Dein Sterben ist nicht mein Tod


Sterbehilfe-Debatte im Bundestag. Ein wunderbares Zeichen für die Wichtigkeit und die Richtigkeit einer Demokratie! Die Abgeordneten diskutieren emotional, ernsthaft, betroffen. Aber irgendwie immer „von außen“. Mein Lebenspartner hat sich ein selbstbestimmtes Sterben gewünscht“. „Ich stand am Fenster. Hätte mir einer einen verbalen Schubs gegeben, ich wäre gesprungen“. „Unser Freund musste schlimme Qualen leiden“. Ich habe die Debatte verfolgt. Vielleicht habe ich ja den Satz nur verpasst, auf den ich gewartet habe: „Wenn ich an mein eigenes, auf jeden Fall irgendwann eintretendes Sterben denke, dann……“

Wie kommt es, dass immer nur über das Sterben anderer gesprochen wird? Außer, im Sterben Liegende kommen zu Wort. Aber auch dann kommen sie immer so rüber wie Leute, die Pech hatten, nicht mehr zu uns Lebendigen gehören, draußen sind wie bei einem Kinderabzählreim. Wir bemitleiden sie, vielleicht mit einem Gefühl der Gänsehaut – und wollen dann schnell wieder in unsere  Alltagsordnungen eintauchen. Ins Leben. Dabei gestehen wird diesem Dasein einen Wert zu, den es angesichts seiner vorbestimmten Endlichkeit nicht hat. Punkt. Gleichzeitig nehmen wir uns mit der Ausschließlichkeitsfestlegung die Chance, in der zeitlichen Begrenztheit unserer Existenz an sich eine lebenswerte Herausforderung zu erkennen. Wenn das Leben zur Beliebigkeit wird, erst dann ist auch das Ende und die Wahl von Zeitpunkt und Art beliebig.

Vor allem aber: wie kommen wir dazu, das Leben, vom Ende her betrachtet, als wertlos zu beurteilen? Ich habe mich lange und intensiv mit dem Thema Palliativmedizin, Hospize und Sterbehilfe befasst, von außen, zugegeben. Aber mir sind fast ausschließlich Menschen begegnet, die jeden ihrer letzten Tage genießen wollten, und viele, denen das durch therapeutische und spirituelle Begleitung auch möglich war. Ich habe keinen ausgeglichenen, angstfreien, von Wärme und Zuwendung umgebenen Menschen erlebt, der, vor die Wahl gestellt, jetzt sofort durch ein Medikament oder später „natürlich“ zu sterben, die erste Variante ergriffen hätte. Ganz sicher gibt es das, dass jemand endlose Qualen leidet und sofortige Erlösung will und sucht. Jeder Tod ist persönlich une einzigartig. Ich möchte ungern den Wunsch eines Menschen erfüllen, seinem Leben hier ein Ende zu setzen. Und ich möchte auf gar keinen Fall einen anderen Menschen in die Lage bringen, mich töten zu sollen. Denn macht die Tatsache, dass ich ihn darum bitte, die Tat an sich für ihn selbst und für sein Gewissen wirklich zu etwas anderem als Mord? Ich finde, nur, wenn ich die Sache persönlich betrachte, nein, mehr persönlich fühle, werde ich der Tragweite dieser Entscheidung gerecht.

Der Bundestag hat entschieden. Ich freue mich über diese Entscheidung. Ich finde die Gefahr gewerbsmäßiger Sterbehilfe, die bis zu 10 Tausend Euro kostet und keineswegs das vom Worgt „Cocktail“ suggerierte Wellnessfeeling mit sich bringt, größer als die Herausforderung, bedarfsgerecht Palliativ- und Hospizdienste einzurichten, damit jeder Mensch, auch du und auch ich, damit wir alle unser sicheres Sterben persönlich gestalten können, vor allem aber bis zum letzten Aztemzug LEBEN. Ich finde, dass diesem Leben bis zum Tod viel zu wenig Beachtung und Würdigung widerfährt.

Angesichts 100 Tausend geplanter Suizide finde ich, dass wir viel mehr in die mitmenschliche Prävention investieren müssen! Länder mit legalisierter aktiver Sterbehilfe zeigen, dass vor allem depressive Menschen und allein Gelassene nach dem „Exit“ greifen. Das ist einer sozialen Gesellschaft nicht würdig.

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