10. Dezember: Grüne Flocke


GrünAus weichem Puder ist dicker Zuckerguss geworden. Schwer liegt er auf den Hecken, tropft träge von der Brückenbrüstung, garniert Äste und Dächer mit flaumigem Pelz. Eine Krähe streitet mit dem Friedensengel, hackt ihm erbost auf den goldenen Kopf. Vielleicht hat er ihr das Märchen vom glücklichen Prinzen erzählt und gehässig bemerkt, dass sie leider keine Schwalbe sei. Nun gut, aber er trägt auch keine Rubine und Diamanten. So ein Wintermorgen hat etwas Magisches an sich, und die buntesten dunkelsten Bilder der Kindheit tanzen plötzlich das nasse Kopfsteinpflaster entlang, balancieren auf dem schmalen Grat, den die Sonne zwischen Morgen und Schneewolken lächelt. Hände in Handschuhen und Handschuhe in den Manteltaschen, so stapfe ich fellbestiefelt vom Landtag herunter. Eiskalter Wind irrt durch die Gassen und jagt seine Böen hinunter zum Isarwehr. Ich wäre nicht im Mindestens erstaunt, würde plötzlich vor mir Knecht Ruprecht auftauchen oder Frau Holle, vielleicht. Da! Ein grüner Punkt hüpft auf die Straße. Tüll weht und bauscht sich. Ein Froschkönig? Oder die grüne Fee? Ich erinnere mich: vorgestern lief das gleiche Mädchen in einem orangefarbenen Tüllkostüm vor mir her. Und heute grün! Wo kommt sie her? Wohin geht sie? Gegen die Kälte trägt sie Jeans unterm Reifrock und dicke Schuhe. Das sehe ich. Und unbekümmert schleift sie den Saum auf dem Schneematsch. Das schöne Kleid! Vielleicht sucht sie ihren Mitternachtsschuh? Oder sie probt für den Faschingsempfang? Ich werde es nicht wissen, denn jetzt ist sie vorn um die Ecke gebogen und außer Sicht……

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