Auszug aus Arabien


„Der Krieg dauerte sieben Jahre, kostete 4400 US-Soldaten das Leben und den amerikanischen Steuerzahler eine Billion Dollar: Jetzt hat die US-Armee ihre Kampftruppen aus dem Irak abgezogen“ – so titelt der Stern heute zum Abzug der letzten US-amerikanischen Kampfeinheit aus dem Irak.

Drei Fragen stellen sich mir beim Lesen: 1. Ist es präzise, das, was da heute zu Ende geht, als „Krieg“ zu bezeichnen? 2. Wie hoch waren die Verluste auf Seiten der anderen Kampfbeteiligten? und schließlich: 3. Wenn jedem Ende ein neuer Anfang innewohnt: was beginnt ab heute? Im Irak? Oder auf den Kriegsschauplätzen, auf die sich die Auseinandersetzung verstärkt verlagern wird?Aber um einen Krieg für beendet zu erklären, muss man seinen Anfang datieren. Und ich frage mich, wo dieser Anfang liegt. Sicher nicht vor sieben Jahren. Wahrscheinlich nicht einmal im ersten Golfkrieg, d.h. dem Krieg zwischen Iran und Irak in den neunzehnachtziger Jahren. Müßig weil altbekannt ist die Wiederholung der Tatsache, dass das amerikanische – wie übrigens natürlich auch das russische – Interesse an der Golfregion empathisch verbrämter, faktisch jedoch wirtschaftlicher Natur ist. Wobei die empathische Verbrämung verschiedene Facetten aufgewiesen hat, in der Ära Bush I und II. Bedrohung Israels, Verbreitung wahlweise von Islam oder Terror-Diktatur. Atomare Bedrohung. Nine Eleven. Aber worum geht es wirklich? Erdöl. Bodenschätze. Waffenübungsplatz fernab der Heimat. Wobei Soldatenverluste als Kollateralschäden gelten. Ebenso wie  – selbstverständlich – die Leiden der Bevölkerung.

Nein. Ein Krieg geht heute nicht zu Ende. Was am 20. März 2003 als Invasion begann, ein bis dahin zumindest infrastrukturell blühendes Land in einen Bombenkrater verwandelte und „mehrere Hunderttausend“ bis hin zu einer Million – genauer gehen die Statistiken nicht darauf auf –  zivile Opfer forderte, tritt nur in eine andere Ebene ein. Letztlich löst der amerikanische Präsident ein Wahlversprechen ein, im Vorfeld der Kongresswahlen. Er handelt im Interesse Amerikas. Wer und was auch immer damit gemeint ist. Das ist nicht nur legitim, das muss er tun, als Staatsoberhaupt.

Doch wie geht es weiter? Im Irak? In Amerika? Im Golfgebiet? Im internationalen Handlungsgeflecht? Im Irakt unterstützen die verbliebenen 40 Tausend amerikanischen Soldaten den Aufbau des irakischen Militärs. Wenn die abgezogenen Kämpfer durch friedensorientierte Helfer ersetzt werden, durch Soldaten an der sozialen, an der bildungspolitischen, an der wirtschaftlichen Front, dann könnte der Krieg gegen politische Kräfte zu einem Kampf gegen Armut werden. Und Armut ist die Hauptursache für Unruhen, ist der Nährboden für Destabilität und alles, was sie nach sich zieht.

Klingt romantisch, ja? Aber zuweilen können soziale Utopien dennoch richtig sein, auch wenn sie aufgrund des Status Quo in der Welt nicht verwirklichbar scheinen. Stellt sich also die Frage: wie erreichen wir eine Entente des sozialen Engagements, im Irak? Dadurch, dass das Ziel für alle Beteiligten Gewinn verspricht. Und zwar MEHR Gewinn als ein Waffenübungsplatz für neue und alte oder verbotene Munitionen. Mehr Gewinn als ein Ablenkungsmanövergebiet, das den Blick auf mögliche Terroristen, auf atomare Fremdbedrohungen, auf den Zugriffsverlust auf wichtige Ressourcen hin und weg von Fehlern und Misständen im eigenen, internen Zuständigkeitsbereich lenkt.

Welches Ziel könnte die USA genauso reizen wie Russland? Israel wie die Arabische Welt? Europa wie die globale Weltwirtschaft? Finanzielle Anreize? Die Aussicht auf weniger militärische Fremd-Ausgaben in Billionenhöhe? Ganz zu schweigen von der Schonung soldatesken Potentials (aber das gelingt unserem Verteidigungsminister bspw. ja schon intern). Ein sozialer Sieg, mit dem man sich politische Lorbeeren umhängen kann? Effektive Minimierung des Terrorismus, vielleicht? Aber daran ist ja niemandem wirklich gelegen, wegen des Grundsatzes vom Krieg an den Grenzen (erinnern wir uns an die Antike).

Ein wirtschaftlicher gesunder Irak mit funktionierender Infrastruktur, einem gelingenden Bildungssystem und einer von allen akzeptierbaren Regierung wäre  wieder eine Heimat. Nicht nur für die Flüchtlinge und Asylbewerber in aller Welt. Auch für die Daheimgebliebenen. Keine grellen Kriegsbilder mehr. Keine verstümmelten Kinder, mit deren Porträts man wahlweise titeln oder für die man sich selbst als Schauspieler humanitär engagieren kann. Nutzlos, so ein Land. Das wäre ein Beispiel globaler Menschlichkeit. Und insofern, zugegeben, ein Utopie. Schade!

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