AdventsKalender MiniKrimi vom 20.Dezember


tiefimwald

Zucker im Kaffee

…und Zitrone oder Sahne in den Tee, und im Herzen alle Tage lang Amor….“ zwitschert die Dame in der roten Federboa auf der Bühne. Aus der Entfernung der Tische sieht sie wie ein Teenager aus, aber die Tanzenden haben sie längst als das identifiziert, was sie ist: eine von ihnen. Eine dritklassige D-Prominente, die sich mit viertklassigen Schlagerhits aus der Mottenkiste über Wasser hält.

Das Publikum im Musikzelt auf dem Alternativfestival (nennen wir die Dinge beim Namen: im Tief-im-Wald-Zelt auf Tollwood) entspricht ziemlich genau der demographischen Altersstruktur Deutschlands – und damit so gar nicht mehr dem Gründergeist des Festivals. Indes – der Geist ist mit den Gründern alt geworden, und die Besucher sind die Ewiggleichen. Seit 30 Jahren.

Aber während zwischen den Buden mit Öko-Schoko-Döner, handbemalten Pflanzenstielen und naturreinen Tattoo- und Piercinshops die Klientel entweder noch Rastalocken trägt oder zumindest ein paar Ohrstecker unter der die Glatze kaschierenden Berbermütze, während draußen also der Altenativbär tobt, haben sich im Tief-im-Wald-Zelt die Präsenioren Marke Büroangestellte (nichts gegen diese Spezies, der ich selbst eine Zeitlang angehört habe), Biertrinker und Solariumsonnenanbeter eingestellt. Wie und warum ist im Moment noch ungeklärt – aber sie kennen die passenden Tanzschritte zum Zucker. Hüftschwingend und rotwangig drehen sie ihre Kreise. Bis einer zu Boden sackt, gefällt vom Schlagersound, ganz offensichtlich.

„Haltet den Mörder, ich seh ihn, dort hinten!“ ruft die D-Sängerin. Und in weniger als zwei Minuten ist das Zelt von Polizisten umstellt (München eben), Beamte in Zivil halten die Besucher in Schach und ein Kommissar interviewt die Dame mit der roten Stola. Die passt genau auf, dass die Kamera des filmenden Privatsenders auf sie gerichtet ist, während sie dem Kommissar berichtet, wie der Mord sich zugetragen hat. Ein schwarzer Mann von hinten, eine Waffe mit Schalldämpfer – und schon war es um den armen Egon P. geschehen.

Es dauert nicht lange, bis der Gerichtsmediziner noch am „Tatort“ die wahre Todesursache herausfindet: Herzversagen wegen Überanstrengung.

Aber da haben Polizei, Sender und unzählige Besucher schon getwittert, dass sie, die rote Lola mit der Stola, verblichenes Schlagersternchen aus den 1970ern, einen Mord aufgedeckt hat. Das Dementi erreicht vergleichsweise wenige, und da hat Lola schon einen Plattenvertrag unterschrieben. Kaffeehausmusik. Das wird sicher ungefährlicher, denn bei solchen Liveauftritten gibt es keine Tanzfläche.

Bild wird nachgeliefert – Seniorin ist doch kein Eilentwickler….

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