ZettelWirtschaft


Draußen flattern allerhöchstens ein paar braundürre Blattkadaver an den Winterarmen nackter Bäume. Aber hier drinnen rauscht der Blätterwald. Erzählt, was Erinnerung verloren und Absicht nicht umrissen hat.

„Warmer Kaffee“ flüstert es auf rotem Grund an schwarzer Kanne. „Mittagessen“ lockt der Topf. „Herd aus“ klebt auf allen Knöpfen. Das Telefon trägt Rufnummernaufkleber wie einen Rüschenrock. „Der große Hund muss heute NICHT Gassi gehen“ schreit die Türklinke. „Leine und Geschirr für den Welpen“ bietet die Hockerlehne im Flur. „Kein Hundefutter für den Kater“ verdeckt den grünen Katzennapf. Aber „frisches Wasser“ mahnt die Haustiertränke. „SO geht der Fernseher an und aus“ dient nebst Foto als Fernbedienungsunterlage. Völlig sinnlos, denn  der einzige Weg, um den Kasten abzudrehen, scheint zu sein, die Antenne aus der Wand zu reißen. Immer wieder.

Auch die anderen Zettel rauschen raunen ungelesen. Oder finden sich, vom wutentbrannten Sturm seniler Hände in unzählbare Fetzen gerissen, im Papiermüll wieder. Oder der Toilette. Unterm Bett. Im Kühlschrank.

„Bin um fünf zurück“, „Guten Morgen“ nebst Frühlingsblumenfoto, „hab dich lieb“ und „Frohe Weihnachten“ häufen sich staubbedeckt auf Nacht- und Schreibtischen. Daten sind nicht einmal mehr Schall und Rauch.

Stattdessen entsendet der Milchkocher auf der rotblühenden Herdplatte schwarze Schwaden, Symbol für eine Welt, in der kein ordnendes Haupt mehr zur Verfügung steht. Und keine Wahloption.  Würde ein blattloses Leben die Würde mehr verzetteln als der Orkan verständnisleerer Worte, Beschreibungen, die ohne Inhalt zum Skelett abmagern? „Es rauscht mir in den Ohren“, sagt sie. 

Da gleiche ich innen und außen an und lächele. Ein Versuch.

 

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