Adventskalender-MiniKrimi am 15. Dezember


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Unkontrollierte Eskalation

Strategieworkshop im Wahlkampf. „Wenn die Argumente ausgehen, muss man kontrolliert eskalieren. Dabei darf man den Gegner nicht schonen. Und sich selbst auch nicht.“

Der Chefdenker bekommt ein Honorar in der Dimension eines Mittelstreckenfliegers, also muss er wissen, was er sagt. Trotzdem jagen der Leiterin der Wahlkampfzentrale heiße Schauer über den Rücken. Wie meint er das? Oder hat er sich vorher die Konsequenzen von dem überlegt, was er da so gelassen ausspricht?

Ihm muss doch klar sein, dass der Kandidat am Ende ist. Seit Wochen im Umfrage-Tief. Nur ein Wunder kann ihn retten. Und sie ist dafür verantwortlich, dass dieses Wunder geschieht. Wie durch dichten Nebel hindurch hört sie den Chefdenker weitersprechen: „Was in solchen Fällen immer hilft..“ „Katzenvideos?“, versucht einer einen Scherz. Ausgerechnet der Presseverantwortliche! „Was in solchen Fällen immer hilft“, wiederholt der Chefdenker geduldig und in genau dem Tonfall, den sie bockigen Kindern gegenüber anwenden würde – vorausgesetzt sie hätte welche. „Also was da hilft ist der Mitleidsbonus.“

Fragende Gesichter in der Runde. Mitleid – weshalb? Weil der Kandidat im Privatjet von Termin zu Termin hetzen muss und mit Kaviarhäppchen und Champagner bei Laune gehalten wird? Oder weil er zufällig so gut aussieht, dass sich die hübschesten Blondinen darum reißen, neben ihm fotografiert zu werden, ungeachtet jedes Klischees?

„Ich werde Euch jetzt nicht näher erläutern, was ich meine (klar, sonst stünde er sofort mit anderthalb Füßen im Gefängnis, denkt sie), aber unlängst wurde eine Bürgermeisterin mit unerwarteter Mehrheit gewählt, während sie nach einem Attentat auf der Intensivstation lag…..“.

Sie hat es geahnt. Sie wusste es. Und sie weiß, was sie tun muss. Aber ihr wird schlecht bei dem Gedanken an die Durchführung. Sie gibt sich einen Ruck. Sie ist die Verantwortliche. Jetzt gibt es kein Zurück. Sie steht auf, geht leise aus dem Meetingraum und, setzt sich an ihren Schreibtisch, holt den vorbereiteten Umschlag aus der untersten verschlossenen Schublade und macht sich auf die Suche nach einem unauffällig platzierten Briefkasten.

„Spitzenkandidat von Briefbombe schwer verletzt!“, schreit es am nächsten Tag aus dem Blätterwald. Und wie erwartet finden die Boulevardzeitungen plötzlich und zum ersten Mal seit Wochen freundliche Worte für den armen Politiker, der so hart für sein Land arbeitet, dass er sogar selbst seine Briefe öffnet. Ein im Wortsinn durchschlagender Erfolg.

Aber dann – besucht ausgerechnet seine schärfste Konkurrentin den Verletzten im Krankenhaus. Medientechnisch perfekt inszeniert überreicht sie ihm einen großen Blumenstrauß.

Sie ist schon wieder auf dem Weg zum nächsten Wahlkampfauftritt, als der Spitzenkandidat einem anaphylaktischen Schock erliegt. Allein schon aus Selbstschutz werden die behandelnden Ärzte das nie nach außen dringen lassen, ebensowenig wie die Tatsache, dass sich ein Zweiglein Ambrosia in die Blumen gemogelt hatte.

Kurz nach ihrer Wahl wird die neue Ministerpräsidentin ihr Coming out bekanntgeben und mit ihrer neuen Liebe in die Staatsvilla einziehen. Dass die Geliebte mal Wahlkampfleiterin ihres stärksten Gegners war, ist zu diesem Zeitpunkt niemandem mehr bekannt.

2 Antworten auf “Adventskalender-MiniKrimi am 15. Dezember”

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