Professionelle Barmherzigkeit?


Hungrige speisen, Durstige tränken, Kranke pflegen. Drei von sieben Werken der Barmherzigkeit, die das Christentum als Beispiele für Hilfeleistungen kennt und nennt. Hilfeleistungen, die zum sozialen Funktionieren einer mit-menschlichen Gesellschaft nötig sind. Hilfeleistungen, die Christen aus ihrer religiösen, aus ihrer an Christus angebundenen Glaubensgewissheit heraus leisten. Sollten….!

Solange sie aus der persönlichen Motivation des Einzelnen heraus erfolgt, ist diese barmherzige Hilfeleistung eine ebenso gute wie einfache – wenn auch sicher nicht unbedingt leichte -Tat. Im 16. Jahrhundert hat der Theologe Vinzenz von Paul damit begonnen, diese Werke der Barmherzigkeit zu institutionalisieren. Er gründete die  „Bruderschaft der Damen der christlichen Liebe“, eine karitative Frauenvereinigung adliger Damen, die sich um Arme und Kranke sorgte.

Vinzenz von Paul wurde unter anderem für diesen christlichen Geniestreich heilig gesprochen, legte er doch mit seinen barmherzigen Damen den Grundstein für die heutige Caritas. Während in anderen Ländern die Caritas bis heute der vinzentinischen Grundstruktur treu geblieben und eine rein ehrenamtliche Organisation geblieben ist, hat sich die Caritas in Deutschland zu einem der größten Wohlfahrtsverbände entwickelt. Diese Wohlfahrtsverbände haben die Werke der Barmherzigkeit mithilfe des Subsidiaritätsprinzips professionalisiert. Das ist gut. Denn einer stets wachsenden Zahl von Hilfebedürftigen stehen qualitativ messbare Hilfeleistungen zur Verfügung. Theoretisch zumindest.

Jedes Messergebnis hängt von den Kriterien des Prüfenden ab. So variiert die Qualität der Kindererziehung in den vielen Kindertagesstätten, der Altenpflege in den ambulanten und stationären Diensten, der Beratung und Unterstützung in den sozialen Zentren je nach Standpunkt und Sichtweise des Betrachters. Das ist zwangsläufig so, in einer Dienstleistungsgesellschaft. Und natürlich ist ein kirchlicher Dienstleister davon nicht ausgenommen.

Dienstleister? Doch genau hier liegt die Crux. Irgendwann im Laufe der Entwicklung von den barmherzigen Damen des Heiligen Vinzenz zu den in rotweißer Dienstkleidung und entsprechenden Dienstfahrzeugen Barmherzigkeit anwendenden Damen der Caritas hat sich diese Barmherzigkeit gewandelt. Von einer geleisteten Hilfe zu einer Hilfeleistung. Hilfe wie Dienst. Nun ist Dienst am Nächsten etwas durchaus christliches. Ein Dienstleister allerdings dient weniger, als er leistet. Über die Zwänge des Sozialmarktes seit der Pflegereform ist längst alles gesagt worden, in allen Variationen. Menschliche Gesundheit und Wohlergehen sind zu Gütern geworden. Das ist gut, denn sie sind tatsächlich die höchsten individuellen Güter einer sozial verantwortlichen Gesellschaft. Güter im marktwirtschaftlichen Sinne jedoch sind Handelswaren, ihre Qualität Verhandlungssache.

Pech für die der Hilfe Bedürftigen, für die Empfänger der sieben Barmherzigkeiten. Warum? Ein Beispiel:

Die hochbetagte Mutter wird mit gebrochenem Oberschenkelhals aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen. Bettlägerig. Für die Tochter bedeutet das Rund-um-die-Uhr-Service, vom Füttern über die Körperpflege bis hin zu den intimsten Verrichtungen wie den Gang zum Verrichten von großen und kleinen Geschäften. Wobei der Gang gar nicht möglich ist, weil sich die Mutter nicht bewegen lässt. Hilfe wird gesucht. Die Intimsphäre der Mutter soll gewahrt bleiben, das Wickeln durch die Tochter ist ihr nicht angenehm. Der Tochter übrigens auch nicht. Dieser fehlt zudem die Routine in den Handgriffen, vom schmerzvermeidenden Berühren bis hin zur Häufigkeit und Beschaffenheit von Nahrung und Getränken. Ganz zu schweigen von Massagen, Dekubitusvermeidung und ähnlichen Pflegebesonderheiten.

Der professionelle Barmherzigkeit wird angefragt. Und kommt. Doch wo vielleicht noch vor 30 Jahren der Mensch im Mittelpunkt stand, dreht sich heute alles um Einsatzpläne und Abrechnungsmodalitäten. Da kommt ein Pfleger statt der Schwester, immer wieder, trotz der Bitten um eine weibliche Kraft. Da werden „Leistungen“ abgerechnet, die nicht erbracht wurden. Kämmen, „Transfer“ – damit ist der Weg vom Bett zum Toilettenstuhl gemeint. Hilfe. Leistung. Gleich Hilfeleistung. Wirklich?

Nein! Die Schwester, der Pfleger sind keine Pflegeautomaten. Sie sind Menschen. Mit Stimmungen und Schwingungen. Vor allem aber mit Druck. Zeitdruck. Leistungsdruck. Abrechnungsdruck. Die Hilfen passieren nicht mehr 1:1. Sie sind in einem Apparat erfasst, in elektronischen Systemen mit komplizierten Programmen. Pflegefehler sind menschlich, mehr als verzeihbar und im direkten Gegenüber von Pflegenden und Bedürftigen schnell aus der Welt. Computer, zentrale Erfassung und Abrechnung, Verteilung von Dienstplänen und Pflegern sind Glieder einer fatalen Kette, die die Pflege 1:1 zu einem Labyrinth werden lassen, in dem sich alle Beteiligten, Kranke, Angehörige und Pflegende verirren.

Und nun? Nein, dies ist kein Plädoyer zur Abschaffung ambulanter, professioneller Pflege! Das ist angesichts einer stetig wachsenden Zahl von Menschen, die auf pflegende Hilfe zuhause angewiesen sind, utopisch.

Was den Betroffenen, Pflegern, Schwestern, Kranken, Töchtern und Söhnen gut täte, wäre eine Besinnung auf die Wurzeln des Tuns, auf den Grund dieses Werkes der Barmherzigkeit, das da heißt „Kranke pflegen“. Was unterscheidet denn die kirchlichen „Dienstleister“ von den nicht-konfessionellen? Nicht die Professionalität. Auch nicht die Gewinnorientierung! Die Motivation? Gut. Dann muss diese aber auch deutlich gelebt werden. Und gezeigt. Da müssen Fehler eingestanden und nicht vertuscht und übertüncht werden. Da müssen Pfleger und Schwestern christlichen Rückhalt spüren dort, wo ihre Leistungen gesteuert und erfasst werden. Das wäre doch so „einfach“: Einfach mal ehrlich sein. Schwächen zugeben. Stärken suchen. Kritik hören. Oder „einfach“ mal das eigene Motto beim Wort nehmen und nah am Nächsten sein….

5 Antworten auf “Professionelle Barmherzigkeit?”

  1. Sei mir nicht bös, aber das ist Unsinn pur, was Du da schreibst.
    Perfekt ist perfekt und ein Gott ist ein Gott. Ein Gott stirbt – allein schon per Definition – nicht und ein Gott irrt sich auch nicht, indem er Wesen schafft, die perfekt zur Welt kommen um diese Perfktion im Wachsen zu verlieren!
    WIR nehmen den Kleinen ihre Perfektion, liebe Mariebastide!
    Der Mensch ruiniert systematisch was ihm geschenkt wurde!
    Und das Absurde an all den angeblich Gläubigen ist, dass sie lieber die Nase in ein Buch stecken, das von halben Analphabeten geschrieben und von einer durch und durch korrupten Kirche x- mal umgetxtet wurde, anstatt sich Gottes Schöpfung direkt anzugucken.
    Schau mal raus in die Natur! Keine Ameise kriegt je einen Buckel, kein Kaninchen hat Schnupfen. Es gibt keine Marienkäfer- Straßenkinder, keinen Krebs bei Regenwürmern, Igeln und Mäusen.
    Im Gegenteil die Menschen züchten Labormäuse mit Krebs!!! Sicher sind da auch einige dabei, die vorm Einschlafen in der Bibel lesen …
    Klar kann man dankbar sein, lernen zu dürfen. Was mich nur stört daran, ist, dass den Leuten gar nix anderes übrigbleibt. Sie kennen den Ausweg nicht. Weil nämlich genau von Leuten wie Dir, die wahre Größe Gottes zugekleistert wird. Da wird dann schwadroniert von schmerzliche Erfahrungen ‚machen dürfen‘, von ’sterben dürfen‘.
    Ja, freu Dich auf Deinen Krebs und auf’s Sterben, wenn Du magst. Ich erfreu mich lieber lebenslanger Gesundheit, werde 120 und sage auch anderen wie das geht 😉
    Liebe Grüße!

    1. Ich bin dir nicht bös! Im Gegenteil, ich bin dir dankbar, denn das schöne am Bloggen ist die reelle und reale Auseinandersetzung. Wohin kämen wir, wenn wir uns nicht aus-tauschten? Nicht von der Stelle, jedenfalls.

      Ich möchte eines herausgreifen aus deinem Kommentar. Es ist nicht so, dass wir Menschen „sterben dürfen“. Vielmehr muss alles, was entsteht, vergehen (schönen Gruß von Mephistopheles :-). Wobei vergehen ein ganz guter Ausdruck ist, denn er beschreibt, worum es geht: um die Änderung eines Zustands. Wie ich schrieb: die Welt ist rund. Alle Energie bleibt erhalten. Auch unsere. Für Buddhisten ist übrigens allein die Tatsache, dass ihre Geist in einem Körper eingesperrt ist, bereits ein Zeichen für „Nicht-Perfektion“. Ziel ist das Verlassen des Samsara durch die Überwindung der karmischen Kräfte. Ich habe allerdings schon lange den Verdacht, dass viele „Westkulturelle“ buddhistisches Denken lediglich als Alibi nehmen für ihren Traum nach einer Lebensverlängerung durch ein Verbleiben im Kreislauf der Wiedergeburten. Wobei sie das nur tun, weil sie gefangen sind im Materiellen. Wobei für Buddha Materialismus ebenso unzulänglich ist wie Idealismus. Klingt so hart, wie es ist!

      Gesundheit, Krankheit – machst du das alles also nur an deinem Körper fest? Ich möchte keine 120 Jahre darin gefangen sein – ich will eine Stufe weiter kommen. Oder 2 oder 3 🙂 Ob ich dann im Paradies sein werde oder im Nirvana – ich lasse mich gerne überraschen….!

      1. Ich mach‘ auch nix ‚fest‘, auch nicht am Körper. Ich sag sicher jeden Tag irgendwann ‚Wenn es Dein Wille ist, hol mich ab. Ich bin bereit‘. Aber solange ich in diesem Körper lebe fokussiere ich auf dieses Leben und träum mich nicht weg.
        Und zu diesem Leben gehört und in diesem Leben genieße ich was da ist und dazu brauche ich einen intakten Körper und wache Sinne.
        Zudem achte ich sowohl meinen Körper, als auch meine Umwelt und die Naturgesetze als Auftrag und Geschenk Gottes.
        paradise your life ! 😉

  2. Du hast recht. Gottes Schöpfung ist perfekt. Nun könntest du fragen, warum er uns als sein Abbild so unfertig (ich möchte gar nicht sagen, nicht perfekt) geschaffen und in seine makellose Schöpfung gestellt hat. Vielleicht finden wir die Antwort im Leben selbst. Ein Kind kommt zur Welt, ein kleines Wunder. Perfekt in sich. Im Wachsen verliert es diese Perfektion in dem Maße, in dem es sich auseinandersetzt mit seiner Um-Welt.

    Aber: verliert ein Mensch sie wirklich, diese Perfektion der ersten Monate? Oder klettert, anvanciert er nur von einem zum nächsten „Level“? Ich denke, unser Denken reicht nicht aus, Gottes Plan zu verstehen. Unser Denken ist linear, weil unser Leben so verläuft. Wobei auch das nur ein Trugschluss unseres Denkes ist.Dennn im Grunde ist die Schöpfung doch ein Kreis. Ein Lauf. In sich rund und ohne Anfang, ohne Ende. Bzw. Alpha ist Omega ist Alpha. Wir bewegen uns darin, kreisen, kreissen, werden und vergehen.

    Vielleicht stimmen unsere Dimensionen nicht mit Gottes Dimensionen überein? Ich hoffe es! Denn mögen wir uns auch als „im“-perfekt betrachten. Gott liebt uns. Er reicht uns die Hand, er ist für uns gestorben, im Wissen um unsere Unzulänglichkeiten. Und wir dürfen in dieser Schöpfung leben und lernen. Lebenslang. Im perpetuierenden Try and Error-Verfahren. In der Gewissheit, dass all unsere Fehler nichts ändern an Seiner Liebe und Treue. Zu UNS. Schön, oder?

  3. Weißt Du was mich wieder total fasziniert, um nicht zu sagen fassungslos macht, an dem Thema?
    Dass Gott uns in eine perfekte Schöpfung gestellt hat – na klar, ein Gott, wird sich doch wohl nicht irren oder Mist bauen – in der es natürlich auch keine Krankheiten gab.
    Wir haben das durch unser Fehlverhalten, das die ganz verwirrten Zivilisation oder Kultur nennen, völlig vergeigt und auch schon vergessen, dass es mal anders war.
    Doch zu allen Zeiten gibt es immer wieder Menschen, die schöpfungskonform leben und dann auch tatsächlich etwas besonderes, und natürlich lebenslang gesund, sind und steinalt werden.
    Bloß die, die vorgeben Gläubige zu sein, glauben das nicht, leben in diesem Menschen- Unsinn weiter, schwadronieren von Schicksal und opfern ihre Leben für Kranke, Hungernde, Schicksalsgeplagte, wimmern in ihren Gebeten um Hilfe, obwohl Gott längst das Seine getan hat für uns, anstatt Gottes Plan zu leben und den Gepakgten zu zeigen wo Gott uns lang haben möchte.
    Was Du ansprichst, dass sich das dann auch noch professionalisiert ist auf diesem ganzen Irresein bloß noch das Sahnehäubchen.
    Wenn Dich solch ein schöpfungskonformes Leben interessiert, besuch mich mal auf
    paradise your life ! 😉

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