„Das gibts ja nicht. Dieser Lügner!“ Ich flüstere mich heiser. Immer wieder „Lügner. Lügner.“ Damals, als ich in Beirut in den Terroranschlag hineingeriet, typisch ich, natürlich, immer auf der Suche nach Abenteuern abseits der ausgetreten Pfade, aber wie abseits, in diesem Markt Teppiche und Drogen, damals wurde mein Gehirn in Sekunden zur Maschine. Chancen ausrechnen, Wahrscheinlichkeit durchchecken, und dann los, jeder Handlung wie ein Uhrwerk. Ich höre die selben Schreie wie auf dem sonnengetränkten Souk. Schnelle Schritte, schweres Fallen. Langsam lege ich den Schalter um in meinem Kopf. Schließe die Augen, sehe die Schattenmänner auf sicheren Sohlen in meiner Wohnung. Das Paneel hinter dem rechten Vorhang. Richtig, es löst sich von einem Versteck. Ich greife hinein und ziehe das Päckchen mit dem weißen Pulver raus. Wie schwer es ist. Gut! Ich schnappe mir das Handy und drücke auf Wiederwahl. Ohne zu warten zische ich in dieser undefinierbaren Lautstärke: „Hey Amigo, wir sind aufgeflogen. Schnell hol dir den Stoff ich warte im Müllhäuschen“.
Von gegenüber höre ich Schüsse. „Hände hoch, Polizei!“ ruft eine Stimme und rast sekundenlang durch mein Blut. Ich schalte mich auf Automatik. Gefühle waren gestern. Jetzt geht’s mal wieder um mich, zur Abwechslung. „Eh du Verrätaschwein“, schreit jemand, dann klirrt Glas. Hektik im Hof. Fenster werden aufgerissen. Leute gaffen. Ich nicht. Ich wische meine Fingerabdrücke von Francks Ausweis, geh in die Küche, hole ein Messer und warte. Jetzt ist es still.
Dann ein Klopfen. „Gisa, Liebes. Alles vorbei. Ich habs dir versprochen. Mach auf.“ „Ich renne zur Tür. Lasse mich wortlos in die Arme nehmen, drücke Franck fest an mich, ganz fest. Dann steche ich zu. Genau zwischen die Schulterblätter. Das kann ich. Ich kann alles. Nur nicht zuschauen wie er stirbt, mit diesem fragenden Blick. Er hat wirklich keine Ahnung.
Die Latexhandschuhe stecke ich ein. Auf dem Weg zum Parkplatz gehe ich querbeet über den Rasen, schaue ich ins Müllhäuschen. Jemand duckt sich hinter die Tonnen. „Der Typ da inner Wohnung hier im dritten Stock, mit den blutunterlaufenen Augen und dem weißen Zeug im Sack, gehört der zu dir? Ich soll dich raufschicken, jedenfalls. Haste Handschuhe?
Er grinst und läuft los. Ich auch. In die entgegengesetzte Richtung. Keiner hält mich auf, als ich den Porsche anlasse und ganz gemächlich auf den Parkplatz rolle, hinaus auf die Straße. Und dann Richtung Autobahn. In den Süden. Dort ist das Zeug ne Menge wert. Leben, ich komme.
An der Tanke dreht sich der Typ vor mir in der Schlange um. Schaut mich an. Nicht übel. Haselnussbraune Augen tasten mich ab. Von Kopf bis Fuß. „Biste in Scheiße getreten?“ Fragt er. „Kann sein. Heute ist wohl mein Glückstag“, grinse ich. „Ich heiße Leah. Und du?“
super spannend! danke! 🙂