Morgen, Kinder, wird’s was geben….
Im Zuge der Rationalisierung hat die Post ihre Annahmestellen ausgelagert. In Supermärkte oder Tankstellen, zum Beispiel. Das Personal dort ist vielleicht nicht so geschult wie die Postbeamten hinter den gelben Schaltern, aber dafür in der Regel freundlicher. Die junge Frau, die am späten Nachmittag die Postfiliale in der Allguth-Tankstelle betritt, ist sichtlich überfordert, verschwitzt und ungekämmt. Sie schaut sich suchend um, dabei schiebt sie die dichten Haarsträhnen zur Seite, die ihr immer wieder ins Gesicht fallen. Vor ihr stehen zwei Männer und eine Frau in der Schlange. Wollen Pakete von Amazon und Zalando zurückgeben. Sie könnte schreien vor Glück. Hilflos zuckt sie die Achseln und reiht sich ein. Da taucht neben dem Mitarbeiter, der für die Nachmittagsschicht am Schalter abgestellt worden ist, eine Blondine auf. Mittelblond, mittelalt und nur mittelgut geübt im Posthandwerk, soll sie ganz offensichtlich eingearbeitet werden. Die junge Frau strahlt sie aus unschuldig blauen Augen an. „Entschuldigung, können Sie mir vielleicht helfen, einen passenden Karton hierfür zu finden? Sonst halte ich den ganzen Betrieb auf, wenn ich dran bin….“. Und sie hält etwas in die Höhe, was aussieht wie ein sehr grober, überdimensionierter Strumpf. „Mein Sohn ist im Schullandheim, wissen Sie. Aber er wartet ganz bestimmt auf seinen Nikolaus.“ Die Blonde lächelt, sie hat vielleicht auch ein Kind. Schließlich finden sie einen geeigneten Karton. „Ist zwar für Flaschen, aber wenn wir den Strumpf etwas anpassen….“ „Ich mach schon“, sagt die junge Mutter. „Sind ja nur weiche Sache drin, außer dem Apfel.“ Sie drückt und quetscht, und in der Tat lässt sich der Inhalt gut genug verformen, um in die Verpackung zu passen. „Nur ein paar Tüten mit Mandeln“. Am Ende bleibt der Apfel draußen.
Schließlich ist alles verpackt, die Adresse des Schullandheims ist ein Briefkasten an einer oberbayerischen Straßenkreuzung. Die junge Mutter zerfließt fast vor Dankbarkeit. „Hier, nehmen Sie doch den Apfel“, sagt sie. Die Blonde freut sich über ihre gute Tat. Sie hat eine Mutter glücklich gemacht.
Und ihren Partner, der das reine Kokain am Nikolausmorgen aus dem Briefkasten an der oberbayerischen Straßenkreuzung fischt. Spurlos verschwunden aus der Asservatenkammer am Münchner Flughafen. „Morgen, Kinder, wird’s was geben“.