Adventskalender MiniKrimi am 13. Dezember


Es ist angerichtet!

Liebe Mädels, meine Damen, gleich welchen Geschlechts. Diesen MiniKrimi habe ich für Euch geschrieben. Weil wir alle wissen, wie es sich anfühlt, wenn man erlebt, wovon ich hier erzähle. Aber bitte, versprecht mir eines: wenn Ihr das hier gelesen habt, ganz und gar und bis zum Schluss, dann knüllt die Wörter zusammen, alle, jeden Buchstaben, jedes Satzzeichen, und werft sie weg, weit hinter Euch, dorthin, wo keiner sie je findet. Und versucht um Himmels Willen nicht, es mir nachzumachen. Oder wenn – vergesst, woher Ihr die Idee dazu hattet. 

Es fing schon gut an. Also nicht. „Wollen wir heute Pizza essen?“, fragte ich. Und er: „Oh ja! Soll ich dir helfen?“ Und ich wider besseres Wissen so: „Ok.“ Wir gingen also in die Küche, erst ich und 10 Minuten später er. 

Er: „Was wollen wir als Belag nehmen? Kürbis? Ich schneide ihn.“  Und geht in den Weinkeller. Ruft von unten: „was willst du trinken? Rot oder weiß?“ Ich: „weiß.“ 

Dann warte ich. Um die Zeit totzuschlagen, schneide ich den Kürbis in Scheiben. Er kommt mit einer Flasche Rotwein zurück. Gießt sich ein Glas ein. Fragt: „Was sind denn das für dicke Scheiben? Ich wollte Würfel haben!“ Ich: „Kannst du ja jetzt draus machen. Und mein Wein?“ Er: „Wolltest du auch einen?“ Hält mir sein Glas hin und lehnt sich an den Kühlschrank. 

Ich, mit dem Messer in der Hand (nein, das ist noch nicht der Klimax der Geschichte!): „Ich wollte Weißwein. Rotwein bekommt mir nicht.“ Er: „Bist du kompliziert!“ Nimmt noch einen Schluck aus seinem Glas und schaut zu, wie ich die Scheiben in Würfel schneide. Als ich fertig bin und Kürbiswürfel und Zwiebelscheiben – ebenfalls von mir geschnitten, noch bevor er in die Küche kam – zusammen mit Chiliöl und Rosmarin in die Pfanne gebe, stellt er sich dicht hinter mich und schaut mir über die Schulter. „Soviel Öl? Und vergiss den Pfeffer nicht. Ich verstehe nicht, warum du immer alles alleine machen willst. Nie darf ich kochen!“

Ich: „Warum rollst du nicht den Pizzateig aus?“ Er: „Wo?“ Ich: „Auf dem Blech.“ Er: Welches Blech?“ Ich greife einen Meter nach rechts und gebe ihm das Blech. Er nimmt die Teigkugel, drückt sie auf die Unterlage und schlägt mit der Faust darauf. Die Kugel bekommt eine Delle. Wenn er die Faust hochhebt, zieht sich der Teig wieder zusammen. Das wiederholt er ein paar Minuten lang. Schließlich greife ich ein. „Du musst den Teig ziehen. Schau mal, so. Das machst du doch nicht zum ersten Mal!“ Er: „Alles was ich mache, ist in deinen Augen falsch. Nur du machst alles richtig“ „Na ja……“ Wohlgemerkt, ich sage nicht, was mir auf der Zunge liegt. Ich schreibe es auch nicht, denn Ihr wisst es eh.

Und so geht es weiter. „Holst du den Käse aus dem Kühlschank?“ „Welcher Kühl– äh, welcher Käse?“ „Legst du die Coppa auf die Füllung? Oh, doch nicht am Stück!“ Dann, während ich Käse auf der Pizza verteile: „Magst du den Tisch decken?“ Er: „Ungern. Ich nehme doch nur die unpassenden Teller und das falsche Besteck, wie letztes Mal (stimmt, da wollte er den Risotto von Dessertschälchen essen, mit Stäbchen). Ich kann dir eben nichts recht machen. Jetzt kommen Nachrichten. Ich bin drüben. Ruf mich, wenn das Essen fertig ist.“ 

Ich hole die Pizza aus dem Ofen, belege sie mit dem Rucola, den er vorher nicht geputzt und gewaschen hat, drapiere sie auf einem Holzbrett und balanciere das Ensemble in der linken Hand ins Esszimmer – in der Rechten halte ich Teller und Besteck. Er steht auf, holt sein Weinglas und fragt: „Willst du noch einen Schluck?“ Ich setze mich an den Tisch und fange an, zu essen.

Er lässt sich Zeit, schaut in sein Handy, trinkt den Wein. Als ich mit meinem Stück beinahe fertig bin, bedient er sich. „Die ist ja fast kalt.“ Er kaut. Betrachtet nachdenklich den Teller. „Ich frage mich, was fehlt. Da hätte noch irgendwas drauf gehört. Wenn du mich hättest machen lassen – ich hätte es gewusst. Aber du lässt mich ja nicht ran, in der Küche. Wenn du nicht alles kontrollieren kannst, bist du nicht zufrieden. Krank ist das, einfach krank! Und dann kommt SOWAS raus!“ Er hebt den Teller hoch und lässt ihn auf den Tisch knallen. So fest, dass ein Stück Keramik vom Rand abplatzt. Der Teller, wohlgemerkt, gehört zu einem Steingut-Service seiner Eltern. „Siehst du, du machst alles kaputt!“, ruft er. Ich stehe auf, gehe in die Küche, hole den Sekundenkleber aus dem Kühlschrank. 

„Alles machst du kaputt! Und dann muss ich es reparieren. Aber ich habe keine Lust mehr dazu. Ich lasse es jetzt einfach bleiben. Du hast mir mal wieder nicht nur das Essen, sondern den ganzen Abend verdorben. An allem bist du schuld. Krank, du bist krank!“

Ich schraube den Deckel des Sekundenklebers ab. „Krank!“ ruft er, und bevor er den Mund wieder schließen kann, drücke ich ihm einen satten Klebstoffstrang auf die Unterlippe. Im Reflex presst er die Lippen aufeinander. 

Ich genieße die Ruhe. 

Natürlich ist diese Geschichte völlig frei erfunden, Ähnlichkeit mit existierenden Personen sind rein zufälliger Natur. Und, wie bereits oben geschrieben: diese Aktion wird auf keinen Fall zur Nachahmung empfohlen. Es sei denn, ihr habt keine Gütertrennung und könnt nach der Scheidung mit einem netten Sümmchen neu durchstarten. Ohne Küche am besten.  

MiniKrimi vom 27. Dezember 2018


In den Rauhnächten zwischen Weihnachten und Neujahr sind die Grenzen zwischen sichtbaren und unsichtbaren Welten bekannterweise sehr dünn, zuweilen sogar durchlässig. Kommt gut behütet durch die Zeit, und genießt den einen oder anderen Kurzkrimi. Heute ein Nachlese zum Heiligen Abend von Lydia Heck.

Tief verschneites Land

Selten,  sehr selten zeigt sich der Heilige Abend in dem Gewand, das wir von ihm erwarten. Tief verschneit und unter einem stahlblauen Himmel.  Dieses Jahr war alles perfekt. Die Landschaft um den Chiemsee herum lag unter meterhohem Schnee. In dem Hotel,  in dem das Paar Weihnachten verbringen würde,  zogen seit dem Morgen verführerische  Küchendüfte durch alle Räume.  Fast hatten die gut betuchten  Gäste das Gefühl,  zu Hause zu sein. Es war wie früher,  als die Mutter im Morgengrauen die Weihnachtsgans ins Rohr geschoben hatte. Und der Geruch des Bratens den ganzen Heiligabend begleitete.

Das war kein Zufall. Der Sternekoch,  der dieses Hotel ein paar Jahre zuvor, entgegen dem Rat seiner Kollegen, verwirklicht hatte, wusste genau, was seine Gäste an diesem Tag und an diesem Abend brauchten. Es war die Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit, welche an diesem Abend viele Menschen auf der Welt umtrieb. Jeder der solventen Teilnehmer an diesem besonderen „Abendmahl“ hatte seine ganz eigenen, gut gehüteten Gründe,  nicht im trauten Kreis einer Familie zu feiern. Und weder der Champagner zum Entree noch die zehn Gänge des Festessens auf zwei Sterne Niveau konnten darüber hinwegtäuschen. Genauso wenig wie die erlesenen Weine und Spirituosen,  die in Strömen flossen.

Selbstverständlich besuchte man später die Christmette in Aschau. Ein kleines Dorf,  dessen hellster Stern besagtes Hotel geworden war. Inklusive der Zwei Sterne-Küche. Nach der Christmette waren auch die letzten Hotelgäste von einem wohligen Gefühl erfüllt. Dieser Heiligabend war gelungen – und jeden Euro des mehrstelligen Betrages wert, den sie darin investiert hatten. Ganz sicher waren sie sich vorher nicht gewesen.  Die Erleichterung,  den Abend trotz der vielen unterschwelligen Probleme und der Einsamkeit so stilvoll im perfektem Rahmen absolviert zu haben,  gab ihnen Recht.  Sie hatten sich nichts vorzuwerfen.  Sie waren die einsame Spitze dieser Gesellschaft.

Niemand bemerkte den älteren Mann beim Verlassen der Kirche. Er lag zusammengekauert am Rande des Weges, zwischen dem Hotel und der Kirche.  Herr Klein hatte ein renommiertes Unternehmen aufgebaut.  Zusammen mit seiner Frau.  Im November war sie gestorben.  Die beiden Kinder waren schon lange aus dem Haus. Sie führten ihr eigenes Leben.  So hatten Herr Klein und seine Frau sie erzogen.  Stolz waren sie immer auf die Selbständigkeit ihrer Kinder gewesen. Herr Klein hätte seine Kinder  daher nie gefragt,  ob er das Fest bei ihnen verbringen dürfe.  Ein paar Gläser Wein zu viel  an diesem Abend, an dem niemand mehr als ein paar oberflächliche Worte mit ihm gewechselt hatte.  Er war nie ein Meister des Smalltalks gewesen, und selbstverständlich war keiner daran interessiert, die Trauer in seinen Augen näher zu ergründen. Mitmenschliche Gefühle war im Preis nicht inbegriffen.

Ob die anderen Gäste ihn auf dem Rückweg ins Hotel nicht sahen oder nur nicht sehen wollten? In den hellen, warme Räumen gab es noch eine hervorragende Feuerzangenbowle,  begleitet von Andersen Geschichte vom Mädchen mit den Streichhölzern, vorgetragen von einem bekannten Schauspieler. Allen waren sehr berührt. Halleluja.

 

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