Fragen nach Berlin
Als Krimiautorin stellen sich mir nach den Geschehnissen in Berlin ein paar Fragen, die ich gerne mit Euch erörtern möchte.
Vorausschicken möchte ich, dass das Mitgefühl mit den Opfern und den Familien an allererster Stelle steht und stehen muss. Unabhängig von den Hintergründen der Tragödie. Schrecklich finde ich, dass viele, die sich in der Öffentlichkeit äußern, Schlussfolgerungen als Forderungen plakatieren. Und das Mitgefühl hölzern als Randnotiz erscheint. Umgekehrt müsste es sein. Aber können Personen des öffentlichen Lebens überhaupt noch individualisiertes Mitgefühl äußern? Sogar der Bundespräsident klang nicht wirklich echt, oder?
Natürlich sind Pofis am Werk. Auf beiden Seiten. Aber angesichts der Informationen, die aus Polizeikreisen verlauten (und ist da nicht bemerkenswert, dass von AfD-Seite schon eine Stunde nach dem Geschehen ein Tunesier als Tatverdächtiger getwittert wurde?), frage ich als unbedarfte Krimiautorin schon,
- warum ein Terrorist, der ein Attentat größeren Ausmaßes plant, darauf vertraut, zum Zeitpunkt seines Anschlags schon irgendwo die richtige „Tatwaffe“ , sprich LKW, zu finden… Was wenn nicht? Oder woher wusste der Attentäter, dass der Cousin des polnischen Spediteurs genau an diesem Ort parken würde?
- warum ein Attentäter, der offensichtlich seinen Selbstmord nicht mitgeplant hat und so kaltblütig ist, zuerst einen Unschuldigen zu töten und neben sich sitzen zu lassen und dann einen großen LKW in eine Menschenmenge zu steuern, danach seine Papier als Visitenkarte liegen lässt, „obligingly“.
- warum die Polizei „fieberhaft“ nach einem Mann sucht, der scheinbar schon bekannt war und beobachtet wurde und die Bevölkerung dringend um Mithilfe bittet – anhand eines Fotos, das Maghreb-Kennern wie ein Berber-Prototyp anmutet.
- warum das Wort Attentat schon Minuten nach dem Geschehen gestreut wurde, mit subitan islamistischer Färbung, wobei das bis heute nicht erwiesen ist (nota bene, Attentate sind immer alle gleich schrecklich, aber die Eingrenzung lässt eine Kanalisierung der Ermittlungen befürchten)
- und schließlich warum manche Insider-Infos durchsickern und wohin
Ich finde es schrecklich und ein Zeichen der Ohnmacht der Politik, wenn spasmodisch nach einer weiteren Verschärfung der Asylgesetze geschrien wird, während diese Gesetze ein solches Geschehen nachweislich nicht hätten verhindern können – denn untertauchen geht immer, vor allem, wenn man mit Attentatsabsicht eingereist ist und nicht, um Asyl zu erhalten. Wie viele Kriminelle tauchen unter, überall.
Unmenschlich verschärfte Asylgesetze vergrößern nur das Leid der Menschen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten und Frieden suchen, nicht untertauchen, sondern ausharren und versuchen, sich hier ein Leben aufzubauen. Legal. Eine gründlichere Kontrolle der Geflüchteten bei der Einreise hat nichts mit der Asylgesetzgebung zu tun, sondern mit höherem bürokratischen und personellen Aufwand. Natürlich ist es einfacher, Gesetze auf dem Papier zu verschärfen als in der Praxis mehr geschultes Personal einzusetzen und die behördliche Zusammenarbeit effizienter zu gestalten. Aber genau DAS wäre nötig.
Ich habe ein paar Jahre in einer Asylbewerber-Unterkunft mit bis zu 400 Bewohnern gearbeitet. Meine Erfahrung: „echte“ Asylbewerber haben es oft schwerer, anerkannt zu werden und zu bleiben, als „falsche“. Organisationen, ob terroristisch oder kriminell, verfügen nämlich über gut geschmierte Netzwerke, um ihre Operateure einzuschleusen. Das gilt für den Drogenhandel wie für Diebesbanden, Triaden etc. Und Terroristen, natürlich.
Warum fragen so wenige in der Öffentlichkeit nach den Gründen, warum Terroristen überhaupt das Risiko eingehen, bei der Einreise als Asylsuchende registriert zu werden, wenn auch unter falschen Namen? Wenn sie viel leichter illegal und unbemerkt einreisen könnten?
Auf diese Weise wird eines der Grundprinzipien unserer Demokratie und unserer christlichen Kultur untermininiert: Menschen in Not Zuflucht zu gewähren. Die öffentliche Meinung wendet sich gegen diese Geflüchteten (für deren Fluchtursachen wir in den meisten Fällen direkt mitverantwortlich sind). Hass und Misstrauen sind die Folge: in den westlichen Zufluchtsländern und in den Herkunftsländern, wo die Abwehr der reichen Welt nicht verstanden wird.
Dagegen müssen wir angehen, indem wir darüber nachdenken. Im Radio hieß es, nach Berlin würden mehr Menschen Trost in den Kirchen suchen, in dieser Vorweihnachtszeit. Wunderbar! Dann hoffen wir, dass in diesen Kirchen nicht Menschen wie der Ex-Pfarrer sprechen, der gestern auf der AfD-Kundgebung vor der Gedächtniskirche gesprochen hat. Sondern echte Menschen-Freunde.
Abschließend noch ein Hinweis zu einer Veranstaltung heute Abend in München: Angst- sicher ned! Link folgt! Hingehen!
Was meint Ihr?