ich will dem Durstigen geben von der Quelle lebendigen Wassers umsonst.
Jahreslosung 2018. Umsonst ist immer gut. Kaufst du für hundert Euro ein, bekommst du 20 Euro geschenkt, lockte eine Großhandelskette. Dass das „umsonst“ 80 Euro kostet, wird den Konsumenten nicht mal mehr bewusst. Was ist der Unterschied zwischen gratis und umsonst? lautet ein alter Witz. Antwort: ich bin gratis in die Schule gegangen und du umsonst.
Umsonst ist der Tod, und der kostet das Leben. Also ist umsonst gar nicht gut, oder? Die Flüchtlinge aus den Krisengebieten der Welt haben ihr Leben gleich mehrfach aufs Spiel gesetzt – umsonst. Denn einen sicheren Hafen finden sie hier nicht. Auch die Leute, die trotz mehrerer Jobs am Monatsende kaum ihre Familien ernähren können, die Alten, deren Rente grade mal zum Überleben reicht, die jungen Menschen ohne Schulabschluss und Bildungschance – sie alle haben umsonst gearbeitet, gewartet und gehofft. Natürlich ist das hier in Deutschland eine Minderheit. Die Mehrheit füllt die Supermärkte und ergeht sich, wie grade jetzt in der Zeit um Weihnachten und Neujahr, in wahren Einkaufsorgien. Klar, teuer können die wenigsten. Aber billig ist doch auch nur recht, oder? Das neue Handy, der Computer, Böller, Kleider, Reisen, Schmuck, die Delikatessen vom Discounter – kosta fast gar nix, also her damit. Ohne Rücksicht auf Ressourcen, Umwelt, Produktion. Und so ganz nebenbei wird auf diejenigen geschimpft, die mehr Geld haben. Die Reichen, die sich alles leisten können. Wenn schon die, dann auch wir! Ist doch eh alles schlecht und geht den Bach hinunter. Also beschleunigen wir die postulierte Talfahrt und konsumieren noch einmal so richtig.
Worum geht es den Nationalisten, wenn sie rufen“ wir zuerst?“ Nur um ihren ganz persönlichen Profit. Welche Kultur wollen sie erhalten? Die der Privatsender und Billigläden, die der Urlaubsflieger und der reservierten Handtücher auf Ferieninseln, deren Bewohner sie in den Ferien ausbeuten und, wenn sie ihnen hier begegnen, als Armutsmigranten anpöbeln – bestenfalls. Deutschland den Deutschen – diese Forderung ist tatsächlich umsonst. Und sie ist lächerlich, denn weder sind „die Deutschen“ heute als Spezies definierbar, noch waren sie es je. Aber das sind Spitzfindigkeiten, um die es gar nicht geht.
Ich will alles und sofort. Das ist die Kultur, die immer mehr Menschen bedroht sehen. Der einzige Stamm, unter dem „die Deutschen“, die sich um die Zukunft unseres Landes sorgen, subsumiert werden können, ist der Stamm „Nimm“. Tatsächlich finden sich in ihm Menschen verschiedenster Herkunftsländer, sei es im deutschen Osten – oder Westen, im Balkan, der Türkei oder Asien, vereint im fröhlich aggressiven Konsumismus. Der treibt vor allem zu Silvester laute Blüten.
Heute morgen lag ein toter Vogel auf meiner Terrasse. Ein sichtbares Raketenopfer. Die Sonne kämpfte sich durch dicke Rauchschwaden, die Tiere erholen sich nur mühsam, Haus- und Wildtiere. Für Flüchtlinge ist das Raketenfeuer ohnehin traumatisch, allzu sehr gleichen sich Kriegs- und Friedenszeichen. Allein mit dem in Deutschland für Silvesterböller ausgegebenen Geld könnten im Südsudan rund 2,4 Millionen Menschen ein Jahr lang gesundheitlich betreut werden. Südsudan! Da kommt ja nicht mal ein Liga-Fußballer her.
Und ganz ehrlich – wie mir die Metzereifachverkäuferin lächelnd über die Theke weg sagte, zum Thema: wenn ich auf meinen Böllerspaß verzichte, helfe ich damit niemandem, weil die anderen es ja auch nicht machen. Was kümmert uns die Dürre in Afrika? Wir können sie doch nicht lindern, also denken wir besser nicht daran.
Ich will dem Durstigen geben von der Quelle lebendigen Wassers umsonst.
Umsonst? Nestlé und Monsanto sehen das anders. Sie wollen das Wasser privatisieren. Das bringt Geld. Zwar haben die Ärmsten der Armen nicht viel, aber sie sind so viele, dass selbst ein Cent von jedem viel Wasser auf die Mühlen der Konzerne ist – um das Bild zu strapazieren. Wenn die Durstigen dann in den Westen drängen, weil Konzerne ihnen das Wasser abgraben, wortwörtlich, ist uns das allerdings nicht recht.
Lebendiges Wasser. Umsonst. Das ist es, was wir brauchen. Tragfähige Lösungen für die Herausforderungen in der Welt. Nur so können wir unsere Probleme in den Griff bekommen. Die heraufbeschworenen, die tatsächlichen, die drohenden. Fremdenfeindlichkeit, Vereinsamung, immer mehr Armut und immer weniger Miteinander. Alles hängt mit allem zusammen. Wenn wir unseren Konsum nicht einschränken, wird die dritte, die vierte Welt immer ärmer. Wenn wir die Konflikte und Krisen weiter anheizen und gut daran verdienen, werden die Menschen von dort zu uns flüchten. Wenn wir unsere Umweltbelastungen nicht verringern, leiden nicht nur die weit entfernten Länder, sondern auch bei uns wird das Klima verrückt spielen. Und so weiter und so fort.
Was das alles mit lebendigem Wasser zu tun hat? Eine ganze Menge…..