Frau ohne Gefühle II


Er ist eher zufällig dahinter gekommen. Eigentlich liest er keine Liebesromane. Krimis schon. Aber nur solche, deren Seitenstatistik 80% Stunts, 10% Blut, 5% Technik und maximal 5% Sätze, alle von einer Länge unter einer Zeile, aufweist. Doch im Wintersportort seiner Wahl regnete es, der Schnee führte nurmehr ein graues Schattendasein an Straßenkreuzungen, und am Hang verloren die Schneekanonen ihren aussichtlosen Kampf gegen die Plusgrade auf nebeligem Terrain.

Die Hotelschwimmbäder waren überchlort und hallten wider vom Geschrei unausgelasteter Kinder. Die Wellness-Oasen hatten sich in Dampfkessel verwandelt, in denen zum Leben erwachte Botero-Figuren wie unreife Gänse der maximalen Garzeit entgegenschnatterten. Die Barhocker waren von in Whiskey eingelegten Gockeln belagert, und wie es in den Konditoreien aussah, wusste er nicht, weil er keine Torten mochte.

Mehr aus Verzweiflung als aus Interesse hatte er die verstaubte Tür aufgestoßen, beim Eintreten hatte die kalte Luft ein müdes Glockenspiel bewegt. Im halbdunklen Innern lungerten auf staubigen Regalen Berge von verstaubten Büchern der Dämmerung entgegen. Kein Buchhändler war zu sehen, keine ungeduldige Verkäuferin. Also blätterte er  sich verstohlen ungestört durch die literarischen Welten. Lustlos und stehend, zunächst. Dann zog er sich einen Elefantenfuß heran, auf dem eine dicke Staubschicht Zeugnis davon ablegte, dass sich in dem renommierten Ort schon lange niemand mehr für die Bücher in den oberen Regalreihen interessierte. Er hob den Blick. Dann den Kopf. Während auf den Tischen Kochbücher, Skiwanderführer und Bildbände der schönsten Alpenpanoramen um die Gunst seiner Aufmerksamkeit buhlten, drehten ihm die gebundenen Exemplare dort oben kühl den Rücken zu. Er bestieg den Elefantenfuß. Aber er schon der Blick von dieser leicht erhöhten Warte verursachte ihm Schwindel, und so griff er nach dem erstbesten Einband und rettete sich auf den sicheren Boden. Erstaunt las er den in kitschigem Gold aufgeprägten Titel: ….

Vorweihnachtslustfrust!


Mal was ganz anderes zwischendurch. Der Krimi kommt später, ist janoch früh am Morgen. Obwohl – am letzten verkaufsoffenen Adventssamstag kann es eigentlich nie zu früh sein, sondern immer zu spät. Schon um sieben hat mich Bayern 5 geweckt mit dem Mahnhinweis, wo ich noch „Last Minute“-Weihnachtseinkäufe machen könne. In Bamberg, nämlich. Leider liegt das gefühlte 200 Lichtjahre von hier entfernt. Und wir sind ja praktisch eingeschneit. Allein bei dem Gedanken daran, dass ich mich mit dem Auto in die Münchner Innenstadt begeben und versuchen soll, eine von den durch Schneehaufen nochmal reduzierten, ohnehin megaknappen Parklücken zu ergattern, wird mir schwarz vor Augen. Und  das trotz des freundlich hereinlachenden Sonnenscheins!

Kaum zu glauben. Die Schneeflocken haben sich zu Eiskristallen auf dem Garten entpuppt. Der Himmel ist wunderschön helltürkis. Die Dächer haben weiße Ringelpullis an und aus den Schornsteinen kringelt sich Friedenspfeifenrauch. An solch einem Tag WILL ich KEINE Weihnachtseinkäufe machen müssen. Nicht zu Fuß, nicht in überfüllten, knobi- und glühweingeschwängerten ÖPNV-Mitteln, nicht im Auto. Und bitteschön auch nicht im Internet, wo ich eine unendliche Datenspur hinterlasse, die nur darauf wartet, von fishing-Trailern aufgenommen zu werden.

Was will ich, heute? Mit meinem alten weißen Hund spazieren gehen. Mit meinem Sohn eine Schneeballschlacht machen. Plätzchen backen und dabei Punsch schlürfen, danach. In ein Konzert gehen! DAS ist Weihnachtsvorfreude. Und all das soll ich erst NACH Weihnachten wieder dürfen? Ja wo samma denn?

Weihnachten wird überbewertet. Beschließe ich. Weihnachten ist einfach die Erinnerung an ein zentrales christliches Ereignis. Das feiere ich gerne. Aber den ganzen Glitzerschotter drumrum will ich nicht! Schluss damit!

Das Telefon klingelt. Mein Sohn. Er fährt jetzt los und holt mich in einer halben Stunde ab, um die Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Er WILL sich mit der Parkplatzsuche plagen. Wofür hat er seit einem Monat den Führerschein? Und ich?

Schaue nochmal aus dem Fenster. Seufze in die Sonne. Und schreibe ergeben meine Einkaufsliste…… WÄÄHHHHHH!

SMS-Adventskrimi. 15.Dezember:Eingeschneit!


Es schneit. Seit Stunden rieseln Kristalle leise, sanft und unaufhaltsam aus dem Wolkengrau. Horizont und Himmel sind zu einer blassen Wand verschmolzen, die hohen Gartentannen tragen dicke Pelze aus kaltem Weiß. Sie schaut aus dem Fenster. Die Welt hat ihre Farben verloren. Gelbes Licht tropft aus der Straßenlampe hinterm Zaun, stanzt eine rote Bommelmütze aus dem Einheitsschnee,  der ihren Blick erfüllt. Erst halb fünf. Und kein Mensch ist unterwegs. Eingeschneit. Sie ist allein.

Das Haus ist mäuschenstill. Es hält den Winteratem an, als wäre jeder Ton schon ein Verlust an Wärme. Kein Kinderlachen. Tom bleibt in der Stadt. Die Zwillinge bei Oma. Sie trällert, um die Leere zu zerschneiden. Vertraute Winkel werfen unheimliche Schatten.  Eingeschneit. Sie bleibt allein.

Die Stille flüstert. Knarrt. Etwas fällt um. Im Keller. Sie schaut hinaus. Gelbes Licht tropft aus der Straßenlampe hinterm Zaun, sickert in leeren Schnee auf frische Spuren Richtung Haus. Sie greift zum Telefon. Kein Ton. Eingeschneit. Nicht mehr allein……..

 

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