentieren, um das Türschloss zu finden. „Schatz, bist du das?“ ruft Timo, ihr Mann, von oben runter. Statt zu antworten, zieht Vera ihre Schuhe aus und steigt, in einer Hand die Stilettos und in der anderen Hand ihr Wichtelgeschenk, die Treppe hinauf. Timo ist im Bad und prüft lächelnd seine weißen Zähne. Dieses Lächeln. Wölfisch, geradezu.

„Na, wir war’s?“, fragt er, ohne den Blick von seinem Spiegelbild abzuwenden.

„Aufschlussreich. Ich habe heute das Parfum gesucht, das mir deine Mutter letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hat.“ „Und? Gefunden?“

„Ja. Per Zufall ist es heute zu mir zurückgekommen. Als Wichtel von meiner ehenmals besten Freudin, mit der du mich damals auf Eurer Adventsparty betrogen hast. Als Dankeschön für ihre tollen Entwürfe, vielleicht? Aber merk dir eines, mein Schatz, Lügen haben nicht nur kurze Beine, sie sind wie ein Boomerang, Sie kommen zurück, und dann treffen sie DICH.“

In Vera toben Wut und Scham, Verzweiflung, Ärger – und eine Menge Alkohol. Sie fühlt sich stark. Unbesiegbar. Und im Recht. Sie holt aus und schmettert ihrem Mann die Parfumflasche an die Schläfe.

Cashmere ist ein besonders schwerer Duft. In jeder Hinsicht.

Adventskalender MiniKrimi am 21. Dezember


Und heute wieder ein Krimi von der wunderbaren Dagmar T.! Danke. Aber Vorsicht. Ich habe tatsächlich Gänsehaut bekommen.

Bussi von der Weihnachtsfrau

Das war nun schon die 20. Weihnachtsfeier in dieser Woche, in der sie als Weihnachtsfrau die Stimmung rockte. 

Diese Veranstaltungen hatten nichts mit beschaulicher Weihnacht zu tun und auch so gar nichts mit Friede und Freude… nun ja, nicht für Alle jedenfalls. Für sie waren sie ein mäßig bezahlter Job. Jede Feier glich der anderen. Immer die gleiche Leier, die gleiche Feier, bei der sich meist Männer die Kante gaben. Ja, es gab auch die eine oder andere Frau, die nichts anbrennen ließ; aber das war nicht ihre Abteilung. Sie befasste sich mit der holden Männlichkeit. Da wurde mal hier, mal da geflirtet, geschäkert, und es wurden Küsschen verteilt, rein geschäftlich angemutet, versteht sich.

So manchER überzog aber die unverbindliche Weihnachtsstimmungs-Beschwingtheit und setzte mit Riesenschritten zum Sprung an… zum Seitensprung.

Zuerst erzählte man(n) von einem ausgefüllten Berufsleben, von Karrierechancen, von kostspieligen Hobbys, die man sich leisten konnte, ja durchaus, dann von Frau und Kindern… und irgendwann wurde es dann vertraulicher, schließlich intimer, eine Verabredung wurde ausgemacht, eine Visitenkarte mit Handynummer eingesteckt, ein Anruf avisiert. Man(n) würde noch Überstunden schieben müssen, war ja klar, wegen der Tage zwischen den Jahren, das würde die Gemahlin schon glauben, war sie doch schon so gewohnt. Ja, man(n) freue sich auf das Treffen, mit ihr, geheim… und feierlich!

Alles in Allem hatte sie heuer 13 Verehrer-Dates. Würde wieder anstrengend sein.

Ihr kleinkalibriger „Herzensbrecher“ war bereits aus der geheimen Kiste im Gartenversteck geholt und instand gesetzt, gesäubert, geschmiert und poliert. Und bestückt. Mit den kleinen Weihnachts-Kügelchen. Für jeden eine; sie traf sicher, das war klar. Ein Schuss, eine Kugel, einer weniger. 

So wurde manche Ehefrau noch vor dem heiligen Familienfeste von ihrem untreuen Ehemann erlöst. Rechtzeitig genug, damit es diesen Frauen nicht so erginge, wie es ihr damals geschehen war. Ein feierlicher Heilig Abend, am 1. Weihnachtstag noch Friede Freude Weihnachtsplätzchen und am 2. Feiertag ein Abschied mit gemeinen Worten und mit Tränen. 

Man hätte doch, du verstehst doch, wir könnten doch und er hätte das doch nicht gewollt… aber er hätte sich halt verliebt, da auf der Weihnachtsfeier, das sei einfach Liebe, da könne man(n) nichts machen…  

13 Männer, 13 Visitenkarten beschriftet mit „Bussi von der Weihnachtsfrau“, 13 gezielte Schüsse mitten ins Herz. Den Muff passend zu ihrem roten Wintermantel  würde sie waschen müssen, einige rote Tropfen hatten diesen bekleckert, würden sonst hässliche schwarze Flecke hinterlassen. Das gestohlene Handy, mit dem sie die Verabredungen mit den Ehebrechern plante, war bereits in den Tiefen des Flusses auf Nimmerwiedersehen versenkt. Alle Jahre wieder… sang die Weihnachtsfrau nach getaner Arbeit und verstaute den roten Mantel, den frischgewaschenen Muff und die Waffe im üblichen Versteck, bis zum nächsten Jahr…alle Jahre wieder.

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